Classic Cars bewegen
12.01.2024 GstaadDie traditionell Ende Jahr durchgeführte Classic Car Auction im Festivalzelt bot jedermann die Gelegenheit, sammelwürdige Autos von 1934 bis 2022 hautnah zu bestaunen.
ÇETIN KÖKSAL
45 Autos, drei Motorräder und einen Traktor brachte der Veranstalter, die Oldtimer Galerie Toffen, nach Gstaad. Davon wurden 53 Prozent verbindlich versteigert und 14 Prozent unter Vorbehalt zugeschlagen, was bedeutet, dass Nachverhandlungen zwischen Eigentümer und Kaufinteressenten nötig waren. 33 Prozent der an der Versteigerung angebotenen Fahrzeuge fanden keinen Käufer, weil entweder die verlangte Mindestsumme nicht erreicht wurde oder überhaupt kein Interessent ein Angebot abgab. Mit den 53 Prozent direkt versteigerten Objekten setzte der Veranstalter 2,68 Millionen Franken um, was einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 103’083 Franken pro Fahrzeug entspricht. Auf besonderes Interesse stiessen heuer die viersitzigen Italiener, wie Fiat Panda und Dino oder die «familienfreundlichen» Ferraris und Maseratis. Dagegen stiess die «James-Bond-Marke» Aston Martin auf eher geringes Interesse. Das mit Abstand teuerste Lot, ein Aston Martin DB 5 von 1964 – der Bondklassiker schlechthin –, verfehlte den stolz gewählten Mindestschätzwert von 800’000 Franken deutlich. Maximal 650’000 Franken war ein Interessent bereit zu investieren.
Emotionen, Leidenschaft
Was man überall beobachten darf, wo historische Fahrzeuge ausgestellt sind, zum Verkauf angeboten werden oder in Funktion vorbeifahren, sind die überwiegend positiven Reaktionen, die sie bei den Menschen auslösen. Zum einen sind da die eingefleischten «Petrol Heads», die jedes Modell bis in die detaillierten Spezifikationen kennen. Ihre Leidenschaft gilt dem Auto als komplexe, technische Konstruktion, welche Design, Motor und Fahreigenschaften umfasst, wie auch den daraus resultierenden Gefühlen, die sie als Fahrer empfinden. Der Geruch des Interieurs, der Klang des Motors, die physikalischen Kräfte, die beim Beschleunigen, Bremsen oder Kurvenfahren auf den Körper einwirken. Diese Emotionen verbinden sich mit dem urmenschlichen Bedürfnis nach Mobilität. Individuelle Mobilität müsste man in Bezug auf das Auto präzisieren, denn es ist – selbst für Menschen ohne spezielle Auto-Begeisterung – eigentlich ein «Zuhause», das einen unter Wahrung der Privatsphäre von einem zum anderen Ort bringt. Auch deshalb holen alte Autos, wenn man sie sieht, sie hört, sie riecht oder sich in sie hineinsetzt, Erinnerungen hervor, die als vergessen geglaubt waren. Einmal über das plüschige Velourspolster gestrichen und schon ist man wieder in der Urlaubsreise gen Süden aus lange vergangenen Kindheitstagen. Objekte generell, und Autos wegen ihrer Mehrdimensionalität im Besonderen, sind nie einfach nur Werkzeuge, die nüchtern einem bestimmten Zweck dienen. Es sind Stützen, die helfen, erlebte Emotionen nochmals zu empfinden, oder sich zumindest daran zu erinnern.
Sammelfahrzeuge als Investition
In gewisser Weise sind Autos, die man persönlich erlebt hat, ein Spiegel des jeweiligen Lebensabschnittes. Dabei sind Marke und Modell sekundär. Der persönliche Bezug steht klar im Vordergrund. Aus historischer Sicht sieht die Sache etwas anders aus, denn Autos widerspiegeln immer auch die Zeit, in der sie gebaut wurden. Sie zeigen, was technisch möglich war, aber auch, wie die Gesellschaft organisiert war. Bis Henry Ford die Massenproduktion einführte, war das Auto weitgehend ein Luxusgut, das auf Bestellung in Manufakturarbeit für ein paar ganz wenige hergestellt wurde. Die amerikanischen Strassenkreuzer der Fünfzigerjahre symbolisierten den konjunkturellen Aufstieg der USA, während sich die Hersteller im kriegsversehrten Europa vorwiegend auf günstige Kleinwagen konzentrieren mussten. Einerseits sind Autos also Träger unserer Erinnerungen, Wünsche und der damit verbundenen Emotionen und andererseits sind sie historisches Kulturgut – ein Spiegel ihrer Zeit. Deshalb werden sie gesammelt und deshalb wird ihre Instandhaltung und Bewahrung für nachfolgende Generationen vom Markt belohnt. Laut dem Deutschen Oldtimer Index (siehe Grafik) hat sich der Durchschnittswert von erhaltenswerten Veteranenfahrzeugen in den letzten 20 Jahren fast verdreifacht. Dabei gilt es zu beachten, dass die Unterschiede der Wertentwicklungen zwischen den verschiedenen Modellen teils erheblich sind. Dennoch kann man grundsätzlich feststellen, dass eine Investition in Classic Cars in den letzten Jahren mit einer zwar nicht spektakulären, aber kontinuierlich gleichmässigen Wertsteigerung verbunden war.
Neue Technologie – alte Werte
Wer bis anhin in Sammelfahrzeuge investierte, war in den meisten Fällen der Kategorie «Petrol Head» zuzuordnen. Für jene Menschen bietet eine solche Anschaffung die ideale Gelegenheit, ihre Leidenschaft mit einer längerfristigen Geldanlage zu verbinden. Sie haben häufig das notwendige Know-how, um das richtige Automodell auszuwählen, seinen Zustand beurteilen zu können und es fachgerecht zu lagern. Ebenso sind sie – dank ihrer Freude – willig, sich um den Unterhalt zu kümmern, das Fahrzeug regelmässig zu fahren, es zu hegen und zu pflegen. All jene, die keine besondere Affinität zum Anlageobjekt Auto haben, konnten – mit wenigen Ausnahmen – bis jetzt nicht wirklich vom interessanten Wertsteigerungspotenzial profitieren. Dank der Blockchain-Technologie ändert sich dies nun allmählich. Im Zuge der Tokenisierung von Sachwerten, d.h. der Schaffung einer Kryptowährung, welcher ein realer Wert (Immobilien, Gemälde, Instrumente usw.) zugrunde liegt, kann ein Classic Car oder auch eine ganze Sammlung in beliebig viele, kleine Anteile aufgesplittet werden. Via App können Interessierte dann Token, also Anteile, schnell, ohne grossen Aufwand kaufen oder zum Verkauf anbieten. Dank dieser Blockchain-Technologie werden die rechtlich verbindlichen Handänderungen sicher, transparent und kostengünstig sein. Zudem wird vermutlich eine Demokratisierung dieser Anlagekategorie stattfinden. Was bis jetzt nur ganz wenigen offen stand, wird in Zukunft vielen möglich sein. Der eingangs erwähnte Aston Martin DB 5 könnte dann beispielsweise in 800 Token im Wert von je 1000 Franken aufgeteilt werden. Es finden sich wohl (weltweit) leichter 800 Anleger, die fähig und willig sind, je 1000 Franken in einen hochkarätigen Klassiker mit Wertsteigerungspotenzial zu investieren, als ein einzelner, der die gesamte Summe selbst schultern muss. Verschiedene Start-up-firmen befassen sich mit dieser Thematik und es bleibt spannend zu sehen, wohin diese Entwicklung führen wird.
Wie auch immer man zu Classic Cars stehen mag, sie werden uns auch in Zukunft begegnen und bewegen.








