Kinder-Käse-Kunst

  28.09.2023

Das wars... noch lange nicht!

Am vergangenen Wochenende fand an der Käsegrotte in der Bissen die Abschlusszeremonie des Projekts Powerstation Art statt.

SONJA WOLF
Der Ort an der Käsegrotte war mehr als symbolisch, ging es doch um die 14 Käsekinder – sieben aus der Schweiz und sieben aus Holland – und «ihren» Käse, der mit ihnen zusammen gereift ist (siehe Erklärung des Projekts auf dem Foto unten links). Nach gut 18 Jahren sehen die Käsekinder noch wunderbar frisch aus – ganz im Gegensatz zu ihrem Käse, der überreif, dunkelgelb und mit ihren inzwischen verblassten Kinderunterschriften in der Käsegrotte aufbewahrt wird. Und dies zusammen mit der Gedenktafel «sicher noch 100 Jahre», wie Markus Iseli mit einem Augenzwinkern versicherte. Iseli, Abteilungsleiter für Bildung, Soziales und Sicherheit, war als Vertreter der Gemeinde Saanen von Anfang an mit dem Projekt betraut. Zusammen mit Hanneke Frühauf, der Initiantin des Projekts mit holländischen Wurzeln, die in ihrer Festrede von dem amüsanten Beginn des Projekts erzählte: So sei sie noch vor der Geburt der Multikultikinder (die alle Jahrgang 2004 haben) vor den damaligen Gemeinderatspräsidenten Andreas Hurni getreten und habe ihm ihre Idee von «Kinder – Käse – Kunst» erklärt. «I verstahs nüd ganz, aber es verhebt», soll dieser geantwortet haben – und los gings!

18-jähriger Intergrationsgedanke
Seit der Käsetaufe 2006, wo sich die damals Zweijährigen auf dem Eggli tummelten und den Käse bewunderten, der von Ruedi und Helen Wehren für sie produziert worden war, hat sich einiges getan: Die Kinder trafen sich sowohl an nationalen als auch internationalen Treffen und verstanden sich prima. Und zwar in den Anfangsjahren ganz ohne die Hilfe der englischen Sprache – einfach durch die gemeinsamen künstlerischen Aktivitäten, zu denen sie von ihren Paten motiviert wurden. Als Paten konnten im Laufe der Jahre viele interessante Persönlichkeiten aus den Bereichen Literatur, bildende Kunst, Theater oder Musik gefunden werden.

Markus Iseli zog in seiner Abschlussrede Bilanz: «Das Projekt hat die Welt nicht verändert, aber es hat bewiesen, dass es trotz verschiedener Wohnorte, Herkunft, Sprachen, Hautfarben, Religionen, Essgewohnheiten und Kulturen möglich ist, in Freundschaft und Frieden zusammen zu sein. Man muss es nur wollen.» Und er wünschte den 14 inzwischen jungen Erwachsenen, die immerhin einen gemeinsamen Käse, gemeinsame Reisemotivationen und ein Handy zum Kommunizieren haben, eine wunderbare gemeinsame Zukunft.


POWERSTATION-ART-TEILNEHMENDE LIV STAUB IM INTERVIEW

«Megacoole» Kontakte und ein multikulturelles Verständnis

Die heute 18-jährige Liv Staub war von Anfang an im internationalen Projekt mit dabei. Bei der Lancierung im Jahr 2006 waren die «Käsekinder» gerade einmal zweijährig.

SONJA WOLF

Liv, wie weit geht Ihre Erinnerung zurück?
Unser Aufenthalt auf der Insel Ameland im Jahr 2011 war ein sehr einprägendes Erlebnis. Da war ich siebenjährig und mit meiner Mutter und meinem Bruder dort. Aber auch von vorher habe ich einige Erinnerungen.

Haben Sie einen guten Kontakt zu den anderen Käsekindern?
Ja, einen sehr guten! Die Schweizer Kollegen habe ich jährlich im Rahmen des Projektes getroffen. Wir sind zu jedem und jeder einmal gegangen. Und zwar in die Ortschaft, wo sie wohnen, also in den Raum Zürich, Aargau oder ins Tessin. Wir waren in ihren Schule oder haben bei ihnen zu Hause ein typisches Essen gegessen. Die meisten haben einen Migrationshintergrund – also Wurzeln zum Beispiel in Mazedonien, der Türkei, Surinam, dem Irak oder Tibet – und dementsprechende Speisen gekocht. Die waren wirklich sehr fein und vielseitig! Aber auch ausserhalb des Projekts versuchten wir uns zu treffen. Wir verstehen uns super!

Auch mit den niederländischen «Käsekindern»?
Mit den Holländern haben wir uns aufgrund der Entfernung ein wenig seltener gesehen: bei den vier internationalen Treffen in Gstaad und den beiden Treffen in Holland – in Maastricht und auf Ameland. Aber immer, wenn wir uns sehen, haben wir es sehr lustig! Ausserdem schreiben wir uns über Whatsapp.

Auf Englisch, nehme ich an?
Genau. Aber selbst am Anfang, als wir noch kein Englisch konnten, haben wir uns dank der gemeinsamen Kunstaktivitäten mit den Paten trotzdem gut verstanden. Die Künstler waren bei den Treffen immer dabei und bereiteten Sachen aus ihrem Bereich vor, kleine Workshops mit Tanzen, Musik, Malen, Literatur.

Und Ihr Fazit? Hat Ihnen das Projekt gefallen?
Ja, sehr gut! Ich habe megacoole Kontakte geschlossen mit den anderen «Cheesagern» – also Teenagern (lacht). Auch mit den Paten, die wirklich interessante Persönlichkeiten sind und auch fast alle einen Migrationshintergrund haben. Durch die gemeinsamen Kunstaktivitäten haben wir ein multikulturelles Verständnis bekommen.

Werden Sie weiter Kontakt halten?
Auf jeden Fall! Wir haben vor, uns einmal im Jahr mit den Schweizern zu treffen, vielleicht reisen wir auch einmal zusammen in die Niederlande.


DAS KÄSEGEHEIMNIS

Im Buch «Das Käsegeheimnis» erzählt Hanneke Frühauf respektive der Erzähler Käserix, seines Zeichens Direktor eines Käseforschungszentrums, die Geschichte vom Powerstation-Art-Käse. Allen «Käsekindern» ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Im Kapitel über die Gstaaderin Liv singt unter anderem ein Käsechor:

«Die Holländer fahren Ski. Das glaubt man uns nie! Erst üben sie auf dem Meer und dann kommen sie hierher. In den Bergen lernen sie klettern, und stehen mit Holzschuhen auf den Brettern! Dann bekommen sie beim Vater von Liv hoch auf dem Eggliberg den letzten Schliff!»


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