Energie und Freude spendendes Konzert des Gemischten Chors «Heimatglüt» Grund
14.11.2023 KulturDas Jubiläum des 100-jährigen Bestehens des Chörlis «Heimatglüt» Grund wurde am letzten Samstag in der Kirche Saanen mit einem grossen Jubiläumskonzert gefeiert. Im Jahr 1851 schrieb Wilhelm Ganzhorn das Volkslied «Im schönsten Wiesengrunde ist ...
Das Jubiläum des 100-jährigen Bestehens des Chörlis «Heimatglüt» Grund wurde am letzten Samstag in der Kirche Saanen mit einem grossen Jubiläumskonzert gefeiert. Im Jahr 1851 schrieb Wilhelm Ganzhorn das Volkslied «Im schönsten Wiesengrunde ist meiner Heimat Haus…» Auch im Grund bei Gstaad gibt es schöne Wiesen und gesungen wurde bestimmt schon vor Ende des 19. Jahrhunderts, besonders schön jedoch seit dem 7. Januar 1922, dem Gründungstag des Grund-Chörlis «Heimatglüt».
EUGEN DORNBIERER-HAUSWIRTH
Die 1920er-Jahre
Das Jahrzehnt war von einer gesellschaftlichen wie politischen Zeitenwende nach dem Ersten Weltkrieg geprägt. Armut war vor allem in den ländlichen Gebieten allgegenwärtig. Mancherorts suchte man die Lösung in der Förderung der Auswanderung. Am 12. November 1929 beschloss Chörlimitglied Gottfried Annen, nach Amerika auszuwandern. Verabschiedet wurde er nach der Singübung neben dem Schulhaus mit einem Jodelständchen. Im Grund lebten damals annähernd 300 geerdete, gerechte und arbeitssame Frauen und Männer. Die Schule, «s Chörli» und andere Vereine (Frauenverein) übernahmen wichtige sozial- und gesellschafts-politische Aufgaben. Eigentlich erstaunlich, dass den verantwortungsvollen Frauen das Stimm- und Wahlrecht auf Bundesebene erst im Jahr 1971 zugesprochen wurde!
Eine kurze Reise in die Vergangenheit des Chörlis «Heimatglüt» Grund
1925: Schon von Anfang an verstand sich das Chörli als eigentlicher Kulturveranstalter und Forum für die Weiterbildung. Radio und Fernsehen gab es damals noch nicht und neben dem «Anzeiger von Saanen» kaum Zeitungen. Eine starke Persönlichkeit und treibende Kraft war Alfred von Grünigen. Abstinenz, körperliche Ertüchtigung und Bildung des Geistes waren für ihn Lebensideale, welche er nicht nur vorlebte, sondern auch in seiner langjährigen Tätigkeit als Grundschulmeister und Chörlidirigent (1922 – 1964) seinen Mitmenschen vermitteln wollte. So hatten lange Jahre Vortragsabende, das Maifest, Theaterspielen und periodische Auftritte mit anderen Chören einen festen Platz im Jahresprogramm.
1928: An einer Silvesterfeier wetterte Alfred von Grünigen gegen die Eitelkeit. Ihm schien die Entwicklung Gstaads zu einem Kurort eine Gefahr zu sein, so stellte er die Frage: «Habt ihr schon gefärbte Lippen gesehen? Wenn man so nahe bei Gstaad wohnt, ist dazu Gelegenheit. So weit ist aber der schlechte Geschmack bei euch noch nicht gediehen, dass es auch das hochmütigste Mädchen hier im Zimmer gelüsten würde, die ekelhafteste aller Modetorheiten nachzuahmen.»
Auch scheinen die Meinungen über die Gründung eines Chörlis geteilt gewesen zu sein. Während eine besorgte Mutter klagte: «E sones Singe weri de junge Lüte nume e Stäcke i d Hand gä zum Karisieren.»
Und noch etwas! Die Bäuert Grund hat die geografische Zusatzbezeichnung «bei Gstaad». Das dürfte für «Furthaarige» aus dem Unterland wertvoll sein, um sich örtlich zurechtfinden zu können. Aber für Saanerinnen und Saaner bräuchte es diesen Vermerk nicht. Dies sei falsch, erklärten einheimische Grunder. Noch bis in die 1940er-Jahre waren die Gstaader für die Grunder «Furthaarige».
Im Wesen der Musik liegt es, Freude zu bereiten (Aristoteles)
Nach der pandemiebedingten Zwangspause boten die Sängerinnen und Sänger des Chörlis «Heimatglüt» unter der Leitung von Deborah Reber ein abwechslungsreiches Programm. Das Zitat des griechischen Universalgelehrten Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) ist akkurat zutreffend für das Gebotene. Das Liederrepertoire des Gemischten Chors ist reich an Titeln und Melodien in Schweizer Mundart, allen vier Landessprachen und gar in Englisch. Dank dem Fleiss und der Ausdauer der Dirigentin sowie allen Sängerinnen und Sängern darf sich das Konzertpublikum an immer neuen Liedern und Chorstücken erfreuen. Besonders eindrucksvoll und wohlklingend ist die musikalische Satztechnik, die auf die Beteiligung der vier menschlichen Stimmlagen (Sopran, Alt, Tenor und Bass) abzielt. Die Dirigentin versteht es meisterlich, den vierstimmigen Satz in ein harmonisches, interessantes Gesamtklangbild zu formen.
Dirigieren: Im Prinzip gibt es zwei Grundregeln, die für jeden Dirigenten gelten. Mit der rechten Hand wird der Takt vorgegeben, während mit der linken Hand die Emotionen und Ausdrucksstärke der Musiker gelenkt wird. Die Dirigentin koordiniert mit ihren Handbewegungen Beginn und Ende des Stücks, sorgt für das Einhalten des Takts und beeinflusst fortlaufend die musikalische Gestaltung. Deborah Reber leitet ihren Chor mit viel Gefühl. Der Funke ihrer Freude springt über zu den Singenden und von dort aufs Publikum. Die Kirche ist erfüllt von märchenhafter Glückseligkeit. Die Sängerinnen und Sänger des Chörlis «Heimatglüt» sangen stets mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht.
Vorstellbar, dass manche Konzertbesucherin, mancher Konzertbesucher mit einem zufriedenen Lächeln nach Hause spazierten.
DEBORAH REBER, DIRIGENTIN
«Musik wurde mir quasi in die Wiege gelegt. Für meine Eltern war Musik sehr wichtig. Ich erlebte die ganze Palette; von der klassischen Musik, der Oper bis hin zu Rock und Pop. Im Lehrerseminar entdeckte ich die Freude am Singen und später am Dirigieren.
Als Nachfolgerin von Martin Stähli, der das Chörli während 33 Jahren leitete, hatte ich schon einen gewissen Bammel, in seine grossen Fussstapfen zu treten. Dank seiner Loyalität und Unterstützung verflog diese Angst im Nu. Auch das Chörli akzeptierte mich umgehend – ich bin sehr glücklich darüber.
Die Herausforderung, einen gemischten Chor leiten und vorwärts zu bringen, liegt u.a. darin, Lieder auszuwählen, die zum Chörli passen und die auch wirklich vierstimmig gesungen werden können. Zudem hat man das Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern, in der Regel mehr Frauen. Die Challenge liegt im Finden der Balance, aus Einzelstimmen einen Chor zu bilden.
In der Mehrstimmigkeit geht es darum, dass man aufeinander hört, dass man merkt, wer wann welchen Einsatz hat. Die Gefahr besteht auch darin, dass sich die Stimmen davonlaufen. Der Sopran hat häufig die Melodiestimme. Diese lernt man am schnellsten, deshalb sind sie manchmal etwas schneller im Tempo.
Die Musikkenner hören diese Unstimmigkeit in jedem Fall. Sollten solche auftreten, sind die Sängerinnen und Sänger in der Regel kritikfähig, sofern man im richtigen Ton kritisiert. C'est le ton qui fait la musique! Schlussendlich wollen wir ein schönes Resultat, eines, hinter dem wir stehen und sagen können, das sind wir, das ist unser Chor, das macht uns aus! Dirigieren eines Chors ist mit viel Freude verbunden. Mir ist wichtig, dass diese Freude auf meine Sängerinnen und Sänger überspringt. Im Chörli herrscht ein guter Geist, die zwischenmenschlichen Beziehungen funktionieren.»
EUGEN DORNBIERER-HAUSWIRTH
DANIEL WELTEN, PRÄSIDENT
Monika Steiner war von 1998 bis 2020 Präsidentin des Chörlis. Sie war eine ausserordentlich engagierte und charismatische Präsidentin. Als ihr Nachfolger schätze ich, was sie geleistet hat. Weil ich schon 30 Jahre Mitglied des Chörlis bin, weiss ich wie der «Karren» läuft. Ich bringe ein, was meinen Möglichkeiten, meinem Potenzial entspricht. Weil der Vorstand sehr initiativ ist, lasten nicht alle Aktivitäten auf meinen Schultern. Ich werde Teil eines Teams sein.
Musik wurde auch mir, so wie bei Deborah, in die Wiege gelegt. Mein Vater war Gründer des Jodlerklubs Gstaad (Bärgfriede). In der Familie wurde viel musiziert. Ich juchzte viel, war Vorjutzer in einem Jodlerklub. Das ist nicht nur anspruchsvoll, sondern man sollte auch nicht ausfallen. Als Frischverheirateter sang ich im Turbachchörli. Ich musste mich für Jodel oder Singen im Chor entscheiden.
In einem Chörli, das den 100. Geburtstag feiern darf, steckt viel Erfahrung und viel Wissen. Ein 100. Geburtstag ist etwas ganz Besonderes, in der heutigen Zeit gar ein Privileg. Mein Anliegen ist, dafür zu sorgen, dass dieser Chor seine Ursprünglichkeit behält – die Gemeinschaft erhalten bleibt.
Die Kontakte mit Partnervereinen wie Darmstadt (Grossstadt im Süden Hessens) oder Einigen (Ortsteil der Gemeinde Spiez) möchte ich behalten, obwohl es wegen der Überalterung in praktisch allen Chören stets schwieriger wird. Aber die gemachten Erfahrungen waren sehr wertvoll. Ich werde weiterhin Ausschau halten nach einem Partnerverein, weil wir im Saanenland eher weniger Möglichkeiten haben.
Wir singen in den Altersheimen und an Gottesdiensten. Wir hätten durchaus auch ein Kirchenchor werden können. Der Glaube an das Christentum bedeutet mir persönlich sehr viel. Das Grundchörli war nie ein Kirchenchor. Man sang indessen seit jeher sehr gerne in der Kirche. Das werde ich, solange sich die Mitglieder nicht dagegen auflehnen, auch weiterhin so pflegen. Als Präsident kann ich mich aber nicht einfach «dureboxe».
Meine Vorgängerin/meine Vorgänger waren im Schnitt während sechs Jahren im Amt. Solange ich mich als Präsident bestätigt fühle, kann ich mir vorstellen, an diesem Durchschnitt nichts zu verändern. Zudem ist die Lage so, dass es immer schwieriger wird, Vereinsmitgliedern einen Vorstandsitz beliebt zu machen. Die Frauen und Männer in unserem aufgestellten Chörli arbeiten bei jeder sich bietenden Gelegenheit gerne mit. Aber Mitglied des Vorstandes zu sein ist für die meisten doch eine andere Hausnummer.»
EUGEN DORNBIERER-HAUSWIRTH