Raubzug für die Gerechtigkeit: Schülerinnen des Gymnasiums interpretieren Schillers «Die Räuber» neu
07.04.2025 KulturUnter der Regie von Matthias Rüttimann wagten die Schülerinnen des Gymnasiums Interlaken-Gstaad ein mutiges Experiment: Sie inszenierten Martina Clavadetschers «This is a Robbery», eine moderne und radikale Adaption von Schillers «Die Räuber». Das Ergebnis ist eine energiegeladene und feministisch angehauchte Aufführung, die das Publikum mit der Frage zurücklässt: «Sind wir am Ende, oder ist das erst der Anfang?»
CLAUDIA HEINE
Das Stück erzählt die Geschichte von sieben jungen Frauen, angeführt von der Milliardärstochter Ka Moor, die genug davon hat, dass einige im Überfluss leben, während andere leer ausgehen. Entschlossen, den Reichtum umzuverteilen, schliessen sie sich zu einer Räuberbande zusammen. Ihre Schwester Franny hingegen verteidigt das bestehende System. Eine Videosequenz mit einem Interview von Marlene Engelhorn zeigt aktuelle Parallelen. Ein Zitat aus dem Flyer des Theaterstücks fasst die Botschaft der Räuberinnen zusammen: «Wir schwören, frei zu sein, was wir sein wollen. Wir schwören, Räuberinnen zu sein, mit Fäusten und Worten und Waffen, mutig wie ein Pflug voranzugehen, der Gesellschaft eine Schneise zu schlagen, damit sie endlich einen Weg findet.»
Bruch mit traditionellen Rollenbildern
Die Inszenierung bricht mit traditionellen Rollenbildern. Die jungen Frauen tanzen, spielen und stellen unbequeme Fragen: Welche Mittel sind erlaubt, um eine gerechtere Welt zu schaffen? Die Bühne wird zum Schauplatz eines Kampfes für Gerechtigkeit, bei dem die Darstellerinnen mit viel Selbstvertrauen und frechem Humor ihre Talente zeigen. Zum Abschluss bringt es Christoph Däpp, Schulleiter des Gymnasiums Gstaad, auf den Punkt: «Die Welt braucht mehr Theater und mehr so starke Frauen, wie ihr es seid!»
DAS THEATERSTÜCK
«This is a Robery» von Martina Clavadetscher, frei nach Friedrich Schillers «Die Räuber».
Die Darstellerinnen des Gymnasiums Interlaken/Gstaad: Melinda Brand, Ava Lovell, Axénia Timotin, Nora von Allmen, Leonie Bock, Veronika Chyhir und Melina Reist.
Leitung:
Theater: Matthias Rüttimann, Choreografie und Kostüme: Maja Brönnimann, Bühnenbild: Samuel Frutiger, Sprech- und Musikcoaching: Erika Schnidrig, Gestaltung Werbung: BG Klasse 26s, Anika Rieben.
Aufführungen:
Die vier Aufführungen fanden in Interlaken und Gstaad statt.
CLAUDIA HEINE
Vier Fragen an Matthias Rüttimann Matthias Rüttimann ist Regisseur, Performer und leitet die Theatergruppe des Gymnasiums Interlaken/Gstaad.
INTERVIEW: CLAUDIA HEINE
Wie kam die Idee zu diesem Stück?
Vermehrt interessieren sich junge Frauen für das Wahlfach Theater. Daher suchte ich nach einem Stück, das für eine solche Gruppe passt. Ich bin auf Martina Clavadetschers Bühnenstück gestossen, eine Schweizer Autorin, die Schillers «Die Räuber» mit weiblicher Ausprägung neu geschrieben hat. Ich fand es super, besonders weil ich dieses Jahr sieben junge Frauen auf der Bühne habe. Wir haben den Text angepasst und gekürzt. Es hat sich herauskristallisiert, dass dieses Stück prädestiniert für unsere Theatergruppe ist, weil es starke Rollen für diese jungen Frauen bietet. Sie können sich mit den Räuberinnen identifizieren und haben gelernt, mit Kraft, Selbstverständnis und Selbstbewusstsein zu spielen. Das ist ein gutes Training.
Wie kann man sich die Proben vorstellen?
Das Fakultativfach Theater beginnt mit dem neuen Schuljahr. Wir proben normalerweise mittwochs, da das Gymnasium Interlaken eine Vier-Tage-Woche hat. Der Mittwoch ist eigentlich für das Selbststudium oder spezielle Anlässe reserviert, und das Theater ist so ein Anlass. Wir proben nicht jeden Mittwoch, sondern konzentriert alle zwei, drei Wochen in Interlaken. Die Hälfte der Darstellerinnen kommt aus Interlaken, die andere Hälfte aus Gstaad.
Gibt es etwas Besonderes zum Bühnenbild zu erzählen?
Wir haben dieses Jahr ein spezielles Bühnenbild, da die Turnhalle in Interlaken umgebaut wird. Wir nutzen die vorhandenen Matratzen und Schwedenkästen als Bühnenbild. Das passt, weil unsere Räuberinnen sehr physisch unterwegs sind. Ausserdem arbeitet die Choreografin Maja Brönnimann mit uns, um alles sehr tänzerisch und bewegungsbasiert zu gestalten.
Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Parallelen zur jetzigen Zeit von diesem neuinterpretierten Literaturklassiker von Schiller?
Die Grundforderung nach einer gerechteren Verteilung auf der Welt ist weiterhin aktuell. Gerechtigkeit ist ein zentrales Wort in diesem Stück. Martina Clavadetscher fragt, ob es andere Modelle als Revolution und Gewalt gibt. Wenn Frauen sich dieser Frage stellen, würden sie dann die gleichen Modelle wählen? Erreichen wir mit Kultur und Theater etwas, um die Welt zu verbessern? Das ist die grosse philosophische Frage.




