Saaner stimmen über Zukunft des Tourismusgebiets Saanenmöser-Schönried ab
20.03.2025 PolitikAm 4. April stimmt die Gemeinde Saanen über die Überbauungsordnung Nr. 88 ab, welche das Tourismusgebiet Saanenmöser-Schönried betrifft. Im Zentrum stehen der Ausbau der Seilbahnen sowie neue Mountainbike-Trails am Horneggli und Hornberg. Die Abstimmung umfasst zudem die ...
Am 4. April stimmt die Gemeinde Saanen über die Überbauungsordnung Nr. 88 ab, welche das Tourismusgebiet Saanenmöser-Schönried betrifft. Im Zentrum stehen der Ausbau der Seilbahnen sowie neue Mountainbike-Trails am Horneggli und Hornberg. Die Abstimmung umfasst zudem die Änderung des Zonenplans und des Baureglements. Worum geht es bei diesem Geschäft? Wir haben nachgefragt.
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Worum geht es bei dieser Abstimmung?
Die Gemeindeversammlung entscheidet am 4. April unter anderem über die Überbauungsordnung Nr. 88, die das Gebiet Saanenmöser-Schönried als «Tourismusgebiet» neu definiert. Bisher war es als «Schneesportgebiet» klassifiziert. Mit der neuen Regelung solle der ganzjährige Tourismus gefördert werden, hiess es in der Erläuterung zur Gemeindeversammlung. Die Kernpunkte der Abstimmung lauten:
• der Ersatz des alten Sessellifts Horneggli durch eine neue Gondelbahn von Schönried über das Horneggli bis auf den Hornberg
• die Verlegung und Erneuerung der Sesselbahn Saanenwald–Hornfluh (die Sesselbahn bei der Mittelstation der heutigen Saanerslochbahn)
• der Bau einer neuen Sesselbahn Gfell–Hornfluh
• der Rückbau der veralteten Skilifte Hornfluh und Lätzgüetli, die nicht mehr benötigt werden
• neue Mountainbike-Trails für den Sommer
• die Optimierung der Parkplatzsituation an der Talstation Schönried
Zusätzlich wird über die Änderung des Zonenplans abgestimmt, damit die geplanten Anlagen baurechtlich zulässig sind.
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Welche Parteien sind federführend bei diesem Traktandum?
Federführend in diesem Projekt sind die Bergbahnen Destination Gstaad AG (BDG) und Gstaad Saanenland Tourismus (GST). Sobald das Volk die Überbauungsordnung genehmigt hat, startet die BDG mit dem Plangenehmigungsverfahren beim Bund für die Bahnanlagen und GST reicht das Baugesuch beim Kanton ein für die Mountainbike-Trails.
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Warum braucht es die Erneuerungen der Bergbahninfrastruktur?
Das Schneesportgebiet Saanenmöser-Schönried zählt für den Tourismus und auch für die Bergbahnen zu den wichtigsten Tourismusgebieten der Region. Doch die Transportanlagen sind stark veraltet. «Die zwei Dreier-Sesselbahnen stammen aus dem 1984 und 1986, einige Komponenten und die Teile für die Steuerung sind nicht mehr verfügbar», erklärt der BDG-Geschäftsführer. Laut In-Albon sind für viele Teile keine Ersatzteile mehr verfügbar, diesen Winter fand das Unternehmen bei der alten stillgelegten Rellerli-Bahn noch Steuerungsersatzteile, die aus dem 1981 stammen. «Bei einem Defekt, bei dem es keine Ersatzteile mehr gibt beziehungsweise wir keine finden können, steht die Bahn still», betont In-Albon nachdrücklich. Ein Ersatz dieser Bahnen sei deshalb dringend notwendig. Es sei ein Wunder, dass die Bahn mit solch alten Teilen noch laufe. «Ich glaube, es gibt wohl in den Haushalten nicht viele EDV-Anlagen aus 1984, die immer noch einwandfrei laufen, oder haben Sie davon Kenntnis?», fragt er rhetorisch und mit einem Schmunzeln.
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Wann könnte mit dem Bau begonnen werden?
Wie bei der Frage 2 bereits erwähnt: Sobald der Bund die Plangenehmigung für die Bergbahnen beziehungsweise der Kanton die Baubewilligung für die Biketrails erteilen. Laut Matthias In-Albon will die BDG nach einem Ja an der Gemeindeversammlung im Frühsommer das Plangenehmigungsverfahren einreichen, dieses dauere rund neun Monate. «Wir hoffen, dass wir 2026 mit den Bauarbeiten starten können, damit die Gondelbahn Horneggli-Hornberg im Dezember 2027 in Betrieb geht», erklärt In-Albon. 2026 werde der Sommerbetrieb mit der bestehenden Bahn noch laufen, 2027 gebe es aufgrund der Bauarbeiten keinen Sommerbetrieb.
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Wie steht es um die Finanzierung?
Die Saaner Gemeindeversammlung hat 2022 einen Investitionsbeitrag von 40 Prozent zugesichert, was maximal 36 Millionen Franken entspricht. Hinzu kommen 2,5 Millionen Franken von anderen Gemeinden (Zweisimmen, Lauenen und Gsteig). Vom Kanton Bern gibt es ein zinsfreies Darlehen von zehn Millionen Franken über 25 Jahre. Der Rest wird die BDG mit Eigenmitteln und Bankdarlehen finanzieren. «Die Stimmberechtigten stimmten damals mit einem Ja-Anteil von 96 Prozent dem Geschäft zu, dies überwältigt mich noch heute», sagt In-Albon.
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Was bedeutet das Projekt für den Sommertourismus?
Neben den Erneuerungen im Wintertourismus sollen auch neue Angebote für den Sommer geschaffen werden. Gstaad Saanenland Tourismus plant neue Mountainbike-Trails im Gebiet Horneggli-Hornberg. Ziel sei es, das Gebiet auch im Sommer attraktiver zu machen und damit eine nachhaltigere Nutzung zu ermöglichen, so die Geschäftserläuterung.
Auf Anfrage sagt Flurin Riedi, Tourismusdirektor und CEO von Gstaad Saanenland Tourismus (GST): «Die touristische Entwicklung dieses Perimeters mit einem Fokus auf den Sommertourismus entspricht unserer langfristigen Tourismusstrategie.» GST treibe das Thema Mountainbike-Trails in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde Saanen voran. Die Trails sollen so konzipiert werden, dass sie sowohl mit als auch ohne die Bergbahnen genutzt werden können, da heute auch viele E-Bike-Fahrende unterwegs seien.«So profitieren wir und die Bergbahnen von einem gegenseitigen positiven Effekt», so Riedi.
Bei der Ausarbeitung der Biketrails sei die Abstimmung mit dem Wanderangebot ein zentraler Punkt gewesen. «Es ist entscheidend, dass sich Biker:innen und Wandernde den Erlebnisraum teilen können, ohne dass es zu Konflikten kommt», betont Riedi. «Mit der Bewilligung der Überbauungsordnung können wir einen wichtigen Meilenstein setzen.»
Mountainbike-Trails seien im Kanton Bern lange vernachlässigt worden, während andere Kantone wie Graubünden oder das Wallis schon früh auf den Ausbau gesetzt hätten. Dank der Initiative «BeBike», bei der GST massgeblich mitgewirkt habe, sei vieles in Bewegung gekommen.
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Gibt es Einsprachen gegen das Projekt?
Während der öffentlichen Auflage der Überbauungsordnung wurden acht Einsprachen und eine Rechtsverwahrung eingereicht. Laut Geschäftserläuterung wird der Gemeinderat an der Gemeindeversammlung über den aktuellen Stand der Einspracheverhandlungen informieren. Matthias In-Albon zeigt sich zuversichtlich, dass mit den Einsprechenden Lösungen gefunden werden können. «Viele Punkte aus den Einsprachen konnten bereits bereinigt werden und wurden in Rechtsverwahrungen umgewandelt oder zurückgezogen. Bei keiner der Einsprachen handelt es sich um eine grundlegende Opposition gegen das Projekt», so In-Albon.
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Was würde ein Ja bzw. ein Nein an der Gemeindeversammlung bedeuten?
In-Albon erläutert: Die Stimmbürger:innen haben vor drei Jahren ihre klare Zustimmung für das Generationenprojekt und dessen Mitfinanzierung ausgesprochen. In der Folge nahmen BDG und GST diesen Auftrag entgegen, das Projekt auszuarbeiten. Am 4. April erhalten die Stimmberechtigten nun die Möglichkeit, die raumplanerischen Voraussetzungen zu genehmigen. «Diese Abstimmung ist die logische Folge der ersten Abstimmung von 2022: Zuerst wurden die Gelder gesprochen, nun steht die Raumplanung zum Projekt zur Genehmigung bereit und nächstens folgt die konkrete Plangenehmigung für das Projekt.» Für alle Beteiligten ist ein Ja deshalb von grosser Bedeutung. Zudem eilt die Zeit – wie bereits erwähnt – bei der Hornegglibahn. «Es ist fünf nach zwölf – ohne diese Erneuerungen stehen wir bald ohne funktionierende Transportanlagen da», betont In-Albon. Ein Nein würde somit die Betriebssicherheit der Bahn gefährden und fünf Jahre Planung über Bord werfen.
Bis zum heutigen Zeitpunkt kämpfte die BDG zudem mit langwierigen Genehmigungsverfahren. Ressourcenengpässe bei Behörden und Uneinigkeiten zwischen Bund und Kanton verzögerten den Planungsprozess um zwei Jahre (wir haben berichtet). Mit diesem Projekt und der entsprechenden Überbauungsordnung nun vor das Volk treten zu können, löst grosse Freude und auch Erleichterung bei der BDG aus, wie im Gespräch zu spüren ist. «Ein Ja zum Traktandum ist ein entscheidender Schritt, damit wir dieses Projekt vorantreiben können», so In-Albon.
WAS IST EIGENTLICH EINE ÜBERBAUUNGSORDNUNG?
Eine Überbauungsordnung ist ein Planungsinstrument, mit dem eine Gemeinde festlegt, wie ein bestimmtes Gebiet bebaut und genutzt werden darf. Während das allgemeine Baureglement für das gesamte Gemeindegebiet gilt, konzentriert sich eine Überbauungsordnung auf ein klar definiertes Areal. Sie enthält detaillierte Vorgaben, zum Beispiel: Welche Gebäude sind erlaubt? Wofür darf das Land genutzt werden?
Im Fall des Tourismusgebiets Saanenmöser-Schönried geht es um die touristische Infrastruktur: Wo verlaufen die Seilbahnen? Wo führen die Mountainbike-Trails entlang? Wo befinden sich die Einstiegsportale?
Damit die Überbauungsordnung in Kraft treten kann, muss sie von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern genehmigt werden. «Die Zustimmung der Gemeinde ist essenziell, denn ohne raumplanerische Voraussetzung (Ueo) können wir kein Plangenehmigungsverfahren beim Bund beziehungsweise Baubewilligungsverfahren beim Kanton einreichen», erklärt Matthias In-Albon, Geschäftsführer der Bergbahnen Destination Gstaad AG (BDG).
Das Plangenehmigungsverfahren ist ein behördliches Prüfverfahren für Bauprojekte, die Verkehrsinfrastrukturen betreffen – in diesem Fall die Seilbahnen. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) oder eine andere zuständige Bundesbehörde überprüft dabei, ob das Projekt den technischen Vorschriften entspricht, die Rechte der Betroffenen berücksichtigt und die gesetzlichen Vorgaben zu Raumplanung, Umwelt- und Heimatschutz einhält. Erhält die BDG die Plangenehmigung, können Bagger und Kräne auffahren: Dann wird gebaut.
JOP