Nachdenklichkeit, Optimismus, Verzweiflung, Hoffnung, Überforderung, Lethargie… Wer einen Blick auf unseren Planeten – und was darauf gerade so vor sich geht – wirft, wird mit einer Bandbreite widersprüchlicher Emotionen konfrontiert. Das Konzert ...
Nachdenklichkeit, Optimismus, Verzweiflung, Hoffnung, Überforderung, Lethargie… Wer einen Blick auf unseren Planeten – und was darauf gerade so vor sich geht – wirft, wird mit einer Bandbreite widersprüchlicher Emotionen konfrontiert. Das Konzert «Unauffälliger Rebell – Music for the Planet» des Gstaad Menuhin Festivals & Academy widerspiegelte diesen Mix an Gefühlslagen am Sonntagabend in der Kirche Saanen.
MARIE-LINE MICHEL
Von der Geigerin Patricia Kopatchinskaja kuratiert, bestand das Konzert aus Stücken von Debussy und Schostakowitsch für Cello, Piano und Violine. Zwischen den musikalischen Teilen wurden Texte von Franz Hohler mit Gedanken zu den Themen Weltuntergang und Schöpfung gelesen. Hohler ist bekannt für seine Art, anhand von Geschichten mit einem Augenzwinkern Kritik an Politik und Gesellschaft anzubringen.
Die Wahl der Stücke passte perfekt zu den Gefühlen, die Hohlers Texte beim Publikum hinterliessen: Debussys Cellosonate eröffnete den Abend mit nachdenklichen, schon fast pessimistischen Klängen, die sich allmählich in einen unruhigen Optimismus verwandelten. Auf die Geschichte der Schöpfung (siehe Kasten) folgte Schostakowitschs Cellosonate, ein emotional facettenreiches Werk, das von lieblich-aufgeregt über aufmüpfig und nachdenklich-düster bis zu lebendig-optimistisch stimmte. Den krönenden Schluss bildete Schostakowitschs Klaviertrio. Verspielte, schelmische Passagen steigerten sich zu einer beinahe beängstigend euphorischen Klangwelt, die einen vor dem Aufwachen am nächsten Morgen fürchten lässt. Wenn man sich an das Thema des Abends erinnert, den Zustand unseres Planeten, ein sehr passendes Gefühl…
Dass es nicht das erste Mal war, dass Patricia Kopatchinskaya, Sol Gabetta und Francesco Piemontesi zusammen musizierten, war sofort spürbar. Sie waren an diesem Abend ein wunderbar eingespieltes Trio, drei hochrangige Künstler:innen, die sich auch Rücken an Rücken ohne Worte verstehen und mit sichtlicher Freude gemeinsam musizierten.
Am Freitag, 9. August, findet unter dem Leitthema «Music for the Planet» ein weiteres Konzert mit Patricia Kopatchinskaja statt.
FRANZ HOHLER – «DIE SCHÖPFUNG»
Am Anfang war nichts ausser Gott. Eines Tages bekam er eine Gemüsekiste voller Erbsen. Er fragte sich, woher sie kommen könnte, denn er kannte niemanden ausser sich. Er traute der Sache nicht ganz und liess die Kiste einfach stehen oder eher schweben.
Nach sieben Tagen zerplatzten die Hülsen und die Erbsenkugeln schossen mit grosser Gewalt ins Nichts hinaus. Oft blieben dieselben Erbsen, die in einer Hülse gewesen waren, zusammen und umkreisten sich gegenseitig. Sie begannen zu wachsen und zu leuchten, und so wurde aus dem Nichts das Weltall.
Gott wunderte sich sehr darüber. Auf einer der Erbsen entwickelten sich später alle möglichen Lebewesen, darunter auch Menschen, die ihn kannten. Sie schrieben ihm die Erschaffung des Weltalls zu und verehrten ihn dafür.
Gott wehrte sich nicht dagegen, aber er grübelt bis heute darüber nach, wer zum Teufel ihm die Kiste mit den Erbsen geschickt haben könnte.
PD
«MUSIC FOR THE PL ANET»
Im Rahmen des Themas «Wandel», das sich das Gstaad Menuhin Festival & Academy für die Jahre 2023 bis 2025 ausgesucht hat, findet auch die Konzertreihe «Music for the Planet» statt. Als Botschafterin gestaltet die Geigerin Patricia Kopatchinskaja jeweils die Programme. Dafür setzt sie sich mit dem Planeten auseinander und bringt ihre Gedanken zum aktuellen Zustand der Natur, Menschheit und Gesellschaft in ihre Konzerte ein. Dieses Jahr widmet sie sich mit Musik und Texten dem Thema Migration.
PD