Victoria Principal und das «cineastische» Badezimmer

  28.01.2020 Gstaad

Hoteldirektor Andrea Scherz plaudert aus dem Palace-Nähkästchen und erzählt im Interview von der alljährlichen Zimmerrenovation, von früheren Zeiten, über einen sehr illustren Gast und von fehlenden Matratzen kurz vor der Eröffnung.

MARTIN GURTNER-DUPERREX

Herr Scherz, wie haben die Zimmer ihres Hotels vor 100 Jahren ausgesehen?
Vor 100 Jahren war natürlich alles etwas anders. Unsere Zimmer haben zu jener Zeit ganz einfach ausgesehen: Bett, Nachttisch, Stuhl, Schreibtisch und Schrank. Bei der Eröffnung hatte das Palace zirka 140 Zimmer, davon verfügten aber nur 90 Zimmer über ein eigenes Badezimmer. Das heisst, gut 50 Zimmer hatten einen Nachttopf im Nachttisch. Ein entsprechendes Schildchen forderte den Gast auf, das Zimmermädchen zu rufen, wenn der Nachttopf voll war. Für diese Zimmer gab es auf jedem Flur sogenannte Etagenbäder. Der Gast konnte sich auf eine Liste eintragen und die Hausdamen bereiteten das Badezimmer entsprechend vor. Warmes Wasser wurde eingelassen und Tücher vorbereitet. Natürlich wurde das Bad für den nächsten Gast wieder sauber gemacht und entsprechend vorbereitet.

Gibt es noch Zimmer oder Säle, die im Originalzustand sind?
Bedauerlicherweise ist das nicht mehr der Fall. Während der ersten Bauphase, vor über 100 Jahren, hatten die Investoren mit finanziellen Herausforderungen zu kämpfen. Deshalb musste im Innenausbau leider sehr stark gespart werden. Auch wurde auf überschwänglichen Luxus wie Stuckatur oder andere Verzierungen verzichtet. Oft wurde nur der Beton verputzt und die Holzarbeiten waren sehr einfach gehalten. Seit drei Generationen renovieren wir mit viel Liebe zum Detail das Hotel und versuchen, dem Bergambiente sowie dem Haus treu zu bleiben und ihm trotzdem mehr «Luxus» zu verpassen.

Wie oft renovieren Sie die Zimmer denn?
Wir haben seit vielen Jahren einen gewissen Turnus, der es uns ermöglicht, stets ausserhalb der Saison das nächste Renovationsprojekt in Angriff zu nehmen. Im Schnitt werden unsere Zimmer alle zwölf Jahre komplett renoviert. Meistens renovieren wir denselben Zimmertyp auf allen Stockwerken, was durchaus rationaler ist und auch hilft, die Mittel effizient einzusetzen. Dabei darf man natürlich all die täglich notwendigen Einsätze unserer «artisans» nicht vergessen, die mit Feingefühl und dem nötigen Augenmerk auch auf die kleinsten Kratzer achten. Bei uns wird immer irgendetwas erneuert und aufgehübscht, es handelt sich sozusagen um unser tägliches Make-up. Wir sind sehr froh, dass wir diesen Herbst sieben unserer Junior Suiten ein neues Kleid geben konnten.

Wer ist für die Konzeption und Gestaltung der Zimmer zuständig?
Seit Jahren darf ich mich in diesem Bereich selbst kreativ verwirklichen, natürlich in sehr enger und treuer Partnerschaft mit unserer Innenarchitektin Marina Nickels. Im Stil versuchen wir stets, unsere eigenen Ansprüche an ein Luxushotel widerzuspiegeln, wobei wir der gemütlichen Seele des Hauses immer treu bleiben. Über die Jahrzehnte haben sich Farben, Stilrichtungen und Prioritäten natürlich etwas geändert, deswegen ähnelt kein Zimmer in unserem Hotel dem anderen. Das wollen wir aber auch genauso.

Hat eines der Zimmer, die Sie im letzten Herbst renovierten, eine spezielle Geschichte?
Ja, die Schauspielerin Victoria Principal, weltweit bekannt als Pamela aus der TV-Serie Dallas, liebte es, in der Junior Suite 709 zu wohnen. Die Suite hat die Besonderheit, dass das Badezimmer im Türmchen gelegen und somit ein Bad mit besonderer Aussicht garantiert ist. Nachdem Victoria Principal das erste Mal bei uns abgestiegen war, wollte sie für ihren nächsten Aufenthalt wieder das gleiche Zimmer buchen, hatte aber die Zimmernummer vergessen. So schrieb sie uns, dass sie wiederum die Suite mit dem «cineastischen» Badezimmer wolle. Wir kamen schliesslich darauf, dass sie es so nannte, weil die Infrarotheizung des Bads ein rötliches Licht verbreitete!

Wohnen Stammgäste denn immer im selben Zimmer?
Ja, in der Tat, insbesondere um die Festtagssaison, während der wir sehr viele Stammgäste bei uns begrüssen dürfen. Für diese ist nicht nur das Hotel an sich ein fester Bestandteil der jährlichen Tradition, sondern eben auch die Zimmernummer, der Ausblick, das Dekor. Selbst die Mitarbeitenden auf demselben Flur gehören zum alljährlichen Wiedersehen dazu. Der eine oder andere Gast teilt uns gerne auch entsprechende Wünsche mit, die wir versuchen, auch bestmöglich umzusetzen.

Arbeiten Sie auch mit anderen hiesigen Handwerkern zusammen?
Wir sind sehr stolz darauf, dass wir im Umland von Gstaad auf ein grosses Angebot von sehr professionellen Unternehmen zurückgreifen können, die uns bei all unseren Projekten tatkräftig unterstützen.

Achten Sie bei der Neugestaltung auf Nachhaltigkeit?
Wir versuchen, im Rahmen unserer Möglichkeit auch unseren Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Vor etlichen Jahren waren wir die Pioniere mit der LED-Beleuchtung in unseren Zimmern und dieser Tage tauschen wir bei jeder Renovation die Fenster mit Doppelverglasung mit einer Dreifachverglasung.

Ist es schon vorgekommen, dass zur Saisoneröffnung eines der umgebauten Zimmer nicht parat war?
Unser Hotel muss in jeglicher Hinsicht wie ein Schweizer Uhrwerk laufen, und das bedarf einer sehr intensiven Planung. Zumeist ist der Planungsaufwand sogar viel langfristiger angesetzt als die eigentliche Renovationsdauer. Bis heute und dank der tollen Leistung meines Teams und aller involvierten Firmen sind wir stets rechtzeitig fertig geworden. Nur einmal wurden die relativ neuen Matratzen bei einem Umbau aufgrund eines Missverständnisses entsorgt. Vier Tage vor der geplanten Eröffnung stellten wir mit Schrecken fest, dass wir für die sechs neuen Doppelzimmer keine Matratzen hatten. Unsere langjährige Partnerfirma Elite in Aubonne kam uns zur Hilfe und produzierte über das Wochenende die fehlenden Matratzen und lieferte sie in extremis am Eröffnungstag.


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