Ganz gemütlich «gümmele»

  20.09.2024 Sport

Die zweite Ausgabe der Gstaad Velo Classic zog deutlich mehr Teilnehmende an. An der Idee einer genussvollen Vintage-Velo-Ausfahrt hat sich jedoch nichts geändert – im Gegenteil.

JENNY STERCHI
Am Sonntagmorgen verteilte OK-Mitglied Patrick Bauer über 50 Startnummern an Vintage-Velo-Begeisterte aus der Region und von weiter her. Über die Teilnehmenden aus der Romandie freuten sich die Veranstalter ebenso wie über die gestiegene Frauenquote im Fahrerfeld. Der wolkenlose Himmel versprach einen Bilderbuchherbsttag für dieses Velorennen, das doch eigentlich gar keines war.

Vielmehr zelebrierten die Fahrerinnen und Fahrer den Radrennsport vergangener Tage. Demnach ist die Voraussetzung für die Teilnahme an der Gstaad Velo Classic nicht etwa ein hervorragender Trainingszustand, sondern ein Rennvelo, das nicht später als 1990 gebaut sein darf. Auf die Strecke dürfen Rennvelos mit Stahl-, Aluminiumoder Carbonrahmen. Scheibenbremsen oder gar elektronische Gangschaltungen sind nicht angesagt. Schalttechnik, wie sie vor 30 und mehr Jahren eingesetzt wurde, ist gefragt an dieser Veranstaltung. Und Sattel, mit Kalbsleder bezogen.

Und so trudelten die Radsportbegeisterten und Fans der Region am Sonntagmorgen auf dem Dorfplatz in Saanen ein, dankbar für die Wolltrikots, die im Hinblick auf den Vintage-Velo-Geist durchaus erwünscht waren.

Ein sportliches Abenteuer ohne Konkurrenzdruck
Bei deutlich einstelligen Temperaturen wärmte so mancher seine schier gefrorenen Hände am offerierten Kaffee, bevor es dann ohne Startschuss, aber begleitet von wärmenden und heiteren Worten von Ex-Radrennprofi Sven Montgomery auf die Strecke ging. Das Peloton verliess Saanen in Richtung Feutersoey bis nach Gsteig. Dort genossen die mittlerweile aufgewärmten Fahrerinnen und Fahrer beste Verpflegung, bevor sie sich auf den Weg zurück nach Gstaad und weiter nach Saanenmöser machten. Hier füllte ein Dessert die Energiespeicher, um den letzten Streckenabschnitt zurück nach Saanen in Angriff nehmen zu können. Die einen waren mit dieser Streckenführung gut bedient, andere forderten sich auf den Zusatzschlaufen über das Saali, die Bergmatte und Rougemont etwas mehr heraus. Aber immer blieben sie möglichst nah beieinander, um dieses Erlebnis gemeinsam zu geniessen. Keine Zeitnahme, keine Manöver, keine halsbrecherischen Abfahrten. «Das Erlebnis des Rennvelofahrens miteinander zu teilen, ist das Schönste an dieser Veranstaltung», schwärmte Luca Cairoli, ebenfalls ein ehemaliger Radrennprofi, der für diese Ausfahrt extra aus Thun angereist war.

Von der Strecke direkt ins gesellige Finale
Und so kamen die Fahrerinnen und Fahrer am Nachmittag ins Ziel nach Saanen zurück, wo Käsekuchen, Livemusik und die Prämierung der originellsten Ausrüstung auf sie warteten.

Petra Müller aus Saanen war schon im letzten Jahr bei der Premiere der Gstaad Velo Classic dabei. Zuvor hatte sie sich sogar auf die Strecke des «Bergkönig»-Rennens gewagt. Vergnügt stand sie am Sonntagmorgen, umringt von ihren Kollegen des Allegro-Teams, auf dem Dorfplatz in Saanen. Nicht weniger begeistert begegnete sie uns nach ihrer Zielankunft. Eine bessere Interviewpartnerin hätten wir nicht finden können (siehe Seite 9).


Fünf Fragen an Petra Müller

INTERVIEW: JENNY STERCHI

Petra Müller, zwei Ausgaben der Gstaad Velo Classic und an beiden sind Sie dabei. Ist das Rennvelofahren ihre Leidenschaft?

Nein, eigentlich überhaupt nicht. Durch das Jahr fahre ich immer mal

mit dem Velo von Saanen nach Gstaad und wieder zurück. Das ist dann aber auch schon alles. Ich bin also keineswegs jedes Wochenende auf dem Rennvelo unterwegs.

Und dann muten Sie sich ohne Training so eine Strecke zu?

Es geht ja um nichts, oder besser gesagt, um etwas anderes als bei den üblichen Radrennen. Keiner in diesem Feld hier hatte heute Ambitionen, der oder die Schnellste zu sein. Viel wichtiger war es, miteinander unterwegs zu sein. Ehrlich gesagt, bin ich jedes Jahr kurz vor dem Rennen immer fest entschlossen, mir das im nächsten Jahr nicht wieder anzutun. Aber dann, wenn man die Strecke gemeinsam zurücklegt, ins Ziel rollt und dann auch noch so ein Wetterglück hat, ist der Plan fürs nächste Jahr schon wieder gefasst.

Haben Sie am Montag danach nicht jeweils schrecklichen Muskelkater?

Nein, gar nicht.

Genussreiche Ausfahrt hin oder her – Anstiege gibt es doch immer mal wieder. Wie motivieren Sie sich, hinaufzufahren und nicht vorher abzusteigen, um zu schieben oder ganz und gar umzukehren?

Also in diesem Jahr wollte ich aus einem einzigen Grund unbedingt hinauf nach Saanenmöser fahren. Und das ist die «Brennti Creme», die dort serviert wird. Ein Traum und jede Anstrengung wert.

Sie sind Teil des Allegro-Teams. Wie kam es dazu?

Das Allegro-Team war so eine Idee, die sich während des «Bergkönig»-Rennens entwickelt hatte. Und jetzt treffen wir uns halt an der Gstaad Velo Classic, stilecht mit Allegro-Velos, die zwischen 1972 und 1981 gebaut wurden. Sie haben quasi ein ähnliches Baujahr wie ich. Vielleicht ist es das, was es mir so sympathisch macht.

Und sogar in original Allegro-Wolltrikots?

Die sind nicht so richtig original. Die haben wir für unser Team extra machen lassen, aber natürlich nach Vorlage der Originale.


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