Jedes Werk ist ein Stück Philosophie

  15.10.2021 Kultur

In seinen Werken drückt Peter Germann Leben aus – das Leben in allen Facetten. Er töpfert und brennt in seiner Galerie in Boltigen, das Papierschneiden ist Arbeit, die er zu Hause in der Stille leistet. Gegenwärtig sind Scherenschnitte, Papierschnitte und Collagen im «Hüsy» Blankenburg ausgestellt.

LOTTE BRENNER
Die Ausstellung im Galerie-Restaurant Hüsy in Blankenburg dauert noch bis am 21. November. Sie gibt jedoch nur einen Teileinblick in das künstlerische Schaffen des 69-jährigen Peter Germann, der seine ersten Begegnungen mit dem Scherenschnitt in seiner frühesten Jugend im Saanenland hatte. Nach dem Schulabschluss absolvierte er gleich zwei Lehren – eine Ausbildung zum Zimmermann und eine zum Töpfer. Beide Berufe begleiten ihn ein Leben lang. Er sucht sich seinen eigenen Weg als freischaffenden Künstler und zwischendurch betätigt er sich architektonisch an verschiedenen Bauprojekten. Ein erster Blick in den Galerieraum in Boltigen genügt, um festzustellen, dass es sich hier nicht um ein Kunsthandwerk oder eine Stilrichtung handelt, sondern um eine ganze spannende Kunstentwicklung, die Peter Germann durch die Arbeit mit verschiedenen Materialien und Techniken in jahrzehntelangem Schaffen durchlebte. So verschieden jedoch seine Werke in Beschaffenheit und Interpretation sind, so deutlich tragen sie doch seine Handschrift. Auffallend ist der thematische Ausbruch Ende der 60er-Jahre. Da erscheinen seine Papierbilder nicht mehr so traditionell, auch nicht mehr so symmetrisch. Er sucht sich engagiertere Sujets aus und spielt mit Strukturen, bringt optische Täuschungen zum Ausdruck. Seine Collagen brechen in eine noch freiere Welt aus.

Immer wieder Vögel
In seinen bildnerischen Darstellungen tritt immer wieder der Vogel als Motiv in Erscheinung. Beeindruckend ist die Bildkomposition «aus den Fugen», das Raben in verschiedenen Spiegelungen aufzeigt. Peter Germann sagt dazu: «Ich habe mich am altpersischen Kachelprinzip orientiert, wo der Rabe sich selbst im Spiegel erkennt.» Sei es in gegenständlichen Scherenschnitten oder abstrakteren Bildern – der Vogel als Zeichen von Freiheit und Unabhängigkeit spielt bei Germann eine zentrale Rolle. Und der Hintergrundgedanke in sämtlichen Darstellungen ist immer wieder «das Leben in allen Facetten». Es sind Naturempfindungen und Stimmungen, die Germann in seinen Werken zum Klingen bringt. Das Wort «Klingen» ist hier wohl angebracht, da die Musik nach Aussagen des Künstlers «eine wichtige Inspirationsquelle» ist, auch wenn sie nicht unmittelbar mit der Sache zu tun hat. Nachvollziehbar ist dies im «Hüsy», wo in der Gaststube Arbeiten von Peter Germann ausgestellt sind und dann ein Ausstellungsrundgang zu mittleren und späteren Werken, die ab den 90er-Jahren zunehmend bunter werden, führt.

Der Topf im Kopf
Ganz normale Dinge werden bekanntlich erzählenswert, wenn sie hinterfragt werden. So geht es beispielsweise mit einem simplen Tontopf. Bei Peter Germann muss die Form zuerst im Kopf stimmen. Dann erst nimmt er sie körperlich wahr. Seine Erkenntnis «jetzt stimmts» ist die Voraussetzung für die Vollendung eines simplen Topfs. Handwerkliches Können allein genügt eben nicht. Sehr viele Faktoren spielen eine Rolle, sollte ein Topf nicht nur ein Topf sein, sondern ein Kunsthandwerk mit eigener Note. Allein der Umgang mit der Oberfläche, die Farbwahl, die Gestaltung des Innern eines Gefässes, setzt eine intensive Auseinandersetzung voraus. Hier beruft sich Germann auf eine grosse Sprachgewalt, wie man sie von Musik und Literatur kennt. Sein Anliegen ist, Bilder und Gegenstände, die er kreiert, in Stimmungen und Empfindungen zur Sprache zu bringen. In seiner Galerie in Boltigen, die am Donnerstag und Freitag nachmittags geöffnet ist, zeigt er Gefässe, die Bildbände sprechen, zum Teil auch mit Verzierungen, die er in einem Holzbrennofen in Worben fertigt. Daneben bietet er Gebrauchsgegenstände zum Verkauf an, die er und seine Ehefrau Ruth Germann-Oswald gemeinsam herstellen. Eine Decke und Spielzeug deuten auf einen weiteren Galeriebewohner hin, den Germann als «wildsaufarbenen Rauhaardackel» deklariert: zu den irdenen Töpfen irgendwie passend vorstellbar. Parallel zur gegenwärtigen Ausstellung im «Hüsy», gibt es einen umfangreichen Katalog. Diese Publikation enthält nebst zahlreichen Bildern ein aufschlussreiches Porträt sowie kernige Aussagen von Peter Germann.


DAS WIRKEN IN DATEN
– Ab 1956 im Saanenland, Zimmermanns- und Töpferlehre
– 1980 bis 2000 Atelierlehrer an der Schule für Gestaltung Bern
– 8 Jahre lang im Vorstand des Museums der Landschaft Saanen
– 1998 USA-Semester mit Studienreise durch 15 Staaten
– 2000 Ateliergemeinschaft mit Ehefrau Ruth
– Seit 2007 in Boltigen
– Seit 2015 Werkgalerie und Atelier in Boltigen


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote