Die Schlacht von El Alamein, D-Day und eine Preisverleihung ohne Königin
12.09.2025 GstaadFeldmarschall Bernard Montgomery, ein Architekt der Siege der Alliierten in Nordafrika und an den Stränden der Normandie, war nicht nur das militärische Genie des Zweiten Weltkriegs, sondern auch eine markante Figur im Gstaader Winterurlaub. Montgomery fand im Berner Oberland ...
Feldmarschall Bernard Montgomery, ein Architekt der Siege der Alliierten in Nordafrika und an den Stränden der Normandie, war nicht nur das militärische Genie des Zweiten Weltkriegs, sondern auch eine markante Figur im Gstaader Winterurlaub. Montgomery fand im Berner Oberland einen Zufluchtsort und stieg zum lokalen Liebling auf – die Anekdoten über grosszügige Fünfliber-Verteilungen oder königlichen Ärger sind legendär. Dies ist seine Geschichte und diejenige einer schicksalshaften Zeitepoche.
MARTIN GURTNER-DUPERREX
Ab 1939 wurden Polen, Frankreich sowie weite Teile Europas und Nordafrikas von Hitler-Deutschland und seinem Verbündeten Italien besetzt. Im Juni 1941 hatte die deutsche Wehrmacht überraschend auch die Sowjetunion überfallen. Derweil kämpfte Grossbritannien unter Premierminister Winston Churchill in der «Luftschlacht von England» ums Überleben. Die USA waren zwar nach dem verheerenden Luftangriff Japans auf den amerikanischen Pazifik-Flottenstützpunkt Pearl Harbour im Dezember 1941 auf der Seite Englands und der Sowjetunion in den Krieg eingetreten, standen aber vorerst mit dem Rücken zur Wand.
El Alamein: der Kampf um den Suezkanal
Am Morgen des 23. Oktober 1942 kam es zur Wende: Bei El Alamein in Ägypten eröffnete die britische achte Armee unter Generalleutnant Bernard Montgomery den Angriff auf das Deutsche Afrikakorps nur knapp 100 Kilometer von Alexandria entfernt. Ihr Gegner, «Wüstenfuchs» General Erwin Rommel, war zuvor mit seiner Panzerarmee aus der italienischen Kolonie Libyen vorgestossen, um den Briten die Kontrolle über den Suezkanal zu entreissen. Er hatte jedoch seine Kräfte stark überdehnt und war vom Nachschub abgeschnitten. Rommels Truppen erlitten in der Folge eine schwere Niederlage und gerieten später grösstenteils in Kriegsgefangenschaft. Dieser Sieg machte Monty, wie Montgomery genannt wurde, auf einen Schlag weltberühmt.
Nach der Landung der Alliierten – amerikanischer, britischer und kanadischer Streitkräfte – in Marokko und Algerien erfolgte im Juli 1943 von Tunesien aus die Invasion Süditaliens, was das Ende von Mussolinis Diktatur einläutete. Gleichzeitig befand sich die Rote Armee seit der deutschen Niederlage von Stalingrad im Winter zuvor auf dem Vormarsch. Erst jetzt wurde ein alliierter Generalangriff auf Hitlers «Festung Europa» über die Normandie überhaupt denkbar.
Grosse Liebe, Schicksalsschlag und Vaterlandsdienst
Es hatte alles so gut begonnen: Im Winterurlaub an der Lenk 1926 war der britische Offizier Bernard Montgomery ganz zufällig der äusserst charmanten Witwe Betty Carver begegnet. Ein Jahr später trafen sich die beiden am gleichen Ort wieder, doch diesmal war es alles andere als Zufall. Die Hochzeit folgte bereits im folgenden Sommer, die Geburt von Sohn David 1928 – das Glück schien perfekt. Später verbrachte die Familie mehrmals Ferien in unserer Gegend, im Dezember 1936 auch im Sporthotel in Saanenmöser.
Doch dann der Schicksalsschlag: Im Sommer 1937 wurde Betty ein simpler Insektenstich mit nachfolgendem Wundbrand zum tödlichen Verhängnis. Fortan kapselte sich Montgomery ab und überliess die Erziehung seines Sohnes der Verwandtschaft. Für ihn gab es jetzt nur noch eines: den Dienst am Vaterland.
Oberst Montgomery stieg rasch weiter auf, führte britische Truppen in Indien, Ägypten, Palästina. Effizienz im Führungsstil, unerbittliche Disziplin und Durchsetzungskraft – der Abstinenzler und Nichtraucher war bei den Soldaten populär, bei den Vorgesetzten gefürchtet. Als der Zweite Weltkrieg begann, gelang ihm 1940 ein erstes militärisches Glanzstück: die geordnete Evakuierung seiner Division aus Frankreich via Dünkirchen vor der vorrückenden deutschen Wehrmacht.
Operation Overlord: Krach im Oberkommando
«Ein netter Kerl, aber kein Soldat», spottete Bernard Montgomery über US-General Dwight Eisenhower. Immerhin war dieser sein Boss und der Oberbefehlshaber aller alliierten Streitkräfte, welche am 6. Juni 1944 – dem D-Day – in der Normandie landeten. Dass ein Amerikaner diese Funktion innehatte, war ihm ein Dorn im Auge. Doch der massive Beitrag der USA seit ihrem Kriegseintritt 1941 hatte Eisenhowers Ernennung unausweichlich gemacht. Monty musste sich mit dem Oberkommando der Landstreitkräfte der Operation Overlord, wie das Unternehmen hiess, begnügen.
Trotz allem war ihre Zusammenarbeit erfolgreich, insbesondere während der Landung an den Stränden Nordwestfrankreichs. Das war nicht selbstverständlich, denn für die deutschen Verteidigungslinien war niemand anderes als Erwin Rommel verantwortlich. Doch die Spannungen wuchsen während des Vormarsches durch Frankreich. Monty untergrub Eisenhowers Autorität, hinterfragte ständig die Strategie, schmälerte öffentlich den US-Beitrag. Bis Ike – so Eisenhowers Spitzname – der Kragen platzte und androhte: «Him or me!» Aus Mangel an Alternativen hielt er an ihm fest. Denn während Montgomerys britisch-kanadischen Truppen die deutschen Panzerverbände wirksam banden, gelang US-General Patton im Westen der Durchbruch und am 25. August die Befreiung von Paris. Montys Kräfte stiessen währendessen über die Niederlande nach Belgien vor. Eine Woche später wurde er von Churchill zum Feldmarschall befördert.
Nach einem letzten Aufbäumen des Feindes in den Ardennen reichten sich im April 1945 alliierte und sowjetische Truppen an der Elbe die Hände. Am 8. Mai, nach Hitlers Suizid und der deutschen Kapitulation, war der Krieg in Europa zu Ende.
Die ausgeliehenen Fünfliber und andere Gstaader Anekdoten
Im Februar 1946 kehrte Feldmarschall Montgomery ins geliebte Berner Oberland zurück. Der Medienrummel war enorm: Mit einem Sonderzug aus Berlin angereist, wechselte er in Zweisimmen in einen MOB-Salonwagen und fuhr weiter nach Saanenmöser – zum grossen Ärger der Reporterschar, die ihn laut Presseberichten an der Lenk erwartet hatte.
Ernst Scherz, damaliger Direktor des Hotels Palace, erinnerte sich in seinen Memoiren an Bernard Montgomery als «eine der markantesten Persönlichkeiten», denen er je begegnet war. Mit seiner freundlichen Art, der typischen Baskenmütze und dem auffälligen weissen Lammfellmantel habe er schnell die Sympathie der Saaner Bevölkerung gewonnen. Monty, von nun an ein regelmässiger Gast in der Region, lud jeweils zu Dinnerpartys ein, bei denen die Einheimischen zu allem – von Lokalpolitik bis zur Milchwirtschaft – Red und Antwort stehen mussten, wie Ernst Scherz schrieb. Er habe den Abend jedes Mal um Punkt 22 Uhr mit den gleichen Worten beendet: «Gentlemen, the night was made for sleep!»
Der damals zwölfjährige Anton Ruesch, in Gstaad aufgewachsen, traf den Feldherrn persönlich – und zwar, als er in dessen Chalet für seine Mutter ein Autogramm erbetteln musste. Er beschreibt in seinen Erzählungen ebenfalls Montys Besuch in der Sekundarschule Ebnit, bei dem ihm «fast der Kiefer heruntergefallen» sei, als er erfuhr, dass eine der Schülerinnen mit dem «Wüstenfuchs» verwandt war und Candida Rommel hiess. Anlässlich seiner Visiten habe er jeweils einen freien Schulnachmittag erwirkt – die Saaner Schulkommission soll nicht «amused» gewesen sein.
Auch der frühere Gstaader Kurdirektor Paul Valentin wusste Kurioses zu berichten: Auf Montgomerys Wunsch wurden jährlich Schülerskirennen organisiert, bei denen er als Preise grosszügig neue Fünfliber verteilte, die ihm Valentin beschaffen musste – bezahlt habe er diese aber nie. Und zu einer Preisverleihung des Montgomery-Cups, eines internationalen Skispringens, das von 1946 bis 1966 zu seinen Ehren stattfand, war Königin Juliana der Niederlande zu Gast. Als sich der Feldmarschall verspätete, habe sie die Veranstaltung mit einer boshaften Bemerkung über «militärische Pünktlichkeit» verlassen. Er trocken: «Nun, wir können wohl Preise auch ohne Königinnen verteilen.»
Der Feldherr im Nachkriegseuropa: «Nie darüber nachgedacht»
Montys Militärkarriere war nach dem Krieg noch nicht zu Ende. Er wurde vorerst Oberbefehlshaber der britischen Besatzungstruppen in Deutschland. Von 1946 bis 1948 war er Generalstabschef der britischen Armee und ab 1951 wirkte er im beginnenden Kalten Krieg als stellvertretender NATO-Oberbefehlshaber – wieder unter Eisenhower! – massgeblich am Aufbau des westlichen Verteidigungsbündnisses mit.
Privat blieb Montgomery jedoch ein einsamer Mann. Das Verhältnis zu seiner Familie war zerrüttet: Die Schuld am Tod seiner Frau gab er grundlos seiner Mutter – nicht einmal zu ihrer Beerdigung sei er erschienen. Seine Geschwister verdächtigte er, sich an seinem Ruhm bereichert zu haben. Auch zu seinem Sohn David und seiner Gattin hatte er kaum Nähe. Er empfand es als Familienschande, dass ihre Ehe ein paar Jahre später geschieden wurde.
Auf die Frage eines TV-Journalisten, ob es ihn belaste, so viele Tausend Soldaten in den Tod geschickt zu haben, antwortete er kühl: «Ich habe nie darüber nachgedacht – aber stets veranlasst, dass sie ein würdevolles Begräbnis erhielten…» Am 24. März 1976 verstarb der vom Königshaus geadelte Viscount Sir Bernard Law Montgomery of El Alamein auf seinem Anwesen in Hampshire friedlich in seinem Bett.
Quellen: Donald Sommerville: Monty – A Biography of Field Marshal Montgomery. Smithmarks Publishers Inc., New York 1992. Ernst Scherz: …und jeder König nur ein Gast. Scherz Verlag, Bern und München 1982. Paul Valentin: Auch Kurdirektor ist ein Beruf. Fischer Druck AG, Münsingen 1981. Anton Ruesch: Gstaader Geschichten – frisch von der Leber weg. 2. Auflage, Verlag Müller Medien AG, Gstaad 2023/ARTA Verlag A. Ruesch und E. Scheidegger, Nidau. Gilles Simond/24heures.ch: Le 4 février 1946 – quand la «Feuille d’Avis» pourchassait Lord Montgomery à Saanen (veröffentlicht am 4. Februar 2015). Schweizer Illustrierte Nr. 6, vom 6. Februar 1946
«WÜSTENFUCHS» ERWIN ROMMEL: HITLERS LIEBLINGSGENERAL
Erwin Rommel stammte nicht aus dem preussischen Adel wie die meisten hohen Militärs, sondern aus Süddeutschland. Deshalb war er bei Adolf Hitler umso beliebter, er beförderte ihn bis zum Generalfeldmarschall. Der gewiefte Taktiker nutzte die Gunst der Stunde. So wie im Nordafrikafeldzug 1941/42, der ihm den Spitznamen «Wüstenfuchs» einbrachte. Denn seine Kampfmethoden waren unkonventionell: Er liess zum Beispiel Hunderte Holzattrappen auffahren, um den Eindruck vorrückender Panzerarmeen zu erwecken. Sogar Bernard Montgomery soll ihn bewundert haben. In seiner rollenden Kommandozentrale hing ein Foto von ihm – und sein Hund hiess «Rommel».
In Propagandafilmen glorifizierten die Nazis Rommels «heldenhaften Kampf gegen einen weit überlegenen Gegner» – einen Helden, der sich vor der Niederlage bei El Alamein hatte ausfliegen lassen. Am 14. Oktober 1944 wurde er von Hitler zum Suizid gezwungen, weil er verdächtigt wurde, vom erfolglosen Attentatsversuch vom 20. Juli auf den Führer gewusst und einen Separatfrieden mit Amerika angestrebt zu haben.
QUELLE: GUIDO KNOPP: HITLERS KRIEGER. C. BERTELSMANN VERLAG, MÜNCHEN 1998
DWIGHT D. EISENHOWER: VOM KRIEGSPLANER ZUM US-PRÄSIDENTEN
Dwight Eisenhowers Vorfahren waren – Ironie des Schicksals – deutsche Einwanderer namens Eisenhauer. In den 1920er-Jahren diente er als Berufsoffizier der US-Armee in der Panamakanalzone und auf den Philippinen. Im Zweiten Weltkrieg wurde der begabte Koordinator in die Kriegsplanungsabteilung berufen und 1942 zum Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa ernannt. Nach der Invasion in Nordafrika und Süditalien übernahm er 1943 das Oberkommando über alle alliierten Streitkräfte in Nordwest europa und führte diese von der Landung in der Normandie bis zur deutschen Kapitulation 1945.
Im selben Jahr wurde er zum Fünf-Sterne-General und Generalstabschef der US-Armee ernannt sowie 1951 zum Oberbefehlshaber der NATO. Doch der grosse Auftritt stand noch bevor: Als republikanischer Kandidat gewann er die folgende Präsidentschaftswahl und amtierte von 1953 bis 1961 als Präsident der Vereinigten Staaten.
QUELLE: ENCYCLOPAEDIA BRITANNICA (BRITANNICA.COM)
D-DAY: VERLAINES HERBSTLIED UND DER SCHLAF DES FÜHRERS
Am 5. Juni 1944 fing die deutsche Abwehr eine Rundfunkdurchsage ab: eine Strophe aus Paul Verlaines «Chanson d’automne» – ein verschlüsseltes Signal der Alliierten, das den bevorstehenden D-Day über den Ärmelkanal ankündigte. Aufgrund schlechten Wetters und erfolgreicher Täuschungsmanöver wurde die Warnung jedoch nicht ernst genommen.
Tags darauf landeten über 6000 Schiffe mit 150’000 alliierten Soldaten – vor allem Amerikaner, Briten und Kanadier – an fünf Stränden der Normandie. Die deutsche Führung reagierte spät, die obersten Militärs glänzten durch Abwesenheit. So weilte Generalfeldmarschall Erwin Rommel, zu diesem Zeitpunkt hauptverantwortlich für die deutschen Verteidigungsanlagen in Frankreich, im heimischen Ulm an der Geburtstagsparty seiner Frau. Hitlers Zustimmung wäre so oder so nötig gewesen, um Panzerreserven zu mobilisieren. Doch dieser schlief tief und fest – er durfte nicht geweckt werden. Trotz des anfänglichen heftigen Widerstands mussten sich die Deutschen der alliierten Übermacht beugen, die unter grossen Verlusten unaufhörlich Verstärkung an Land brachte. Es war der Anfang vom Ende – weniger als ein Jahr später war das Schicksal des Dritten Reichs besiegelt.
QUELLE: GUIDO KNOPP: HITLERS KRIEGER. C. BERTELSMANN VERLAG, MÜNCHEN 1998