Gesundheitsnetz Simme Saane: Gsteig veröffentlicht Resultate der Experten

  02.11.2023
Wie vorangekündigt hat der Gemeinderat Gsteig unabhängige Experten die Unterlagen des integrierten Versorgungsmodells Gesundheit Simme Saane prüfen lassen, über welches sechs der sieben Gemeinden im Obersimmental und Saanenland abstimmen werden. Die Muller Healthcare Consulting in Zürich kommt zum Schluss: Trotz finanziellen Beiträgen von Gemeinden, Kanton und Spital STS AG sei das Modell nicht dauerhaft finanzierbar. Sie empfiehlt eine Bereinigung des Businessplans und die Ausarbeitung eines Plans B mit Gesundheitszentrum. Ebenfalls zu Wort gemeldet haben sich zwei Komitees: eines für das Gesundheitsnetz Simme Saane, eines dagegen. In ausführlichen Medienmitteilungen legen sie ihre Argumente dar.

Wie vorangekündigt hat der Gemeinderat Gsteig unabhängige Experten die Unterlagen des integrierten Versorgungsmodells Gesundheit Simme Saane prüfen lassen, über welches sechs der sieben Gemeinden im Obersimmental und Saanenland abstimmen werden. Die Muller Healthcare Consulting in Zürich kommt zum Schluss: Trotz finanziellen Beiträgen von Gemeinden, Kanton und Spital STS AG sei das Modell nicht dauerhaft finanzierbar. Sie empfiehlt eine Bereinigung des Businessplans und die Ausarbeitung eines Plans B mit Gesundheitszentrum.

Ebenfalls zu Wort gemeldet haben sich zwei Komitees: eines für das Gesundheitsnetz Simme Saane, eines dagegen. In ausführlichen Medienmitteilungen legen sie ihre Argumente dar.


IN KÜRZE

• Der Gsteiger Gemeinderat hat die Ergebnisse der Prüfungsstelle – Muller Healthcare Consulting aus Zürich – publiziert.

• Da der ausführliche Businessplan vertrauliche Informationen Dritter enthält, konnte die Gesundheit Simme Saane AG (GSS) die Unterlagen nicht aushändigen. Deshalb fand zwischen den Experten und der GSS ein Gespräch statt.

• Die Muller Healthcare Consulting hat aufgrund verschiedener Daten einen neuen Businessplan erstellt, den sie mit demjenigen der GSS abgeglichen hat.

• Die Experten kommen unter anderem zum Schluss, dass mit den vorgesehenen Beiträgen der Gemeinden, der Spital STS AG und des Kantons das Modell nicht dauerhaft finanzierbar und somit nicht überlebensfähig sei. Die Frage nach einem Plan B dränge sich auf.

• Auch zwei Komitees melden sich zu Wort: Eines für das Gesundheitsnetz, eines dagegen.

Integriertes Versorgungsmodell Gesundheitsnetz Simme Saane: Expertenbericht liegt vor

Der Expertenbericht der Überprüfung des Businessplans zum Integrierten Versorgungsmodell Gesundheitsnetz Simme Saane liegt vor und ist auf der Homepage der Gemeinde Gsteig aufgeschaltet.

Wie im offenen Brief vom 27. September 2023 an die Gesundheit Simme Saane AG (GSS) erklärt, hat der Gemeinderat von Gsteig den Anspruch und versteht es als seine Pflicht, den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern alle Informationen für ihren Entscheid für oder gegen das Projekt des von der GSS ausgearbeiteten integrierten Versorgungsmodells Gesundheitsnetz Simme Saane zu beschaffen. Er hat deshalb die auf professionelle Beratung im Gesundheitswesen spezialisierte Unternehmung Muller Healthcare Consulting aus Zürich mit der Überprüfung des Businessplans beauftragt.

Dem Projektteam von Muller Healthcare Consulting standen dazu lediglich die Abstimmungsunterlagen zum Businessplan der GSS zur Verfügung, welche zwar eine konsolidierte Übersicht der zu erwartenden Umsätze und Kosten bieten, nicht jedoch erlaubten, die einzelnen Parameter und Hypothesen zu hinterfragen.

Aufgeforderte Unterlagen fehlten
Die von der GSS angeforderten vollumfänglichen und relevanten Unterlagen für diese unabhängige Überprüfung konnten nicht ausgehändigt werden, weil – so GSS – sich ihr Businessplan auf Informationen stützt, die von Dritten zur Verfügung gestellt wurden und die GSS verpflichtet sei, deren Informationen vertraulich zu behandeln. Ohne deren Zustimmung sei die GSS nicht befugt, Einsicht in diese Informationen zu gewähren. GSS habe diese Dritten aber schriftlich um deren Zustimmung angefragt. Bis zum Abschluss des Expertenberichts, also länger als ein Monat nach dem offenen Brief, wurden keine weiteren Unterlagen geliefert. In Erwartung dieser Entwicklung wurde deshalb das Angebot der GSS zu einem zweistündigen Treffen angenommen, an dem zwei Vertreter der GSS konkrete Fragen des Expertenteams beantworteten.

Mangels der angeforderten Unterlagen hat die Muller Healthcare Consulting beschlossen, den Businessplan aufgrund historischer Daten, verfügbarer Informationen, Benchmarks sowie ihrer Erfahrungen neu aufzubauen. Dies erlaubte, den von den Experten aus neutraler Sicht erstellten Businessplan mit dem der GSS abzugleichen und allfällige Abweichungen festzustellen und zu interpretieren. Muller Healthcare Consulting mass sich nicht an, einen «besseren» Businessplan zu erstellen; die Verantwortlichen der GSS hätten schliesslich mehrere Jahre an den Zahlen gearbeitet. Die dreiwöchige Projektarbeit des Expertenteams sollte lediglich eine neutrale und kritische Begutachtung des Businessplans der GSS ermöglichen.

Der Gemeinderat verzichtet darauf, in dieser Mitteilung aus dem 66-seitigen Expertenbericht vereinzelte Ergebnisse und erschreckende Abweichungen zum GSS-Projekt als Schlagzeilen zu zitieren. An dieser Stelle beschränken wir uns auf das Fazit.

Das Fazit der Muller Healthcare Consulting
Der Erhalt des Spital Zweisimmens steht zweifelsfrei im Zentrum der Diskussion rund um die Gesundheitsversorgung Obersimmental-Saanenland. Das Bedürfnis des westlichen Berner Oberlands nach einer wohnortnahen medizinischen Grundversorgung ist nachvollziehbar. 2013 entschied der Berner Regierungsrat zwar noch, dass der Spitalstandort Zweisimmen versorgungsnotwendig sei, in seiner Stellungnahme von 2023 erkennt der Regierungsrat jedoch an, dass sich die medizinische Versorgung seit der Festlegung der Distanzkomponente gewandelt habe und bei einem negativen Volksentscheid ein ambulantes Gesundheitszentrum aufgebaut würde. Der Erhalt des Spitals scheint somit seitens Kantons nicht mehr unabdingbar, Alternativen sind vorstellbar. Nebst einer wohnortnahen Versorgung können auch volkswirtschaftliche Aspekte (Erhalt Arbeitsplätze, Nutzen für zuliefernde Betriebe der Region) den Erhalt des Spitals Zweisimmen durchaus motivieren. In Zeiten starken Wachstums von Gesundheitskosten stellt sich jedoch die Frage, mit welchem Preisschild ein solcher Erhalt einhergeht. Dass das Spital Zweisimmen nicht wirtschaftlich zu betreiben ist, erkennen auch die Autoren des Businessplans der GSS an. Der vorliegende Bericht zeigt jedoch auf, dass diese Kosten einiges höher auszufallen drohen, als in den Abstimmungsunterlagen auf ersten Blick ersichtlich war. Insbesondere die notwendigen Investitionen werden um einiges höher ausfallen als ursprünglich angedacht. Der Neubau eines Spitals mit der für das vorgesehene Leistungsangebot erforderlichen Infrastruktur ist für die vorgesehene Investitionssumme schlicht und einfach nicht realisierbar. Positiv zu bewerten ist der Ansatz eines Modells der integrierten Versorgung, welcher Synergien erzeugen und für verbesserte Patientenpfade sorgen könnte. Das Synergiepotenzial der beteiligten Betriebe erachtet das Expertenteam als signifikant, jedoch würden die Anstrengungen, dieses zu realisieren, erheblich sein und den Nutzen teilweise wieder zunichtemachen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sei auch auf das Alterswohnen hinzuweisen, welche aus einem grösseren Betrieb herausgelöst wird und seine Gemeinkosten somit über weniger Leistungen verteilen kann.

Da das Gesamtgefüge erhebliche Verluste schreiben wird, stellt sich die Frage der Finanzierbarkeit. Auch hier anerkennen die Autoren des GSS-Businessplans, dass noch erhebliche Finanzierungslücken bestehen. Diese Lücken erkennt auch der vorliegende Bericht an und gewichtet sie noch höher. Mit den zur Diskussion stehenden Beiträgen der Gemeinden, der Spital STS AG und des Kantons wird das Modell der integrierten Versorgung nicht dauerhaft finanzierbar und somit nicht überlebensfähig sein. Die Finanzierung des Gesamtgefüges bedingt zudem mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass die Immobilien des Alterswohnen belehnt werden müssten, um die Investitionen und Verluste im Spital abdecken zu können. Es besteht demnach das Risiko, dass nicht nur das Spital, sondern weitere Betriebe in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten geraten.

Die Umsetzung von integrierten Versorgungsmodellen ist an sich zu begrüssen und scheint für die Region auf den ersten Blick auch realisierbar. In Zeiten eines akuten Fachkräftemangels im Gesundheitswesen ist die Fähigkeit eines neuen Anbieters wie der GSS, medizinisches und pflegerisches Fachpersonal in einer zentrumsfernen Region anzuwerben und zu halten, jedoch mindestens zu hinterfragen. Das Expertenteam rät generell stark davon ab, grössere Investitionsentscheidungen im Gesundheitswesen zu tätigen, bevor ein Plan zur Rekrutierung der benötigten Fachkräfte vorliegt.

Schliesslich muss die Qualität in die Überlegungen rund um die zukünftige Gesundheitsversorgung in der Region miteinbezogen werden. Diese Frage ist eng an den Fachkräftemangel geknüpft und stellt sich vorwiegend für das Spital Zweisimmen. Selbst wenn entsprechende Fachkräfte zur Verfügung stünden, so ist es, in Anbetracht der zu erwartenden tiefen Fallzahlen fraglich, ob die medizinische Qualität sichergestellt werden kann. Es ist zu erwarten, dass die Bewohner der Region bei komplexeren Operationen – wie zum Beispiel dem Einsatz einer Knie- oder Hüftprothese – vermehrt grössere Spitäler mit höheren Fallzahlen aufsuchen werden. Das Spital Zweisimmen droht, auf kleinen, nicht lukrativen Fällen sitzen zu bleiben, währenddem die lukrativen Fälle in Zentrumsspitäler abwandern, was den betriebswirtschaftlichen Verlust des Spitals weiter erhöhen würde.

In Anbetracht der hohen Kosten, der ungewissen Finanzierbarkeit und Realisierbarkeit sowie Qualitätsaspekten, drängt sich die Frage nach einem Plan B auf. Dieser «Plan B» besteht im Aufbau eines ambulanten Gesundheitszentrums. Laut Aussagen der Spital STS AG besteht jedoch derzeit kein Konzept für ein ambulantes Gesundheitszentrum. Um den Stimmberechtigten eine aussagekräftige Entscheidungsgrundlage bieten zu können, würde die Muller Healthcare Consulting zusätzlich die Beschreibung eines allfälligen Plans B, welcher sowohl das Leistungsangebot als auch die finanziellen Implikationen aufzeigt, als sinnvoll erachten.

Gemeinderat fordert Bevölkerung zur Lektüre auf
Der Gemeinderat fordert alle Beteiligten sowie die Bürgerinnen und Bürger auf, sich nochmals Gedanken darüber zu machen, auf welchem Weg das Obersimmental und Saanenland eine dauerhaft gute Gesundheitsversorgung sicherstellen kann. Lesen Sie dazu auch unvoreingenommen den Expertenbericht zum integrierten Versorgungsmodell Gesundheitsnetz Simme Saane, welcher auf unserer Gemeinde-Homepage aufgeschaltet ist. Der Bericht bestätigt – allerdings in einer so nicht erwarteten Deutlichkeit – die vom Gemeinderat selber gewonnenen Erkenntnisse seiner Analysen.

GEMEINDERAT GSTEIG

Den kompletten Bericht der Überprüfung des Businessplanes finden Sie unter www.gsteig.ch.


«Kanton soll in der Verantwortung bleiben»

Das Komitee «Ergänzende Informationen zur Urnenabstimmung vom 19. November 2023» hat anfangs Woche ein Flugblatt verteilt, indem es sich gegen das Gesundheitsnetz Simme Saane ausspricht. Es stimmt der Vorlage nicht zu, denn der Kanton dürfe nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden. Er sei zuständig für die Gesundheitsversorgung, dies sei keine Gemeindeangelegenheit.

Bei kantonalen und eidgenössischen Abstimmungen könnten die Befürworter und Gegner einer Vorlage in der Abstimmungsbroschüre ihre Argumente darlegen, schreibt das Komitee «Ergänzende Informationen zur Urnenabstimmung vom 19. November 2023» auf seinem Flugblatt, welches es Anfang Woche veröffentlichte. Die Informationen in der Abstimmungsbroschüre vom 25. August zum Gesundheitsnetz Simme Saane seien seiner Meinung nach unvollständig gewesen. «Mit den nachstehenden Informationen wollen wir den Bürger:innen eine ausgewogenere Information und Meinungsbildung ermöglichen, die sich nicht auf die falsche Frage reduziert: ‹Spital ja oder nein›»

Komitee bemängelt Businessplan
Der Bericht zum Businessplan mit Datum vom 19. Juli 2023 sei von der Gesundheits Simme Saane AG (GSS) erst am Abend der letzten öffentlichen Informationsveranstaltung vom 8. August 2023 aufgeschaltet worden. Es sei den Stimmbürger:innen somit nicht möglich gewesen, das Dokument vorgängig zu studieren und entsprechende Fragen zu stellen. «Ein Businessplan zeigt normalerweise die Prognose der Einnahmen und Ausgaben des Unternehmens, Entwicklung des Vermögens und der Schulden über die nächsten Jahre. Der aufgeschaltete Bericht zum Businessplan enthält, im Gegensatz zu einem Businessplan, jedoch nur eine grobe Zusammenfassung einiger Zahlen und ist unvollständig», schreibt das Komitee. Keinem Gemeinderat und auch keiner Finanzkommission sei der detaillierte Businessplan je ausgehändigt worden. Trotzdem hätten alle Gemeinderäte – ausgenommen Boltigen und Gsteig – der GSS-Vorlage zugestimmt.

Kanton nicht aus der Verantwortung entlassen
«Wir haben alle das gleiche Ziel: Eine gute, stabile, zukunftsgerichtete und funktionierende Gesundheits- und Altersversorgung im Simmental und Saanenland», schreibt das Komitee, denn es wolle den Kanton nicht aus der Verantwortung entlassen. Die Gesundheitsversorgung im Kanton Bern – wie in den meisten Schweizer Kantonen – unterliege der Verantwortung der kantonalen Behörden. Die kantonale Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion (GSI) sei die zuständige Behörde für die Planung, Organisation, Qualität und Sicherheit sowie Finanzierung des Gesundheitswesens. Finanziert werde die Gesundheitsversorgung (Spitäler, Gesundheitszentren usw.) in erster Linie durch die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung (Krankenkassen) sowie durch Beiträge von Kanton und Bund (Steuergelder).

Spital STS AG als zukünftiger Partner
Das Komitee ist deshalb klar der Meinung, dass die Gesundheitsversorgung in den Bereich des Kantons falle und nicht in die Zuständigkeit der Gemeinden. Die gesetzliche Versorgungsnotwendigkeit bleibe vorläufig weiter bestehen, trotz der Ankündigung von Regierungsrat Schnegg, diese bei einem Nein zu überprüfen. «Wir haben mit der Spital STS AG weiterhin eine erfahrene Organisation, die das Spital betreibt und später einmal ein ambulantes Gesundheitszentrum planen, bauen und führen kann, welches der Kanton finanziert, so wie er auch den Abbruch des alten Spitals zu finanzieren hat», führt das Komitee weiter aus. Das Spitalversorgungsgesetz des Kantons Bern trat am 1. Januar 2014 in Kraft. Es regelt die Organisation und die Finanzierung der Spitäler im Kanton Bern und enthält Bestimmungen zur Gesundheitsversorgung in der Region. Aufgrund dieses Gesetzes gingen die Spitäler von den Gemeinden an den Kanton über. «Wollen wir nun wirklich auf unsere Kosten das alte Spital zurückbauen und ein neues Spital bauen? Das Spitalversorgungsgesetz wurde geschaffen, weil die Gemeinden die Last der Spitäler nicht mehr tragen konnten! Daran hat sich seither nichts geändert.»

Zuspruch für Gesundheitszentrum mit Notfallstation
Das Komitee bezieht sich auf ein Antwortschreiben der Spital STS AG, datiert auf den 9. Juli 2023, welches an die Gemeinden gerichtet war. Darin stehe: «Ein ambulantes Gesundheitszentrum umfasst ein bedürfnisgerechtes, regionales Gesundheitsangebot und ist die zentrale Anlaufstelle der Gesundheitsversorgung mit einer ambulanten Notfall-Station, in welcher eine professionelle medizinische Triage durchgeführt wird. Für ambulante operative Eingriffe ist ein Praxis-OP-Raum vorgesehen, eine Ausweitung auf ambulante Tageschirurgie ist zu prüfen.» Die Leistungen eines Gesundheitszentrums seien nicht fix definiert und müssten unter Berücksichtigung des Standortes (beispielsweise Weg zum nächsten Akutspital) und der Bedürfnisse der Bevölkerung geplant und gebaut werden. Ein 24-Stunden-Notfalldienst während 365 Tagens sei ihres Erachtens deshalb unabdingbar.

Sollte die Versorgungsnotwendigkeit wegfallen, so könne mit der Spital STS AG über zusätzliche Leistungen sowie deren Finanzierung gesprochen und verhandelt werden. Mit der Spital STS AG würde die Region organisatorisch nicht bei null an, so das Komitee weiter: IT-Aufbau, Aufbau Personaladministration (HR), Verwaltung, elektronisches Patientendossier, Personal – alles sei schon da und funktioniere. «Zudem ist in Thun die ‹Spitalmutter› zu Hause, mit der ein enger Kontakt und eine gute Vernetzung besteht.»

Komitee blickt in die Schweiz
Es seien aktuell die Kantone, die unter der Last der Spitäler leiden und diese reorganisieren müssten. Die Schweiz gehöre weltweit zu den Ländern mit der höchsten Spitaldichte (siehe Eco-Talk vom 25. September 2023: «Spitäler bluten aus» auf SRF1), so das Komitee. Der Verbund der vier St. Galler Spitäler habe sich im September 2023 aufgrund ihrer finanziellen Situation gezwungen gesehen, über die nächsten Monate und Jahre rund 440 Stellen abzubauen. Der angegebene Grund: «Die finanzielle Lage der St. Galler Spitäler per Mitte 2023 ist dramatisch, und wir sind gezwungen, einschneidende Massnahmen in jeglichen Kostenbereichen zu treffen, damit sich das mittelfristig ändert», zitiert das Komitee den Verwaltungsratspräsidenten Stefan Kuhn aus einem Medienbericht.

Im November 2022 sei publik geworden, dass das Kantonsspital Aarau eine riesige Finanzspritze benötige. Weil die Überschuldung drohe, brauche das Kantonsspital Aarau 240 Millionen Franken. Bezahlen solle der Kanton Aargau. Gründe für das Debakel: Neben dem Mangel an Fachpersonal, mache dem Spital die Teuerung zu schaffen. Der letzte Punkt stellte sich denn auch als Knackpunkt heraus. Denn das Kantonsspital habe aktuell einen grossen Neubau geplant, der über 500 Millionen Franken koste. Ob sich das Spital diesen Neubau finanziell leisten könne, sei mehrfach hinterfragt worden, so das Komitee. 2019 wurde auf Drängen der Aargauer Regierung ein externes Gutachten zu dieser Frage erstellt. Dieses sei zum Schluss gekommen, dass sich das KSA den Neubau leisten könne. «Allerdings wurde schon damals gewarnt, dass dies nur zutreffe, wenn sich viele Parameter gut entwickeln», so das Komitee.

Am 12. Mai 2020 habe SRF1 berichtet. dass das Spital Riviera-Chablais in Rennaz (bei Villeneuve VD) zum Notfall geworden sei: 2019 eröffnet, habe es heute schon kein Geld mehr. Wie konnte das passieren? «Hätte das Waadtländer Parlament heute Nein gesagt zu den zusätzlichen Garantien, dann hätten schon im Juni die Löhne der Ärzte, des Pflegepersonals und der anderen Angestellten nicht mehr bezahlt werden können», schreibt das Komitee. Angefangen hätten die Probleme beim Bau: Die budgetierten Kosten von 350 Millionen Franken wurden um fast 90 Millionen Franken übertroffen.

Komitee will nichts aufs Spiel setzen
Mit diesen Beispielen fragt sich das Komitee: «Wieso wollen wir unsere gut funktionierende Gesundheitsversorgung, die wir heute mit unseren Steuern und Krankenkassenprämien bezahlen, mit dem GSS-Projekt aufs Spiel setzen?» Wieso sollte das Obersimmental und das Saanenland dem Kanton die Kosten abnehmen für den Abbruch des alten Spitals und eines Neubaus sowie einem grossen Teil des jährlichen Defizits sowie sich neben den jährlichen Beiträgen noch hoch verschulden? Wenn das Projekt der GSS und deren Exponenten überzeugen würde, so würde sich der Verwaltungsrat der Alterswohnen STS AG nicht gegen diese Lösung aussprechen, sondern sich dafür einsetzen (Artikel «Vor den Abstimmungen: Dies ist die Sicht der Alterswohnen STS AG» im «Anzeiger von Saanen» vom 18. August 2023), schreibt das Komitee.

Auch aus einem Leserbrief («Simmental Zeitung» vom 4. Mai 2023 und «Anzeiger von Saanen» vom 5. Mai 2023) des Spitalpersonals zitiert das Komitee: «Das vorgestellte Konzept der GSS stellt für uns keine realisierbare und zukunftsträchtige Lösung für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung im Oberen Simmental und Saanenland dar.» Es sei fraglich, wie viele dieser Mitarbeiter:innen im GSS-Projekt mitmachen würden, heisst es weiter.

Das Komitee bezieht sich auch noch auf das Gesundheitszentrum Scuol: «Das von der GSS immer als Muster gerühmte Gesundheitszentrum Scuol schrieb in den letzten drei Jahren Defizite von insgesamt 7,8 Millionen Franken (Quelle: Geschäftsberichte des Gesundheitszentrums Unterengadin CSEB).»

Das Komitee bevorzuge eine regionale Gesundheitsversorgung, die personell und finanziell auch langfristig und nachhaltig betrieben werde. «Wir wollen eine Gesundheitsversorgung, in der Menschen notfallversorgt werden (24S/365 Tage). Wir wollen Überwachungsbetten für eine zeitlich begrenzte Beobachtung.» Das bestehende ambulante psychiatrische Angebot mit Sprechstunden und Therapie solle weitergeführt werden, genauso wie die bereits jetzt vorhandenen ambulanten Dialyseoptionen der Hämodialyse und Feriendialyse. Zusätzliche Leistungen sollten mit dem Kanton ausgehandelt werden, so die Forderungen des Komitees.

PD/JOP

Die Mitglieder des Komitees in alphabetischer Reihenfolge (auch stellvertretend für viele exponierte und involvierte Personen, die sich nicht öffentlich äussern können oder dürfen, wie das Komitee schreibt): Bettina Aeschlimann, Boltigen; Marcel Bach, Gstaad; Armin Berger, Zweisimmen; Philipp Bigler, Saanen; Hanspeter Borle, Lauenen; Esther Brand-de Groot, Gsteig; Heinz Brand, Gstaad; Toni Bühler, Feutersoey; Edith Ellenberger, Saanen; Günter Fassbender, Zweisimmen; Kari Graa, Gsteig; Simon Graa, Gsteig; Cornelia Hauswirth-Zumstein, Lauenen; Dominic Hauswirth, Lauenen; Walter & Yvonne Heer, Gsteig; Karin Jaggi, Feutersoey; Manuel Kaiser, Zweisimmen; Hubert Klopfenstein, Zweisimmen; William Kohli, Gsteig; Cornelis Kruit, Mannried; Matthias Kurt, Zweisimmen; Sonja Kurth, Zweisimmen; Dagobert Kuster, Saanen; Ruth Lempen-Wyss, Zweisimmen; Werner Lempen-Wyss, Zweisimmen; Vreni Marti, Gsteig; Johannes Matti, Zweisimmen; Marianne Matti-Müller, Zweisimmen; Hermann & Vreni Maurer, Boltigen; Jarka Müller, Gstaad; Reto Müller, Zweisimmen; Steffen Nischan, Gsteig; Therese Perren, Zweisimmen; Lisa Perreten, Lauenen; Ueli Perreten, Zweisimmen; Philipp Reber, Gstaad; Ernst Reichenbach, Feutersoey; Rolf Reichenbach, Gsteig; Adolf Schlunegger, Gsteig; Rolf Schmid, Saanen; Alexandra Schild, Gsteig; Hannes Schopfer, Gsteig; Fred & Margrit Stocker, Boltigen; André Streit, Weissenburg; Sabrina Trachsel, Zweisimmen; Arlette von Grünigen, Saanen; Urs & Karin von Siebenthal, Feutersoey; Cornelia & Christof Walker, Gsteig; Patrick Westemeier, Lauenen; Urs Zumbrunnen, Saanen Ärzte: Dr. med. Beat Michel, Gstaad; Dr. med. Ondrej Müller, Gstaad; Dr. med. Thomas Naef, Zweisimmen; Dr. med. Claudia Sollberger, Gstaad; Dr. med. Thomas Zimmerli, Zweisimmen.


«Integrierte Gesundheitsversorgung mit einem Akutspital wird zwingend benötigt»

Das Pro-Komitee «Gesundheitsnetzwerk» meldete sich auch zu Wort und sprach sich für das geplante integrierte Versorgungsmodell aus. Das überparteiliche Pro-Komitee unter der Führung von alt Nationalrat Erich von Siebenthal ruft zur Solidarität auf, um «mit einer guten und wirtschaftlichen Gesundheitsversorgung, die Bevölkerung zu schützen sowie Wirtschaft und Tourismus zu stärken».

«Es ist richtig und wichtig, dass die sechs Gemeindebehörden die überwältigende Zustimmung ihrer Bevölkerung vom 25. August 2023 zum Projekt des Gesundheitsnetzes Simme Saane als Auftrag für eine neue Abstimmung auffassen», ist das Pro-Komitee «Gesundheitsnetzwerk» überzeugt. Die neue Vorlage sei inhaltlich unverändert. Es ändere sich ausschliesslich der Kostenschlüssel, weil die sechs Gemeinden den Beitrag von Gsteig übernehmen, schreibt das Komitee weiter. Diese Lösung habe den Vorteil, dass sich Gsteig, andere benachbarte Gemeinden oder weitere Dritte zu einem späteren Zeitpunkt am Versorgungsmodell beteiligen könnten.

Das Pro-Komitee sei überzeugt, dass das integrierte Versorgungsmodell die einmalige Chance biete, die Strukturen der Gesundheitsversorgung im Simmental und Saanenland auf die künftigen regionalen Anforderungen und Bedürfnisse auszurichten, insbesondere aber auch das Akutspital Zweisimmen, mit 7/24-Notfallbehandlungen, zu erhalten. Von den kurzen Wegen ins Spital profitierten Bevölkerung und Feriengäste gleichermassen – und Hausärzte könnten weiter sicher praktizieren, Schwangere und Gebärende könnten weiter von Hebammen und Gynäkologen betreut werden. Der Trägerschaft – dem Aktionariat der Gesundheit Simme Saane AG (GSS) – gehören neben den sechs Gemeinden auch die Gemeinden Gsteig, Därstetten, Diemtigen, Erlenbach und Oberwil an. Die Abstützung in der erweiterten Region sei gegeben. Nicht minder wichtig: Der Kanton Bern wolle sich an den Kosten beteiligen, so das Pro-Komitee.

Holdingstruktur biete Unabhängigkeit
Mit der Ausgestaltung des Gesundheitsnetzes als Holding sei sichergestellt, dass die zu gründenden Aktiengesellschaften für das Spital Zweisimmen und die Betriebe des Alterswohnens sowie die anderen geplanten Betriebsteile wie das Geburtshaus Maternité Alpine oder Spitex Saane-Simme finanziell unabhängig aufgestellt seien. «Dennoch erlaubt die Holdingstruktur die Nutzung von Synergien in verschiedenen administrativen und logistischen Bereichen», schreibt das Pro-Komitee. Diese beiden Tatsachen bewerte es auch als verantwortungsvolle Absicherung für den Fall, dass eine der Betriebe in der GSS-Holding in Schieflage geraten würde. Alle Details zur Vorlage würden die Gemeinden in den Abstimmungsbotschaften liefern, die auch online verfügbar seien. Die GSS stelle zudem weiterführende Fachinformationen auf ihrer Homepage bereit.

Das Pro-Komitee besteht aus Persönlichkeiten aus Gesundheitswesen, Politik, Wirtschaft und Tourismus. Sie seien «der festen Überzeugung, dass die Region Simmental-Saanenland mit ihren geografischen Einzigartigkeiten eine integrierte Gesundheitsversorgung mit einem Akutspital Zweisimmen zwingend benötigt». Die Mitglieder würden die Stimmberechtigten aufrufen, mit einem überzeugten Ja dem Projekt zum Durchbruch zu verhelfen. Das Komitee werde durch ein Kernteam unter der Leitung von alt Nationalrat Erich von Siebenthal geführt.

PD/JOP Liste der Mitglieder des Pro-Komitees: Das Kernteam: Erich von Siebenthal, alt Nationalrat, Gstaad; Hans Schär, Grossrat, Schönried; Vreni Müllener, alt Gemeinderätin Saanen; Rolf Mäder, Lenk; Dr. Ruedi Minnig, Zweisimmen; Dr. Beat Hählen, Lenk; Ursula Michel, Geburtshaus Maternité Alpine, Gstaad. Weitere Mitglieder (alphabetisch): Maria Ader, Ärztin, Zweisimmen; Hans Bettler, alt Gemeinderat, Boltigen; Dominik Blatti, Grossrat, Oberwil i.S.; Stephanie Bowee, Hausärztin, Lenk; Chalet Dorfmatte, Matten; Andreas Gafner, Nationalrat, Oberwil i. S.; Tina Göpfert, Gynäkologin, Zweisimmen; Marianne Haueter, Hebamme, Oberwil i. S.; Martin Hefti,Vizepräsident Geburtshaus Maternité Alpine, Zweisimmen; René,Jaggi, Die Mitte, Zweisimmen; Nadine Kleinebekel, Gynäkologin, Zweisimmen; Thomas Knutti, gewählter Nationalrat / Grossrat, Weissenburg; Susanna Krebs, Boltigen; Alber Kruker, CEO Tourismus Lenk- Simmental; Andreas Kurzen, Betriebsleiter Chalet Dorfmatte, Matten; Matthias Matti, Grossrat, Zweisimmen; Max Matti, Orthopäde, Lenk; Markus Mösching, Blankenburg; Susanne Reber, Hebamme Maternité Alpine; Brigitte Riesen, Pflegefachfrau, St. Stephan; Hermann und Beatrice Rösti, Boltigen; Lukas Schenk, Physiotherapeut, Zweisimmen; Anne Speiser, Grossrätin, Zweisimmen; Kunz Stephan, Physiotherapie, Lenk; Christina Strasser, Physio Balance, Zweisimmen; Fredi Strobel, Physiotherapie Strobel, Lenk; Ueli Stucki, pens. Arzt, Zweisimmen; Pauline Thränhard, Ärztin, Lenk; Kurt Trachsel, alt Gemeinderat, Blankenburg; André Troxler,Vize-Präsident VR Bergbahnen Adelboden-Lenk; Nicola Ummel, Präsident SVP Zweisimmen; Nicolas Vauclair, CEO Bergbahnen Adelboden-Lenk; Hans Walker, Präsident SVP Lenk; Kilian,Wyssen, Präsident SVP Stephan.


DIE URNENABSTIMMUNG

Am 25. August haben die sieben Gemeinden des Obersimmentals und des Saanenlandes über das Versorgungsmodell «Gesundheitsnetz Simme Saane» abgestimmt. Mit Ausnahme von Gsteig haben alle Gemeinden die Vorlage angenommen. Da die Abstimmung unter der Bedingung stand, dass alle Gemeinden zustimmen müssen, war die Vorlage gescheitert. Unterdessen haben die Gemeinderäte der sechs zustimmenden Gemeinden aufgrund der klaren Mehrheiten beschlossen, die Vorlage den Stimmberechtigten ein zweites Mal vorzulegen. Das Geschäft ist inhaltlich unverändert. Am 19. November finden deshalb die Urnenabstimmung über das integrierte Versorgungsmodell Gesundheitsnetz Simme Saane statt.

JOP

 

 

 


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