Frisch von der Leber weg: Geschichten aus der Gstaader Vorzeit
01.09.2023 KulturAnton Ruesch erzählt frisch von der Leber weg Geschichten aus Gstaad, als Gstaad noch nicht das Gstaad war, wie wir es heute kennen. Mit einer Prise Nostalgie und einem Schuss Wehmut nimmt er seine Leser augenzwinkernd bei der Hand – als wären sie seine Enkelkinder – ...
Anton Ruesch erzählt frisch von der Leber weg Geschichten aus Gstaad, als Gstaad noch nicht das Gstaad war, wie wir es heute kennen. Mit einer Prise Nostalgie und einem Schuss Wehmut nimmt er seine Leser augenzwinkernd bei der Hand – als wären sie seine Enkelkinder – und führt sie durch ein Dorf voller Grünflächen, in dem echte Originale lebten und alle einander kannten.
KEREM S. MAURER
«Es gibt so viele schöne Geschichten über das alte Gstaad. Es wäre sehr schade, wenn diese verloren gingen», fasst der 88-jährige Buchautor Anton Ruesch seine Motivation zusammen, ein Buch mit Geschichten aus dem alten Gstaad herauszugeben und Begebenheiten zu erzählen, die sich ab den 1930er- bis Mitte der 1950er-Jahre abgespielt haben. Damals, erinnert sich Ruesch, sei Gstaad noch ein Dorf gewesen, wo jeder jeden gekannt habe und es Dorforiginale gab, wie man sie heute vergeblich suche. Ruesch hat sein Buch mit dem Titel «Gstaader Geschichten – frisch von der Leber weg» im Jahr 2000 zum ersten Mal herausgegeben. Nun gibt es eine neue, erweiterte Auflage, die nicht nur in Deutsch, sondern auch auf Englisch erscheint. «In den letzten zwanzig Jahren sind noch viele neue Geschichten aufgetaucht, die ebenso erhalten und erzählt werden müssen», sagt er.
Vieles hat sich verändert
Oft beginnt Anton Ruesch im Gespräch seine Sätze mit einem verheissungsvollen «früher» oder einem nostalgischen «damals». Wie ein Grossvater, der seinem Enkel aus seiner Jugend erzählt, oder als berichte ein Heimweh-Gstaader aus seiner Kindheit. Mit Leidenschaft denkt er an die «gute, alte Zeit» zurück und schwelgt in Erinnerungen. Ruesch würzt seine Erzählungen mit einer Prise Nostalgie und einem Schuss Wehmut, weil vieles heute nicht mehr ist, wie es damals war. So erinnert er daran, dass früher noch Hotels wie der Bernerhof, das Victoria oder das Rössli einen schönen Garten gehabt hätten oder dass im Lauf der Zeit viele Grünflächen verschwunden seien – als erschreckendes Beispiel nennt er die Betonfläche zwischen dem Charlys und dem Le Grand Bellevue. Auch von den schönen Häusern aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts stehe kaum noch eines an der Promenade. Doch etwas sei seit hundert Jahren fast gleich geblieben: So lange fahren nämlich die gelben Postautos durchs Saanenland und dies erst noch ohne nennenswerte Unfälle, wie Reusch betont. «Gelb ist meine Lieblingsfarbe, wenn ich heute ein altes Postauto sehe, bin ich den Tränen nahe», verrät der Autor.
Für alle, die Gstaad lieben
Anton Rueschs 136 Seiten starke Minichronik sei mit Sicherheit etwas für die Bevölkerungsgruppe über 70 Jahre, weil diese sich selbst noch an die darin beschriebenen Zeiten erinnern könne, sagt er. Aber es sei auch eine spannende Lektüre für junge Leute, die sich für die Vergangenheit des illustren Voralpendorfes interessieren. Mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu: «Es wäre wünschenswert, wenn die jungen Leute ihre Handys einmal beiseite liessen und ein Buch lesen würden.» In seinem Herzen ist Anton Ruesch immer ein Gstaader geblieben, auch wenn er, als er eine internationale Geburtsurkunde anforderte, erfuhr, dass es Gstaad als Ortschaft so gar nicht gibt. Denn auf der Urkunde stand als Geburtsort Saanen. Ebenso wundert er sich über die Tatsache, dass Gstaad – im Gegensatz zu Saanen, Lauenen und Gsteig – kein eigenes Wappen hat und lässt sich kurzerhand eines einfallen: Rueschs Gstaad-Wappen zeigt auf dessen linker Seite den Kranich und auf der rechten das Gstaad Palace. «Schliesslich ist dieses Hotel weltweit bekannt und das Wahrzeichen Gstaads schlechthin», sagt er lachend. Dieses Wappen ziert übrigens den Deckel seines Buchs. Dieses Buch, welches das Wesen des alten Gstaads auf charmante Weise beschreibt, ist eine Fundgrube bisher nicht erzählter Geschichten und führt die Leserschaft durch ein Gstaad, das so ganz anders war, als jenes, das wir heute kennen. Rueschs Buch ist ab dem 1. September in Gstaad bei Müller Medien und Cadenau Papeterie sowie in Saanen in der Buchhandlung Au Foyer und in der Librairie des Alpages erhältlich.