«Miss Helvetia»: «Volksmusig on the Rocks»
13.12.2024 KulturAm vergangenen Samstag, 7. Dezember machte die weitherum bekannte Barbara Klossner, alias «Miss Helvetia», mit ihrem aktuellen Programm «Volksmusig on the Rocks» gemeinsam mit ihrer Band im ausverkauften Gemeindesaal in Zweisimmen halt.
SIMON HEFTI
Am vergangenen Samstag, 7. Dezember machte die weitherum bekannte Barbara Klossner, alias «Miss Helvetia», mit ihrem aktuellen Programm «Volksmusig on the Rocks» gemeinsam mit ihrer Band im ausverkauften Gemeindesaal in Zweisimmen halt.
SIMON HEFTI
Kurz nach halb acht Uhr abends füllte sich der Gemeindesaal in Zweisimmen immer mehr mit Menschen jeden Alters und aus allen Schichten. Auf der noch unbeleuchteten Bühne fiel nebst verschiedenem Equipment auch ein grosses, in dunkelrot getauchtes Bühnenbild mit der weissen Aufschrift «Miss Helvetia» ins Auge.
Die Spannung und Vorfreude auf diese einzigartige Show war im Publikum förmlich greifbar und als um Punkt 20 Uhr das Licht im Saal ausging, wurde es plötzlich mucksmäuschenstill und alle Blicke waren auf die Bühne gerichtet. Während Simon Lüthi am Akkordeon die ersten Töne spielte, trat «Miss Helvetia» in traditioneller Frauentracht auf die Bühne und sorgte vor vollen Rängen für grosse Freude bei den Zuhörenden in überzeugender und bodenständiger Manier mit dem «Diemtigtaler Naturjodel».
Nun gesellte sich auch der Rest der Band, namentlich Beat Schürpf am Schlagzeug, Patrik Meier am Kontrabass und der einheimische Multiinstrumentalist Tobias König, auf die Bühne. Nach der herzhaften Begrüssung der Bandleaderin Barbara Klossner mit dem Wunsch «Freude für das ganze Leben» zu verteilen, wurde der Abend mit dem rockigen Titelsong ihrer neusten CD so richtig lanciert.
Was nun folgte, war ein abwechslungsreicher Mix aus rockigen, volksnahen, humorvollen sowie von Musikalität sprudelnden Vorträgen. Mit «Schnuderwibli» und einem Song über ihren volksmusikliebenden Grossvater «Dubach Güschtu» kamen im Anschluss auch die Französisch sprechenden Besuchenden nicht zu kurz. Mit den Titeln «Vivre une belle journée», «Je ne regrette rien» und «Gilberte de Gourgenay» zeigte uns «Miss Helvetia» ihre immer noch tiefe Verbundenheit zur Französisch sprechenden Schweiz. Zur Auflockerung zwischen all den Vorträgen blitzte auch immer wieder die humorvolle Barbara Klossner durch. So zoffte sie sich immer wieder liebevoll mit Tobias König, teils auch – wie man sie kennt – mit ganzem Körpereinsatz. Ob der Seebergsee nun den Zweisimmnern oder den Diemtigtalern gehört? In dieser Frage konnten sich die beiden in unterhaltsamer Weise nicht einigen.
Wer Barbara Klossner kennt, der weiss, dass sie auch vom Publikum vollen Körpereinsatz verlangt. So hielt sie kurzerhand einen Jodelcrashkurs ab und studierte auch gleich eine Choreografie zu einem ihrer Titel ein. «Es ist erstaunlich, welch eine Energie diese Frau besitzt», meinte ein Zuschauer staunend. «Dieser Körpereinsatz und dazu noch fast zwei Stunden singen ist sehr beeindruckend.»
Mit dieser Meinung war der Zuschauer wahrlich nicht allein. Dank ihrer einzigartigen Bühnenpräsenz und Begeisterungsfähigkeit lieferten «Miss Helvetia» mit Band zweifelsfrei eine energiegeladene und überzeugende Show ab. Von Müdigkeit war rein gar nichts zu spüren, obwohl die Musizierenden den dritten Auftritt in drei Tagen absolvierten und dazu noch quer durch die Schweiz reisen mussten.
Als das offiziell letzte Lied verklungen war und das Publikum mit tosendem Applaus eine Zugabe forderte, wurde Barbara Klossner zum ersten Mal etwas emotional und bat Ernst Dubi als Überraschungsgast auf die Bühne. Ernst, ein Lenker Urgestein, ein begnadeter Handorgelspieler wie auch langjähriger sowie geschätzter Akkordeonbegleiter von mehreren Jodelkleinformationen, war auch seit Jahrzehnten als fester musikalischer Bestandteil an Klossners Seite. Wie viele gemeinsame Auftritte die beiden schon absolvierten, kann wohl niemand mehr genau sagen. So ist mit der Zeit aus der musikalischen Partnerschaft eine enge Freundschaft und tiefe Verbundenheit entstanden. «Wir haben viel Schönes aber auch Trauriges miteinander durchgestanden», sagte Klossner gefühlsbetont. Um diese Zeit noch einmal aufleben zu lassen, stimmte Barbara Klossner mit Ernst Dubi das Jodellied «Wenn die wilde Chirschböim blüeje» von Jakob Ummel an. Ein Lied, welches sie früher oft, auch noch mit Klossners Mutter zusammen, gesungen haben.
Nach dieser emotionalen und berührenden Showeinlage verabschiedeten sich «Miss Helvetia» und Band mit dem Titel «Locker, locker», bei welchem das Publikum wiederum mit der einstudierten Choreografie mitmachen durfte, von ihren Fans und dem begeisterten Publikum mit einem klangvollen Schlussfeuerwerk.
Der lange und herzliche Schlussapplaus verstummte irgendwann, der Saal leerte sich und nach einem Händedruck und Selfies mit den Protagonisten verschwanden die Konzertbesuchenden in die nasskalte Dezembernacht. Auf dem kurzen Fussmarsch zum Auto ertappte ich mich, wie auch ich unbewusst einige Melodien des Abends vor mich hin trällerte. Ja, diese Show hat auch bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
«Es ist Hochleistungssport und Akrobatik für Körper und Stimme»
INTERVIEW: SIMON HEFTI
«Miss Helvetia», Ihr bürgerlicher Name ist ja bekanntlich Barbara Klossner. Wie sind Sie zum Künstlernamen «Miss Helvetia» gekommen?
Den Namen «Miss Helvetia» habe ich zu der Zeit erhalten, als ich noch den Jodlerklub «Alphüttli» Genf dirigierte. Beim Durchlesen der Statuten des Jodlerklubs stellte ich fest, dass nur Deutsch sprechende Schweizer in den Verein aufgenommen werden dürfen. In einer so internationalen Stadt wie Genf kann das doch nicht sein, dachte ich mir, und beantragte sogleich, dass diese Einschränkung gestrichen werde. Dies zeigte grosse Wirkung. Jeder, der jodeln wollte, war nun willkommen. Nebst einigen Französisch sprechenden Schweizern traten plötzlich Marokkaner, Russen, Franzosen und Kubaner dem Jodlerklub «Alphüttli» bei. Die Mitgliederzahl konnte rasch verdoppelt und das Überleben des Klubs gesichert werden. Diese «multikulti»- Durchmischung der Sänger bereicherte auch den Chorklang und wir durften wieder mit Erfolg an den Jodlerfesten teilnehmen. Man kann fast sagen, dass ich in Genf aus Sand Gold gemacht habe. Somit überwand ich in vielerlei Hinsicht den sogenannten «Röstigraben», war kulturelle Brückenbauerin und da alle bei mir das Jodeln erlernten, wurde ich oft «Die Schweizermacherin» oder eben «Miss Helvetia» genannt.
Sie kommen ursprünglich aus der Jodelszene und unterrichten ja immer noch seit vielen Jahren in der Musikschule Saanenland-Obersimmental das Fach «Jodeln» und «Bühnenpräsenz». Welchen Bezug haben Sie zum traditionellen und urchigen Jodelgesang?
Meine Mutter jodelte, seit ich denken kann, mein Grossvater spielte leidenschaftlich gerne «Schwyzerörgeli» und der traditionelle «Naturjutz» ist das, was ich als erstes in meinem Leben gehört habe, das, was mich täglich begleitet hat. Die Kompositionen von Adolf Stähli sind bei uns von morgens bis abends rauf und runter gespielt worden. Aus diesem Grund habe ich nach wie vor eine nahe Beziehung zum Naturjodel. Parallel zum Jodelgesang begeisterte mich schon als Kind das Ballett. Man kann also sagen, dass ich mit Tschaikowski und Adolf Stähli gleichermassen aufgewachsen bin.
Sie sind sehr erfolgreich und viel unterwegs, auch in der ganzen Welt. Ihre Auftritte sind immer voller positiver Energie, Sie geben immer 100 Prozent – ja, ich würde sogar sagen, Sie machen auf mich den Eindruck einer unermüdlichen Powerfrau. Sind Sie immer so oder brauchen Sie ab und zu auch Ihre Ruhe?
Eine Powerfrau bin ich nur auf der Bühne, zu Hause bin ich wirklich ein langweiliger Mensch (lacht laut). Zu Hause liege ich gerne auf dem Sofa und mache auch gerne mal gar nichts. Diese Momente sind in letzter Zeit allerdings sehr rar geworden, da ich doch seit August sehr viel unterwegs bin. Aber jetzt, über Weihnachten, ist es bei mir wieder etwas ruhiger und entspannter. Darauf freue ich mich sehr.
Wie und wo laden Sie Ihre Batterien wieder auf?
Im Balletttraining kann ich abschalten und wunderbar meine Batterien wieder aufladen. Ich brauche keine Kraftorte. Mit Ballett finde ich zu mir selbst.
Sie bestreiten heute Abend mit Ihrer Band den dritten Auftritt in drei Tagen. Das geht bestimmt an die Substanz. Haben Sie eine bestimmte Vorbereitung, um solchen Belastungen zu begegnen?
Da haben Sie völlig recht. Das Jodeln und Singen in verschiedenen Gesangsstylarten ist für die Stimme sehr anspruchsvoll. Dazu noch zu tanzen und zu unterhalten braucht sehr viel stimmliches und körperliches Training. Dies wird oft unterschätzt, da es immer so leicht aussieht. Ich trainiere jedoch zehn bis 13 Stunden pro Woche Fitness, Ausdauer und Kraft und besuche den Ballettunterricht. Ich habe sogar einen Personal Trainer und in den Gesangsunterricht gehe ich auch immer wieder. Es ist Hochleistungssport und Akrobatik für Stimme und Körper. Würde ich dieses Training weglassen, so könnte ich eine Show wie heute Abend nicht durchhalten.
Sie sind erfolgreich, haben Auftritte auf der ganzen Welt und stehen auf den bekanntesten Bühnen Europas. Hätten Sie vor 20 Jahren gedacht, eine solche Karriere erleben zu dürfen?
Da ich immer sehr natürlich, einfach, lustig und unterhaltsam rüberkomme, vergisst man gerne, dass das, was ich mache, mit viel Respekt gesehen werden sollte. Der Weg, sich von der Strasse bis an die Oper Marseille zu jodeln und zu singen, war extrem spannend. Ich bin sehr dankbar, dass ich mit dem Jodeln und Singen schon so viele verschiedene Projekte national und international erleben durfte. Ich hätte dies nie gedacht und habe es auch nicht wirklich angestrebt – es ist einfach zu mir hingefallen.
Nun wollen wir aber über Ihr aktuelles Programm «Volksmusig on the rocks» sprechen. In Kürze startet Ihr Konzert. Was erwartet mich als Konzertbesucher?
Sie dürfen sich freuen. Es erwarten Sie Naturjodeltöne, eine gewaltige Ladung an Unterhaltung – von Fröhlichkeit, Übermut und Lebensfreude bis hin zur tiefen Berührung durch sanfte Töne und Klänge.
Ich bin sehr gespannt auf Ihren Auftritt. Gibt es noch etwas, was Sie der Leserschaft des «Anzeigers von Saanen» sagen möchten?
(Überlegt eine Weile) Ohne Jodel, Musik, Theater, Schauspiel und Literatur sowie Kunst im Allgemeinen wäre das Leben ein Irrtum.