Soll der Staat Medien stärker unterstützen?

  11.01.2022 Saanenland

Am 13. Februar stimmt die Schweizer Bevölkerung darüber ab, ob die Förderung der Medien ausgeweitet werden soll. Doch bei der Debatte um die Vorlage geht es nicht nur ums Geld – verhandelt wird auch, was Medien sind und wie sie arbeiten sollen.

MARK POLLMEIER
Branchen, die er für relevant hält, unterstützt der Staat mit Subventionen. Die bekanntesten Beispiele in der Schweiz sind der öffentliche Verkehr und die Landwirtschaft. Für den ÖV und den Schienengüterverkehr gibt der Bund jährlich über fünf Milliarden Franken aus. In ähnlichen Dimensionen bewegen sich die Direktzahlungen an die Landwirtschaft: Im Jahr 2021 wurden dafür rund 2,8 Milliarden Franken aufgewendet. Gegen solche Summen nimmt sich die Medienförderung geradezu bescheiden aus. Gut 80 Millionen Franken verteilt der Bund pro Jahr an lokale Radio- und TV-Stationen. Abonnierte Zeitungen profitieren von einer ermässigten Postzustellung, ebenso die Mitgliedschaftspresse wie etwa Verbandsmagazine und Kirchenblätter. Für diese vergünstigte Zustellung gibt der Bund 50 Millionen Franken aus, insgesamt sind es aktuell 130 Millionen Franken.

Nach dem Willen von Bundesrat und Parlament soll diese Förderung verdoppelt werden: Künftig will man die Medien mit 287 Millionen Franken pro Jahr unterstützen. Erstmals soll dabei auch der Onlinebereich berücksichtigt werden (siehe Grafik unten rechts).

Das Massnahmenpaket hat einen wirtschaftlichen und einen staatspolitischen Hintergrund. Durch die Digitalisierung wandern grosse Teile der früheren Werbeeinnahmen ins Internet ab und fliessen mittlerweile direkt an Google und Facebook. Den klassischen Medien kommt dadurch nach und nach das Geschäftsmodell abhanden, ihre jährlichen Werbeeinahmen haben sich seit 2007 halbiert. Die weggebrochenen Umsätze haben direkte Auswirkungen auf den journalistischen Teil der Arbeit: Stellenabbau, Zusammenlegung von Redaktionen, Einstellung vormals selbstständiger Zeitungen. Bei der Vorstellung der Vorlage wies Medienministerin Simonetta Sommaruga darauf hin, dass in den letzten Jahren bereits rund 70 Zeitungstitel im Land verschwunden seien.

Ebenfalls beschleunigt durch die Digitalisierung verlieren klassische Medien seit Jahren Abo-Kunden. Um den Schwund zu illustrieren: Die Gesamtauflage der Schweizer Printmedien hat sich seit 2009 von 8,8 Millionen auf heute 4,8 Millionen reduziert.

Die Argumente der Befürworter
Die Entwicklung ist auch staatspolitisch relevant. Bundesrat und Befürworter der Vorlage weisen darauf hin, dass seriös arbeitende Medien für die direkte Demokratie eine zentrale Bedeutung haben. Sie informieren die Bevölkerung, ermöglichen und fördern die Meinungsbildung. Studien haben in der Vergangenheit nachgewiesen, dass zwischen der Existenz einer Lokalzeitung und der Wahlbeteiligung ein direkter Zusammenhang besteht. Je höher die Auflage und je mehr über die lokale Politik berichtet wird, desto grösser ist das Interesse der Bevölkerung an Wahlen und Abstimmungen.

Die Förderung sei auch wichtig, um die Medienvielfalt in den Regionen zu erhalten, so ein weiteres Argument für das Massnahmenpaket. Müssen Medienunternehmen sparen, leiden Regional- und Lokalzeitungen erfahrungsgemäss als Erstes – man denke an den Konzentrationsprozess im Tamedia-Konzern. Die teilweise befristete Medienförderung soll also einerseits das kurzfristige Überleben von klassischen Medien sichern und ihnen andererseits Zeit verschaffen, die Umbrüche der Digitalisierung zu bewältigen und zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Referendum gegen die «Staatsmedien»
Ständerat und Nationalrat haben dem Medienförderungsgesetz zugestimmt. Unter dem Titel «Staatsmedien Nein» begann jedoch ein Referendumskomitee, Unterschriften gegen das Vorhaben zu sammeln. Die Formulierung traf mitten in der Pandemie offenbar einen Nerv: Mit mehr als doppelt so vielen Unterschriften wie nötig konnte das Referendum Anfang Oktober 2021 eingereicht werden.

Die Argumente der Gegner sind vielfältig. Manche sind wirtschaftspolitischer Natur, andere stellen in Frage, ob eine Unterstützung der Medien überhaupt nötig sei. Befürchtet werden überdies eine zu grosse Abhängigkeit vom Staat und ein «Medien-Einheitsbrei».

Angeführt wird das Nein-Komitee von alt FDP-Nationalrat und Medienunternehmer Peter Weigelt sowie vom ehemaligen «Weltwoche»-Journalisten Philipp Gut. Auch über 70 teils namhafte Exponenten von SVP, FDP, der Mitte und der glp unterstützen das Referendum. Alle bürgerlichen Parteichefs haben sich gegen das Gesetz ausgesprochen.

Im Lager der Gegner finden sich zudem Corona-Massnahmen-kritische Gruppierungen. So haben unter anderem die «Freunde der Verfassung» massgeblich dazu beigetragen, dass ausreichend Unterschriften «gegen die Staatsmedien» zusammenkamen.

Mittlerweile ist der Abstimmungskampf voll entbrannt, erst am Wochenende wurde die Debatte um die angeblich gleichgeschaltete Presse neu entfacht. Die Satirezeitschrift «Nebelspalter» hatte an Silvester ein elf Monate altes Video öffentlich gemacht. Darin legt Marc Walder, CEO der Ringier AG, den Redaktionen des Medienkonzerns einen regierungsfreundlichen Kurs nahe – für viele Gegner des Medienförderungsgesetzes ein gefundenes Fressen (siehe Text unten).


«Das nützt im Moment niemandem etwas»

Am 3. Februar 2021 hielt Marc Walder, CEO des Medienunternehmens Ringier, einen (Online-)Vortrag bei der Schweizerischen Management Gesellschaft. Darin äusserte er sich auch zur Rolle der Medien während der Pandemie. Auf seine Initiative hin habe man bei Ringier die Devise ausgegeben, die Regierungen «durch unsere mediale Berichterstattung zu unterstützen, sodass wir alle gut durch die Krise kommen». Walder rief dazu auf, die Behörden nicht mit allzu harten Bandagen anzugreifen: «Das nützt im Moment niemandem etwas.»

Es bestehe die Gefahr, «dass die Regierung das Volk verliert», sagte der Ringier-Manager und warnte vor gewalttätigen Demonstrationen. Die Medien dürften deshalb zwischen Regierende und Gesellschaft keinen Keil treiben. Man habe in dieser historischen Krise noch eine zusätzliche Dimension an Verantwortung.

Die eigentlich vertraulichen Äusserungen, die erst jetzt öffentlich wurden, riefen gemischte Reaktionen hervor. Vielfach wurde Walders Appell als Beeinflussung von Redaktionen kritisiert. Manche beurteilten das Bemühen, nicht zu spalten, jedoch durchaus wohlwollend.

MARK POLLMEIER


Die Gegenargumente auf dem Prüfstand

Wie nahezu jede Subvention ist auch die Medienförderung umstritten. Die Gegner des Massnahmenpakets machen im Wesentlichen drei Kritikpunkte geltend.

Der wirtschaftspolitische Aspekt
Der erste ist grundsätzlicher Natur. Für Marktliberale ist jede Subvention eine zu viel. Derlei staatliche Eingriffe seien marktverzerrend und würden verhindern, dass sich die traditionellen Verlage an die neuen Markt- und Nutzerbedürfnisse anpassten. Tatsächlich gibt es solche Marktverzerrungungen schon längst. Staatsbetriebe wie Post, Swisscom oder die SRG dringen immer weiter in den privaten Mediensektor vor und machen den privaten Verlagen Konkurrenz. Die amerikanischen Internetgiganten Google und Facebook nutzen gratis die von den «traditionellen» Medien erstellten Inhalte und generieren damit Aufmerksamkeit und Werbeeinnahmen. Gleichzeitig sind Facebook und Co. wesentlich mitverantwortlich für gezielte Desinformationskampagnen (Stichworte Fake News und Verschwörungstheorien). Die Subventionen des Staates für die klassischen Medien könnten hier einen gewissen Ausgleich bringen, argumentieren die Befürworter des Mediengesetzes.

Das Argument der «falschen Empfänger»
Zweiter Kritikpunkt: Das Geld fliesse vor allem an die profitablen Grossverlage, die damit bloss ihre Gewinne maximieren würden. Richtig ist: Auch die Platzhirsche der Schweizer Medienlandschaft wie Tamedia, CH-Media und Ringier würden profitieren. Allerdings werden die kleinen und mittleren Verlage im Medienförderungsgesetz ganz bewusst stärker berücksichtigt. Je höher der Umsatz eines Medienunternehmens ist, desto geringer würde der prozentuale Förderbeitrag ausfallen. Träte das Gesetz in Kraft, ginge der grösste Anteil der Gelder also an die Regional- und Lokalblätter. Ihnen kam schon bisher der überwiegende Teil der Medienförderung zugute – im Jahr 2020 waren es nahezu 80 Prozent der Unterstützungsgelder.

Der Vorwurf der Staatstreue
Dritter Kritikpunkt: Die Fördergelder machten die Medien abhängig, sodass sie fortan unkritisch (oder noch unkritischer) über die Behörden berichten würden. Im Gesetz findet diese Befürchtung jedoch keinen Nährboden. Der Staat knüpft an die Fördergelder keinerlei Bedingungen, «Leistungsaufträge» für Zeitungen und Onlinemedien sind nicht vorgesehen. Allenfalls könnte man unterstellen, dass geförderte Medien im Umgang mit Staat und Behörden automatisch milder werden, nach dem Motto «Wes Brot ich ess’, des Lied ich sing». Dann wäre dies allerdings schon lange so – die Medienförderung besteht in der Schweiz bereits seit 1849.

Beim Vorwurf der «Staatsmedien» lohnt sich zudem ein Blick auf die Alternativen. Wenn Medienunternehmen etwa von reichen «Mäzenen» aufgekauft und gesteuert werden, besteht die Gefahr einer Einflussnahme ebenso. Leute mit dem nötigen Kleingeld könnten sich also Zeitungen oder News-Plattformen zulegen und damit ihre eigene Presse machen – der Traum eines jeden Populisten.

MARK POLLMEIER

 

 


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