Paradies für kommende Generationen erhalten

  02.08.2019 Region

Prof. Dr. Anton Gunzinger ist ein Macher und Visionär. Er behauptet in seinem Buch «Kraftwerk Schweiz – Plädoyer für eine Energiewende mit Zukunft», der Ausstieg aus dem atomaren und fossilen Zeitalter sei in 25 Jahren zu schaffen. Der von einer Radiostation als «Trottel des Monats» bezeichnete Unternehmer hielt am letzten Montagabend in Zweisimmen einen Vortrag.

KEREM S. MAURER
Wenn am Ende eines Bollywood-Films Hauptdarstellerin und Hauptdarsteller in Liebe zusammenkommen, dürfen sie sich nicht küssen, sondern sie tanzen zusammen mit vielen anderen im Paradies. Einmal diente in einem Film, den er gesehen habe, der Titlis als paradiesischer Hintergrund, in einem anderen war es die Höhenmatte in Interlaken. Die Schweiz als Paradies? Ja, ist Prof. Dr. Anton Gunzinger überzeugt und will, dass auch seine Enkel noch in diesem Paradies leben können. Doch dazu sei schleuniges Umdenken nötig. Aufgrund ihres ökologischen Fussabdruckes verbrauche die Schweiz gemäss Global Footprint Network in Sachen Ressourcen derzeit jährlich vier Erden und das seien mindestens drei zu viel. Man müsse wegkommen von fossilen Energieträgern hin zu den neuen erneuerbaren Energien. Dem Vortragenden schwebt eine Schweiz praktisch ohne Öl, Kohle und Kernkraftwerke vor und das bereits in 25 Jahren. Gunzingers Ziele sind hochgesteckt, ehrgeizig und … politisch kaum umsetzbar. Deshalb hat er Bundesbern aus seinem Vortrag am letzten Montagabend in Zweisimmen gleich von Beginn weg ausgeklammert. Nein, mit der Politik ginge es nicht, auf diese Damen und Herren könne man weder zählen noch auf sie warten, so der ETH-Professor sinngemäss. Zu viele Interessenskonflikte behinderten auf politischer Ebene ein zielorientiertes und zügiges Vorwärtskommen. Der Unternehmer, der seine Supercomputing Systems AG an der Technoparkstrasse in Zürich angesiedelt hat, wandte sich mit seinem Vortrag, dem er den Titel «Kraftwerk Berner Oberland – Energiewende: Chance für die Bergregionen» gegeben hat, direkt an jeden und jede einzelne/n im Saal und zeigte seinen Weg in eine umweltfreundliche Zukunft auf.

Eine Zukunft, die nicht nur von Wind-, Wasser- und Solarstrom angetrieben wird, sondern in der unser Staat auch noch richtig viel Geld sparen kann und obendrein nicht mehr von Ressourcenkriegen rund ums Erdöl und deren Auswirkungen auf die Benzin- und Ölpreise abhängig ist. Selbstbestimmung durch Unabhängigkeit, so sein Credo.

«Wer heute noch Öl verbrennt, hat zuviel Geld!»
Die Simmental Arena war zwar nicht bis auf den letzten Platz gefüllt, aber Gunzingers Vortrag war sehr gut besucht. Der in Solothurn geborene ETH-Professor sprach in einem kumpelhaften Ton und – obwohl er auf der Bühne stand – auf Augenhöhe mit seinem Publikum. Klar und auch für Laien verständlich ging er auf die Themen ein: Wie heizen wir in Zukunft? Wie bewegen wir uns in Zukunft? Wieviel Strom wird benötigt? Wie wird der Strom produziert? Was kostet das Ganze? Und wie sieht die Energiezukunft der Welt aus? Gunzinger stellte nicht nur Fragen, sondern lieferte Antworten, die er mit Folien untermalte, mit Diagrammen stützte und mit Zahlen belegte. Wer ihm zuhörte, könnte auf die Idee kommen, der Ausstieg aus dem fossilen und atomaren Energiezeitalter sei lediglich eine Frage des Willens und relativ leicht zu bewerkstelligen. Schliesslich sind für Gunzinger die dafür notwendigen Technologien genauso wie die Möglichkeiten und auch das Geld dazu vorhanden.

«Wer heute noch Öl verbrennt, hat zu viel Geld!», sagte er lakonisch. Elektromobilität sei die Zukunft und diese hätte bereits begonnen, auch wenn man das in der Schweiz noch nicht flächendeckend bemerkt habe oder nicht wahrhaben wolle. Elektrisch Fahren benötige sechs- bis achtmal weniger Energie als Verbrennungsmotoren, rechnete Gunzinger vor und betonte, das Benzin käme ja auch nicht «durch die Hand Gottes in das Schweizer Tankstellennetz». Gunzinger erzählte, er habe einst gefordert, den Benzinpreis auf zehn Franken pro Liter anzusetzen, worauf er von einer lokalen Radiostation zum «Trottel des Monats» gewählt worden sei, lachte der Visionär, der seinen Vortrag mit lockeren Anekdoten spickte.

Passende Lokalität
Die Simmental Arena aus Schweizer Holz mit ihren Fotovoltaikanlagen auf dem Dach in der Energiestadt Zweisimmen war die für den Vortrag passende Lokalität. Eingeladen dazu hat der Rotary Club Gstaad-Saanenland zusammen mit der Arbeitsgruppe Energie der Gemeinde Zweisimmen. Unterstützt wurde die Veranstaltung von der Gstaader Firma solarUp.

Unter den Anwesenden begrüsste Zweisimmens Gemeinderatspräsident Ernst Hodel einleitend Nationalrat Erich von Siebenthal und Grossrätin Anne Speiser, beide SVP, die sich «beide für die lokale Energieförderung einsetzen», wie er sagte. Andreas Mösle, Präsident des Rotary Clubs Gstaad-Saanenland, wies darauf hin, dass der Rotary Club alle Jahre eine Reihe interessanter Vorträge auf dem Programm habe und dankte insbesondere Dagobert Kuster für die Idee, Prof. Dr. Anton Gunzinger eingeladen zu haben.

Am Ende der Veranstaltung überreichte der Künstler Herbert Buchs dem Vortragenden eine schwarze Kartonschachtel mit einer künstlerisch bearbeiteten Bienenwabe mit dem Titel «Take care for Bees».

 


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