Der Apotheker und die bittere Pille
20.02.2025 GstaadIm Dezember 2022 wurde die Gstaaderhof Pharmacy während sieben Monaten vom Kanton geschlossen. Bis heute befürchtet der Inhaber Emad Sabry, dass «man» denken könnte, hinter der damaligen Schliessung stünde unethisches oder rechtlich nicht einwandfreies ...
Im Dezember 2022 wurde die Gstaaderhof Pharmacy während sieben Monaten vom Kanton geschlossen. Bis heute befürchtet der Inhaber Emad Sabry, dass «man» denken könnte, hinter der damaligen Schliessung stünde unethisches oder rechtlich nicht einwandfreies Verhalten. Jetzt will er aufklären.
KEREM S. MAURER
Emad Sabry liebt seinen Beruf. Oft ist der gebürtige Ägypter noch lange nach Geschäftsschluss in seiner Apotheke anzutreffen, und für seine Kundinnen und Kunden ist er praktisch uneingeschränkt erreichbar. Doch als ägyptischer Apotheker hat er es in der Schweiz nicht leicht, weil ihn seine Diplome hier nur als abhängiger Apotheker ausweisen. Laut der Gesundheits-, Sozial und Integrationsdirektion (GSI) ist eine Anerkennung ausländischer Diplome nur möglich, wenn zwischen der Schweiz und dem betreffenden Staat ein bilaterales Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Diplomen besteht. Doch ein solches Abkommen gibt es mit Ägypten nicht. Sabry erzählt, als er 1983 in die Schweiz kam, habe man ihm erklärt, er müsse Schweizer Staatsbürger sein, um das eidgenössische Apothekerdiplom zu erhalten. Eine Voraussetzung, die sich bei einer Einbürgerung Sabrys von selbst erfüllt hätte. Doch dafür hätte der ägyptischitalienische Doppelbürger eine der beiden Staatsbürgerschaften aufgegeben müssen. Doch dazu war Sabry nicht bereit. Und da er damals ohnehin nicht mit dem Gedanken gespielt hatte, eine eigene Apotheke zu führen, unternahm er keine weiteren Anstrengungen, das eidgenössische Apothekerdiplom zu bekommen.
Karriere im Marketing
Stattdessen begann Emad Sabry eine Karriere im Marketing einer grossen Pharmafirma. Als diese mit einer anderen Firma fusionierte, verliess er das Unternehmen und gründete mit zwei Partnern eine eigene Firma. Doch schon bald trennte sich Sabry von seinen Partnern und begann, als Springer-Apotheker bei der Firma Capitole zu arbeiten. «Als Springer wurde ich überall da eingesetzt, wo Apotheker im Angestelltenverhältnis gesucht wurden», erklärt Sabry. So kam er 2006 erstmals für drei Wochen nach Gstaad. Später dann, im Frühling 2008, wurde er erneut als Springer in Gstaad eingesetzt.
Nach acht Monaten in Gstaad sei Sabry von einem Kunden angesprochen worden, der wollte, dass Sabry in Gstaad bleibe und sich weiterhin als Apotheker um seine Familie kümmere. «Um seinen Willen zu unterstreichen, hatte der Kunde die Gstaaderhof Apotheke der Firma Capitole abgekauft. Seit dem 1. Februar 2010 bin ich offiziell der Inhaber dieser Apotheke», sagt Sabry. Doch diese durfte er nicht selbstverantwortlich führen. Dazu noch einmal die GSI: «Zum Führen einer Apotheke ist eine verantwortliche Fachperson erforderlich, die als Apothekerin oder Apotheker über eine Berufsausübungsbewilligung des Kantons Bern verfügt.» Doch wie zuvor erläutert, erfüllt Emad Sabry die Voraussetzung für diese Bewilligung bis heute nicht. Folglich ist Sabry seitdem auf die Anwesenheit eines verantwortlichen Apothekers angewiesen.
Belastende Aussagen?
«Ich hatte zu Beginn immer einige entsprechende Apotheker an der Hand und konnte problemlos arbeiten. Das Geschäft lief gut», sagt Sabry. Auch das Kantonsapothekeramt (Kapa) habe ihn akzeptiert und ihm jährlich eine sogenannte Stellvertreterbewilligung ausgestellt. Diese erlaubte es ihm, an vorgängig dem Kapa gemeldeten Einzeltagen sowie während Ferien- und Krankheitsabwesenheiten des verantwortlichen Apothekers, die Apotheke stellvertretend alleine zu führen. «Das lief so lange gut, bis ich im Jahr 2013 infolge einer Krankheit einige Tage zu Hause bleiben musste», erinnert sich Sabry. Seine Kunden hätten während dieser Zeit dauernd nach ihm verlangt und nicht mit der damaligen verantwortlichen Apothekerin gesprochen, was diese – nach Sabrys eigener Aussage – gekränkt habe. Als die Apothekerin das Arbeitsverhältnis auflöste, habe sie gemäss Sabry beim Kapa vorgesprochen, worauf er keine Stellvertreterbewilligungen mehr bekam. Nun befürchtet Sabry, durch die Aussagen jener Apothekerin beim Kapa «in irgendeiner Weise» belastet worden zu sein. Die betreffende Apothekerin will ihren Namen an dieser Stelle nicht lesen und weist auf Anfrage sämtliche Vorwürfe zurück.
Laut einem der Redaktion vorliegenden Dokument wurde Sabry die Erteilung einer Stellvertreterbewilligung im Mai 2014 offenbar wegen fehlender FPH-Punkte verweigert (FPH Offizin ist die Fachgesellschaft im Bereich Weiterund Fortbildung in der Offizinpharmazie). «Obschon ich im Januar 2015 für einen besuchten Kongress in Davos 600 FPH-Punkte bekommen hatte, bekam ich auch 2015 und danach keine Stellvertreterbewilligung mehr», so Sabry.
Keine Auskunft zu laufendem Verfahren
Das Ausbleiben dieser Bewilligung war für Emad Sabry eine bittere Pille und stellte ihn erneut vor Probleme: Fortan musste nämlich an jedem Tag, an dem die Gstaaderhof Pharmacy geöffnet war und ist, ein Apotheker mit eidgenössischem Apothekerdiplom und einer kantonalen Berufsausübungsbewilligung anwesend sein. In der Person des heute 80-jährigen Apothekers David Banon wurde Sabry fündig, aber: «Wenn David Banon einmal nicht anwesend ist, kann mir der Kanton die Apotheke schliessen», sagt Sabry. Und genau dies sei im Dezember 2022 passiert, als Banon krank war. Allerdings sei Banon am 8. März wieder in der Apotheke gewesen. «Obschon ich dem Kapa sofort mitgeteilt hatte, dass mein Apotheker wieder da ist, dauerte es vier Monate, bis ich mein Geschäft wieder öffnen durfte», ärgert sich Sabry. In diesen sieben Monaten habe er einen siebenstelligen Betrag verloren. Emad Sabry ist bis heute davon überzeugt, Opfer einer Verleumdung geworden zu sein und beteuert, nichts Falsches oder Unethisches getan zu haben. Er versichert, dass ihm die Apotheke nicht geschlossen wurde, weil er rechtlich nicht einwandfrei gearbeitet habe. Das Kapa verweist auf Anfrage auf ein aktuell laufendes Verfahren im Zusammenhang mit Emad Sabry und erteilt deswegen keine Auskunft.
Im Moment darf Emad Sabry seine Gstaaderhof Pharmacy wieder geöffnet haben – solange David Banon anwesend ist.
ZUR PERSON
Der heute 65-jährige Emad Sabry liess sich in Alexandrien (Ägypten) zum Apotheker ausbilden. Aus familiären Gründen wurde er zwei Jahre früher eingeschult als seine Mitschüler. Als er 15 Jahre alt war, sprach er neben seiner ägyptischen Muttersprache bereits Englisch und Französisch und lernte Deutsch. Als er mit 21 Jahren das Universitätsstudium abgeschlossen hatte, war er Ägyptens jüngster Apotheker. An einem Studentenkongress in Lausanne lernte er seine Frau kennen, die er 1983 heiratete. «Als koptischer Christ war man im damaligen Ägypten ein Mensch zweiter Klasse, ohne Karrierechancen», sagt Sabry. Zudem wollte er in einem Land eine Familie gründen, in dem es «diese islamische Mentalität» nicht gab. So kam er mit seiner Frau, einer gebürtigen Italienerin, in die Schweiz.
KMA