Adventszeit

  26.11.2021 Kirche

Erst einmal ankommen
Zwei Stunden unterwegs auf Strasse und Autobahn: Baustellen, Stau, quengelnde Kinder.

Es geht zum Besuch bei der Tante. Endlich da. Die Tür geht auf. Und es duftet schon nach selbst gebackenem Kuchen. Köstlich. Wunderbar! «Kommt, zieht euch schnell aus. Was wollt ihr trinken, Kaffee, Tee? Ich habe auch Rotbuschtee, wenn ihr den anderen nicht wollt. Oder lieber erst etwas Kaltes? Apfelschorle für die Kinder? Mein Gott, sind die gross geworden. Wie ist es denn in der Schule?» Es sprudelt nur so aus ihr heraus. Die Kinder fühlen sich überfallen und reagieren so, wie Kinder in solchen Fällen eben reagieren – genervt. Es zuckt leicht um die Mundwinkel der Tante. «Lass uns erst einmal ankommen. Wir brauchen noch einen Moment.» Phu ... Situation entschärft! Und dann wird es ein richtig schöner Nachmittag.

Keine Schnellschüsse
Erst einmal ankommen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir das einander und uns selbst gar nicht mehr zugestehen. Da gewinnt eine Person eine politische Wahl und nach sechs Wochen wird schon geschimpft, dass sie die Lage nicht in den Griff kriegt. Müssen nicht auch Politiker/innen erst einmal ankommen dürfen? Und Chefs und Präsidentinnen und Neffen und Grosseltern und, und, und. Jeder, der in eine neue Situation kommt, muss die Gelegenheit haben, erst einmal wahrzunehmen, was ist und was nötig ist. Und Zeit, um zu überlegen, wie er oder sie sich selbst einbringen kann. Schnellschüsse haben sich ohnehin schon oft als falsch herausgestellt.

Bei sich ankommen
Erst einmal ankommen. In einer Situation ankommen. Bei den Menschen ankommen, mit denen ich zu tun habe. Und bei mir selbst ankommen. «Wir sind doch ständig bei uns», könnte man da erwidern. Aber stimmt das auch? Wann bin ich denn mal wirklich ganz bei mir? Und wie würde ich das merken? Dann vielleicht, wenn innen und aussen übereinstimmen? Wenn ich nicht mit meinen Gedanken schon wieder ganz woanders bin. Wenn ich mich nicht ständig drängen lasse zu Dingen, die ich eigentlich gar nicht will. Wenn ich fröhlich Ja sagen kann, wenn ich Ja meine, und freundlich Nein, wenn ich Nein meine. Wir treffen manchmal Menschen, die in sich ruhen, mit sich selbst im Einklang sind. Vielleicht sind diese bei sich selbst angekommen.

Gott kommt an
Der Advent erzählt vom Ankommen. Vom Ankommen Gottes in dieser Welt. Damals in Bethlehem und heute bei uns. Es ist für viele eine geschäftige Zeit, eine hektische Zeit. Hoffentlich nicht zu geschäftig, um zu merken, dass Gott auch Zeit zum Ankommen braucht. Und hoffentlich nicht zu geschäftig, um sich nicht auch auf den Weg zu sich selbst zu machen. Vielleicht kommen wir dann ja sogar bei uns selbst, in der Welt an.

PFARRER PETER KLOPFENSTEIN


Advent: Kerzen, Kranz, Kalender – das Kirchenjahr beginnt

Endlich! Eine neue Zeit beginnt. Die grauen Novemberwochen mit zunehmender Dunkelheit, Regen und fallendem Laub sind vorbei. Jetzt funkelt Kerzenschein in den langen Abendstunden. Adventskranz und Tannenzweige schmücken Wohnungen, Büros und Warenhäuser. Leuchtende Sterne über den Strassen, Lebkuchenduft in der Küche, Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt. Dazu Flöten- oder Trompetenklänge, die bekannten Lieder «Macht hoch die Tür» oder «Tochter Zion».


ADVENT IN DER BIBEL

Psalm 24, 7–10
Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!
Wer ist der König der Ehre?
Es ist Gott, stark und mächtig, Gott, mächtig im Streit.

Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!
Wer ist der König der Ehre? Es ist der Gott der Heere; er ist der König der Ehre.

Jesaja 60, 1–3
Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit Gottes geht auf über dir!

Denn siehe, Dunkel bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht Gott auf, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.

Und die Völker werden zu deinem Licht ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.

Jesaja 52, 7–10
Wie lieblich sind auf den Bergen die Füsse des Freudenboten, der da Frieden verkündigt, Gutes predigt, Heil verkündigt, der da sagt zu Zion: Dein Gott ist König!

Deine Wächter rufen mit lauter Stimme und jubeln miteinander; denn sie werden’s mit ihren Augen sehen, wenn Gott nach Zion zurückkehrt.

Seid fröhlich und jubelt miteinander, ihr Trümmer Jerusalems; denn Gott hat sein Volk getröstet und Jerusalem erlöst. Gott hat seinen heiligen Arm vor den Augen aller Völker offenbart, dass aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.

Philipper 4, 4–5
Freut euch immerzu, weil ihr zu Gott gehört!
Ich sage es noch einmal: Freut euch!
Alle Menschen sollen merken, wie gütig ihr seid!
Gott ist nahe!

Wer lässt sich nicht gern in die faszinierende Stimmung der Adventszeit hineinziehen, in die erwartungsgeladene Atmosphäre der Wochen vor Weihnachten? Doch wo kommt sie her, diese Zeit? Wo hat sie ihre Wurzeln und ihren Sinn?

Macht hoch die Tür! Wer kommt denn da?
Das Wort Advent kommt aus dem Lateinischen: «advenire» bedeutet ankommen. Advent meint schlicht und einfach Ankunft. Wer oder was kommt an? Eine Erzählung wird oft am 1. Advent gelesen: «Der Einzug in Jerusalem» (Matthäus 21,1–11). Jesus kommt in die Nähe von Jerusalem. Er lässt sich eine Eselin und ihr Fohlen bringen. Auf ihm reitet er in die Stadt. Dabei wird er jubelnd begrüsst, wie ein König empfangen.

Jetzt kann man einwenden: Eigentlich gehört diese Erzählung doch zum Palmsonntag, dem Sonntag vor Ostern. Denn tatsächlich wurde Jesus wenige Tage nach seinem triumphalen Einzug verhaftet und zum Tod am Kreuz verurteilt. Was soll diese Erzählung also hier im Advent? Warum gehört sie dazu?

Weil Advent mit Ankommen zu tun hat: Wie Jesus in Jerusalem einzog, soll Jesus bei uns ankommen. Nicht am Stadttor, sondern an der «Herzenstür». Das besingen viele Adventslieder, zum Beispiel «Macht hoch die Tür, die Tor macht weit» oder «Wie soll ich dich empfangen»?

Steht der Adventskranz in der Bibel?
Nein, er kommt in der Bibel nicht vor. Sein Erfinder heisst Johann Hinrich Wichern. Er war der Gründer des «Rauhen Hauses» in Hamburg. Dort nahm er verwaiste oder verwahrloste Kinder auf. Ihnen wollte er den Sinn der Adventszeit und des Wartens auf den wiederkommenden Christus deutlich machen.

Darum nahm er erstmals im Jahr 1833 ein grosses Wagenrad und setzte darauf 24 Kerzen, von denen in der Adventszeit eine nach der anderen angezündet wurde: kleine rote für die Werktage, grosse weisse für die Sonntage. Die Idee zog bald Kreise, allerdings nur die vereinfachte Form mit vier Kerzen – für jeden Adventssonntag eine.

Der Adventskranz ist also nicht – wie manchmal behauptet wird – eine Wiederbelebung eines heidnischen Ringzaubers, sondern ein Symbol des fröhlichen Wartens auf ein grosses Fest.

PFARRER PETER KLOPFENSTEIN

 


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