Die Spurensuche einer Tochter nach dem rätselhaften Verhalten der Mutter
22.10.2024 KulturDie Veranstaltung der Autor:innen-Lesungen Literarischer Herbst hat eine Schriftstellerin eingeladen, die mit dem literarischen Betrieb bestens vertraut ist, ist sie doch seit Jahren als Lektorin und als Herausgeberin einer südtirolischen Literaturzeitschrift tätig. Nun hat sie erstmals die Seite gewechselt und präsentiert ihren Debutroman «Mutternichts».
Die Autorin
Christiane Vescoli stammt aus dem Südtirol (Bozen) und ist Mutter zweier erwachsener Söhne. 1969 geboren, studierte sie Germanistik und Kunstgeschichte in Wien und promovierte mit einer Abschlussarbeit zu Robert Walser. Sie war Lektorin im Folio Verlag Wien und unterrichtete neun Jahre lang an Gymnasien. Seit 2009 ist sie Programmleiterin der Zeitschrift «Literatur Lana» und hat diverse Publikationen begleitet, u.a. «Was für Sätze zu Ilse Aichinger 2023». Seit diesem Jahr ist sie als Schriftstellerin unterwegs mit ihrem ersten Roman «Mutternichts».
Das Werk
Das Buch erzählt die Geschichte einer Erzählerin, die das verschwiegene, tabuisierte Leben ihrer verstorbenen Mutter enträtseln möchte, das sich in mentalen Abwesenheiten äusserte. Mittels spärlicher Zeugnisse (mündlich und schriftlich) begibt sie sich auf eine Reise, die bei den Vorfahren ihrer Mutter beginnt, und vermutet respektive macht ein Leben der Entbehrungen, der Armut und des Überlebenswillens sichtbar. Armut ist die Ursache eines Lebensgefühls des Überflüssigseins, das mehrere Generationen von starken Frauen zu überwinden suchen, das aber auch immer wieder an ihrem Selbstbewusstsein nagt – eine Erkenntnis, der die Erzählerin allmählich auf die Spur kommt. Letztere macht auch ab und zu deutlich, dass sie bei gewissen Personen oder Ereignissen keine Anhaltspunkte oder Belege hat und auf ihren eigenen Vermutungen sitzen bleibt.
Stimmen zum Buch
«Im ersten Teil des Buches versucht die Erzählerin mit zahlreichen Metaphern, das punktuelle Abtauchen der Mutter in ein Nichts, in einen apathischen Zustand, das von ihr Verborgene und Verschwiegene zu erklären und einzufangen.»
(Maika und Laura)
«Interessant sind die Kindheit und die Vergangenheit der Mutter, die schmerzhaften Erfahrungen, die das Buch zu rekonstruieren sucht. Dabei erfährt man nicht nur einiges über die Familiengeschichte, sondern vor allem über die damaligen Probleme der armen Bauernfamilie, wie zum Beispiel die Tatsache, dass diese nach dem Tod des Vaters die vielen Kinder weggeben musste – die Mutter der Protagonistin war nur vier Jahre alt.»
(Svenja)
«Es ist spannend, in die Welt der Vorfahren einzutauchen, da sie damals ganz anders gelebt haben und sich anderen Problemen stellen mussten als wir heute, wie zum Beispiel der Härte gewisser Gutsbesitzer:innen im Umgang mit Kindern aus anderen Familien, die quasi in sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten mussten.»
(Sandrine)
«Der Text gibt zeitweise eine düstere und bedrückende Atmosphäre wieder, gewisse Leitmotive der Selbstfindung/ -distanzierung tauchen immer wieder auf (z.B. das Gefühl der Minderwertigkeit).»
(Larina und Luana)
«Mithilfe weniger Erzählungen, Fotos, Zeitungsausschnitten und etwas Fantasie, macht sich die Protagonistin auf die Suche nach der Wahrheit (bzw. Spekulation) über die Vergangenheit ihrer Mutter (z.B. ihr Leben als Dirne). Gleichzeitig stellt dies auch eine Schwierigkeit in diesem Buch dar, die Erzählerin macht manchmal explizit, manchmal gar nicht klar, was nun auf echter Recherche basiert und was sie sich hinzudenken möchte oder musste.» (Anna, Lia, Cedric und Joel)
DIE KLASSE 27S/URSULA MOULIN



