Wanderer und Biker sollen endlich gleich behandelt werden

  24.08.2021 Saanenland, Saanenland, Obersimmental

Schweizer sind fast ebenso gern auf Velos unterwegs wie zu Fuss. In der kantonalen Gesetzgebung schlägt sich das jedoch nicht nieder. Weil die Rechtsgrundlagen fehlen, kommt auch die Bikeroutenplanung im Oberland kaum vom Fleck. Inzwischen arbeitet der Kanton an einer Lösung – sehr zur Freude von SVP-Grossrat Kurt Zimmermann, welcher bereits 2020 eine entsprechende Motion eingereicht hatte.

Mountainbiken liegt im Trend und ist auch in unserer Region eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Der volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Nutzen des Mountainbike-Sports ist für den Kanton Bern enorm. Seit dem Corona-Sommer boomt der Fahrradsport wie noch nie. Die Verkaufszahlen von Mountainbikes und E-Mountainbikes erreichen Rekordwerte. Mehr Menschen auf Fahrrädern bedeuten auch mehr Menschen auf teilweise gemeinsam genutzten Weginfrastrukturen. Dies führt zu Herausforderungen, die zusammen mit Grundeigentümern, Wanderern, Wildhütern und Förstern angegangen werden müssen. Wanderer und Mountainbiker haben viele ähnliche Bedürfnisse wie Natur- und Landschaftserlebnis, Bewegung, Spass und Zusammensein. Sie wünschen sich Wege und Routen durch schöne Landschaften zu Ausflugszielen und sie benützen die gleichen touristischen Dienstleistungen. Sehr viele Leute sind sowohl Wanderer als auch Biker.

Noch kann der Kanton nicht helfen
Einer, der diese Problematik aus mehreren Perspektiven kennt, ist Kurt Zimmermann. Als Präsident der Planungsregion Kandertal weiss er um die zahlreichen Hürden, mit denen die Bike-Richtplanung konfrontiert ist. Als Wanderer und Biker kennt er auch die Bedürfnisse und gegenseitigen Vorurteile beider Interessengruppen persönlich. Und als Grossrat schliesslich ist er über die rechtliche Situation im Bilde. «Der Kanton Bern verfügt zwar über einen Sachplan Veloverkehr, kann aber in den grossen Tourismusgebieten mit der immer wichtiger werdenden Mountainbike-Thematik keine Unterstützung bieten. Grund: Es besteht kein gesetzlicher Auftrag», erläutert Zimmermann. So würden Gemeinden respektive Regionen mit der Planung und Finanzierung von Routen weitgehend allein gelassen. Für alle Beteiligten sei dies eine höchst unbefriedigende Situation. «Eine gesetzliche Grundlage mit der Gleichstellung und Gleichbehandlung von Wanderern und Mountainbikern würde dem Kanton die Möglichkeit geben, sich finanziell zu beteiligen und die Gemeinden und Regionen bei der Signalisation sowie beim Unterhalt zu unterstützen», ist der Frutiger überzeugt.

Ein Gesetz ist auf dem Weg
Mit dieser Haltung steht er nicht allein da. Im September 2019 – wohl unter dem Eindruck einer soeben gescheiterten Bike-Richtplanung fürs östliche Oberland – reichte der Interlakner SP-Grossrat Urs Graf eine Motion ein. Unter dem Titel «Attraktive Mountainbike-Routen auch im Kanton Bern» wird die Schliessung der Gesetzeslücke verlangt. Eine überwältigende Mehrheit im Rat stimmte diesem Befund zu und nahm die Motion im März 2020 an – ebenso wie der Regierungsrat selbst. Dieser hatte sich schon im Vorfeld der Abstimmung bereit erklärt, das kantonale Strassengesetz zu revidieren und «wichtige Mountainbike-Routen künftig als Velofreizeitrouten mit kantonaler Netzfunktion» zu behandeln. Dadurch bekämen Gemeinden einerseits eine gewisse Rechtssicherheit, andererseits könnten sie für die Erstellung neuer Routen auch Investitionsbeiträge vom Kanton erhalten.

Rechtssicherheit für Grundbesitzer
Entgegen der Mehrheit seiner Fraktion stimmte damals auch Kurt Zimmermann der Motion zu. «Mit der Gesetzesrevision können viele Fragen und Unsicherheiten für die Gemeinden, aber auch für die Grundeigentümer beantwortet und geklärt werden», begründet er. Im Zuge des Vernehmlassungsverfahrens, das bis Ende 2021 läuft, würden sich auch die Planungsregion Kandertal und die Bergregion Obersimmental-Saanenland äussern. Schliesslich arbeite diese seit Jahren an einem überregionalen Richtplan fürs Biken und habe entsprechend wertvolle Erfahrungen gesammelt. So habe man beispielsweise eine Lösung für Haftpflichtund Versicherungsfragen erarbeitet. «Diese Lösung schützt die Grundeigentümer und Landbesitzer, die von Mountainbike-Routen tangiert werden», so Zimmermann. Seiner Auffassung nach sollten die Interessen der Grundeigentümer auch in der kantonalen Gesetzgebung berücksichtigt werden. «Die rechtliche Lösung muss dahin gehen, dass sie Unterstützung beim Wegunterhalt, Rechtssicherheit betreffend Haftung sowie eine klare Ansprechstelle erhalten – und die Gewissheit, dass ihnen infolge ihres Entgegenkommens keine Subventionen gekürzt werden.»

«Die Wanderer müssen keine Angst haben»
Was es nebst einer ordentlichen Rechtsgrundlage ausserdem noch braucht, ist laut Zimmermann eine Fachstelle, die ämterübergreifend gleichermassen die Interessen der Wanderer, der Velofahrer und der Mountainbiker vertritt. Nur so könne eine friedliche Koexistenz hergestellt werden – und die sei letztlich im Interesse der gesamten Region, die doch ihren Sommertourismus stärken wolle. «Wanderer und Biker müssen endlich gleich behandelt werden», fordert Zimmermann und betont: «Die Wanderer müssen keine Angst haben. Auch ich wandere und bike. In der Regel geht das völlig ohne Probleme aneinander vorbei. Es braucht einfach Rücksicht und Verständnis von allen Seiten».

Es sei zu hoffen, so Zimmermann, dass der Kanton Bern diesen gesetzlichen Rückstand auf die Kantone Graubünden und Wallis ein wenig aufholen und somit den Sommertourismus vermehrt stärken könne. «Der Kanton Bern und vor allem das Oberland bieten alle Voraussetzungen, zu einem Mountainbike-Paradies zu werden.»

PD/ANITA MOSER


ÜBERREGIONALES BIKESTRECKENNETZ SAMT RICHTPL AN

Zur Förderung des Sommertourismus arbeiten die Planungsregion Kandertal und die Bergregion Obersimmental-Saanenland gemeinsam seit vielen Jahren an einem überregionalen Bikestreckennetz und einem entsprechenden Richtplan als Grundlage dafür. «Von den ursprünglich über 80 angedachten Routen sind im langwierigen Planungsprozess letztlich rund 50 geblieben. Anfang 2019 wurde der Richtplan zur Mitwirkung veröffentlicht, seitdem harzt der Prozess», so Zimmermann weiter.

Konkreter Handlungsbedarf in Bezug auf die Mountainbike-Thematik:
– Gleichstellung des Mountainbikens mit dem Velofahren und dem Wandern (Fuss- und Wanderwege) auf Gesetzes- und Verordnungsstufe.
– Einsetzen einer Fachstelle, die ämterübergreifend gleichermassen die Interessen der Wanderer, der Velofahrer und der Mountainbiker vertritt.
– Erarbeiten von Grundlagen (Leitfaden und Wissenspool) zur Koexistenz von Mountainbike, Velo und Wandern in Absprache mit allen betroffenen Amtsstellen und Interessenvertretern.

PD


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