Kunsteis – eine ganze Menge Wasser und viel Arbeit
22.10.2024 GstaadGerade in der letzten Woche hat ein Curlingturnier auf Weltniveau stattgefunden: die Curling Mixed Doubles mit 18 Teams aus elf Ländern (siehe Bericht auf der gegenüberliegenden Seite). Da muss das Eis in der Curlinghalle des Sportzentrums schon einiges aushalten. Wie schafft es Eismeister Tom Fäh, das Spielfeld so perfekt vorzubereiten? Und das Eis auch während der ganzen Saison mithilfe von etwa 50’000 Litern Wasser in Schuss zu halten?
MARTIN GURTNER-DUPERREX
Alles beginnt, wenn der Betonboden mit einem Putzgerät nass gereinigt wird. Die Halle wird entfeuchtet und der Boden mithilfe des Kältemittels Ammoniak und des Kälteträgers Glykol, das in einem Rohrsystem unter der Bodenfläche zirkuliert, auf –6 Grad Celsius abgekühlt. Mit dem Sprühbalken wird der Boden mit enthärtetem und entmineralisiertem Wasser bespritzt, das sogleich gefriert. Dieser Vorgang wird fünfmalig wiederholt, um das Eis zu versiegeln, damit es nicht gleich vom Wasser wieder «aufgefressen» wird. Erst jetzt wird durch das Aufschwemmen mit Schlauch und Rohr das ganze Spielfeld unter Wasser gesetzt und das Grundeis aufgebaut. Dieser Vorgang allein verbraucht für die fünf Bahnen – die Rinks – 3000 Liter Wasser, was bis zu achtmal wiederholt wird.
Beim nächsten Schritt wird per Sprühbalken Wasser mit aufgelöster Kreide verspritzt, damit das Eis seine weisse Farbe erhält. Am oberen und unteren Ende der Rinks werden die Ringe aufgezeichnet, rot und blau angemalt und erneut versiegelt. Die Bahnlinien, aufwendig mit Wollgarn verlegt, werden ebenfalls mit Wasser angefroren und versiegelt. Das Ganze wird nun zwei- bis dreimal aufgeschwemmt und abschliessend mit einer Maschine gehobelt, damit die Oberfläche überall perfekt eben ist.
Damit der Curlingstein auf seinem Weg ins «House» die gewünschte Radiuskurve beschreibt, muss das Eis noch «gepebbelt» werden. Der Eismeister versprüht auf der ganzen Bahn Wassertropfen, die – festgefroren und nachträglich abgezogen werden – die perfekt feine Eisstruktur für einen guten Rutsch der Steine garantieren.
GENTLEMAN-SPORT
Ab 1972 wurde in der alten Curlinghalle auf der heutigen Bellevuewiese auf Kunsteis gecurlt. Seit 2006 spielen die Curler in der Halle im Sportzentrum Gstaad. Curling wird mit zwei Mannschaften mit je vier Personen und acht Steinen gespielt. Mit dem Stein wird das Zentrum des aus vier Ringen bestehenden «House» angepeilt. Für jeden Stein, der dem Zentrum des Kreises näher kommt als der des Gegners, erhält man einen Punkt. Ein «End» ist gespielt, wenn alle 16 Steine gespielt sind. Wer nach sechs bis zehn Ends die meisten Punkte hat, ist Sieger. Schiedsrichter gibt es keine, denn Curling ist ein Gentleman-Sport.
TOM FÄH
Der gebürtige Gstaader Tom Fäh ist seit 18 Jahren Eismeister der Curlinghalle im Sportzentrum Gstaad. Er und seine Helfer sorgen während und zwischen den Spielen dafür, dass das Eis gewartet, gepebbelt und gehobelt wird. Zweimal stand Fäh an Curling-Weltmeisterschaften als Eismeister im Einsatz. Der ausgebildete Polymechaniker ist zudem für die Technik des ganzen Sportzentrums mitverantwortlich. Er ist verheiratet und Vater von 14-jährigen Zwillingen.
WARUM RUTSCHT DER STEIN?
Wegen des dünnen Wasserfilms, der sich aufgrund der nur lose miteinander verbundenen Wassermoleküle auch bei grosser Kälte auf der Oberfläche bildet, ist Eis glatt. Gemäss Tom Fäh verstärkt sich dieser Film und wird noch rutschiger, wenn durch den gleitenden Curlingstein Reibungswärme entsteht und somit das Eis schmilzt. «Je heftiger die Teammitglieder zudem mit dem Besen das Eis reiben, desto glatter wird es und desto weiter rutscht der Stein.»
FOTO: ADOBE STOCK/LUK
DIE CURLINGHALLE IN ZAHLEN
Fläche des Eisfeldes:
1100 m2
Anzahl Rinks (Spielbahnen):
5 à 45 m × 4,8 m
Menge verbrauchtes Wasser:
ca. 50’000 l
Produziertes Eis pro Saison:
ca. 55’000 kg
Dicke des Eises:
5 bis 5,5 cm
Durchschnittliche Temperatur der Halle: (1,5 m über dem Eis)
6–8 °C
Temperatur der Eisoberfläche:
–4 °C bis –4,5 °C
Kälteträger Glykol:
7000 l
Anzahl der gespielten Turniere: (2023/24)
16
Mitarbeiter:
1 Hilfseismeister











