Abstimmung über den Eigenmietwert
22.09.2025 PolitikAm 28. September stimmt die Schweiz über die Vorlage zu Liegenschaftssteuern auf Zweitwohnungen ab. Auch im Saanenland sorgt sie für Diskussionen. Verbunden damit ist die Abschaffung des Eigenmietwerts. Wie hoch die Steuer ausfälle für die Gemeinden wären, ...
Am 28. September stimmt die Schweiz über die Vorlage zu Liegenschaftssteuern auf Zweitwohnungen ab. Auch im Saanenland sorgt sie für Diskussionen. Verbunden damit ist die Abschaffung des Eigenmietwerts. Wie hoch die Steuer ausfälle für die Gemeinden wären, lässt sich derzeit nicht berechnen.
JONATHAN SCHOPFER
Worüber wird abgestimmt?
Am 28. September kommt mit dem «Bundesbeschluss über die kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften» eine Vorlage an die Urne, die mit der Abschaffung des Eigenmietwerts verknüpft ist. Für die Verfassungsänderung braucht es neben dem Volks- auch das Ständemehr.
Was ändert sich bei einem Ja?
Die Reform würde unter anderem folgende Änderungen bringen:
1.) Abschaffung des Eigenmietwerts: Wer eine eigene Wohnung oder ein eigenes Haus bewohnt, muss den Eigenmietwert künftig nicht mehr als Einkommen versteuern. Dies gilt sowohl für Erst- wie auch für Zweitwohnungen.
2.) Einschränkung von Steuerabzügen:
Gleichzeitig fallen verschiedene Abzugsmöglichkeiten weg oder werden reduziert – etwa Schuldzinsen oder Kosten für den Unterhalt von Liegenschaften.
3.) Möglichkeit einer Sondersteuer für Zweitwohnungen:
Kantone erhalten die Kompetenz, eine besondere Liegenschaftssteuer auf überwiegend selbst genutzte Zweitliegenschaften zu erheben. Dazu gehören insbesondere Ferienwohnungen.
Wie ist die Situation heute?
Heute muss eine Hausbesitzerin in der Steuererklärung den Eigenmietwert als Einkommen deklarieren. Davon darf sie die Hypothekarzinsen und die Unterhaltskosten abziehen. Liegen diese Abzüge über dem Eigenmietwert, spart sie Steuern. Liegt der Eigenmietwert dagegen höher, zahlt sie unter dem Strich mehr Steuern, als wenn sie kein Eigenheim hätte.
Milchbüechlirechnung:
Beispiel 1:
Eigenmietwert: 20’000
Hypothekarzinsen: 15’000
Unterhalt: 3000
= + 2000
steuerbares Einkommen von 2000 Franken
Beispiel 2:
Eigenmietwert: 20’000
Hypothekarzinsen: 25’000
Unterhalt: 5000
= – 10’000
steuerlicher Abzug von 10’000 Franken
Kommt es zu Steuerverlusten?
Das hängt vom Zinsniveau der Banken ab. Der Bund schreibt: «Die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung dürfte für Bund, Kantone und Gemeinden bei tiefem Zinsniveau zu milliardenhohen Mindereinnahmen und bei hohem Zinsniveau zu milliardenhohen Mehreinnahmen führen.»
Beim derzeitigen Hypothekarzinsniveau werden die Mindereinnahmen insgesamt auf rund 1,8 Milliarden Franken geschätzt. Davon entfallen rund 260 Millionen Franken auf Zweitliegenschaften. Die Schätzungen gelten jedoch als unsicher, da bestimmte Elemente der Reform mangels Daten nicht berechnet werden können.
Wieso sind touristische Gebiete besonders von den Steuerausfällen betroffen?
Sie haben einen hohen Anteil an Zweitliegenschaften, bei denen es sich meist um Ferienwohnungen handelt.
Die Reform sieht vor, die Besteuerung des sogenannten Eigenmietwerts für alle selbstgenutzten Liegenschaften abzuschaffen, also auch für diese Zweitwohnungen. Touristische Regionen sind von den Steuerwegfällen damit besonders betroffen, so der Bund.
«Die Eigenmietsteuer ist in jenem Kanton zu entrichten, in dem die Immobilie steht», schreibt Immoscout24.
Welche Argumente haben die Befürworter?
• Vereinfachung: Das Steuersystem wird einfacher, und der Aufwand für Steuerpflichtige und Verwaltung sinkt.
• Weniger Verschuldungsanreize: Die Reform reduziert die Anreize zur hohen privaten Verschuldung, was langfristig das Finanzsystem stärkt.
• Bei tiefem Zinsniveau wird die Mehrheit der Eigenheimbesitzenden steuerlich entlastet.
Gegenargumente
• Steuerausfälle: Bei tiefem Zinsniveau kann die Reform zu Steuermindereinnahmen führen.
• Nützt nur Eigenheimbesitzenden: Die Reform kommt primär den rund 36 % der Bevölkerung zugute, die im Eigenheim wohnen.
• Unsicherheit bei Zweitliegenschaften: Es wird bezweifelt, ob die Kantone allfällige finanzielle Einbussen durch die neue Steuer kompensieren können.
Wie beurteilen die Gemeinden im Saanenland die Lage?
Zurzeit lässt sich nicht beziffern, wie hoch die Steuerausfälle wären, falls der Bundesbeschluss angenommen wird – darin sind sich die Gemeinden Gsteig, Lauenen und Saanen einig. «Der Wegfall des Eigenmietwertes hat bei jedem Hauseigentümer unterschiedliche Auswirkungen», erklärt die Gemeinde Gsteig. Auch Lauenen und Saanen schreiben, dass die Folgen stark vom Einzelfall abhängen. Saanen verweist dabei auf Faktoren wie Eigenmietwert, Schuldzinsen und Unterhaltskosten.
Wie wollen die Gemeinden im Saanenland Mindereinnahmen ausgleichen?
Möglich wären Kürzungen in den Gemeinden oder Steuererhöhungen. «Zuerst würden wir aufwandseitig prüfen, ob Kosten reduziert werden können. Einnahmeseitig ginge es um eine Erhöhung der Steueranlagen – allgemein oder bei der Liegenschaftssteuer», so Lauenen. Ähnlich schreibt die Gemeinde Saanen: «Eine Reduktion des Aufwands, eine Erhöhung der Steueranlage oder auch die Einführung einer Zweitwohnungssteuer wären mögliche Optionen.»
WAS IST DER EIGENMIETWERT?
Der Eigenmietwert ist ein fiktives Einkommen, das Eigentümerinnen und Eigentümer für ihr selbstbewohntes Haus oder ihre Wohnung angerechnet wird und den sie versteuern müssen. Er soll Mieter und Eigentümer steuerlich gleichstellen.
Wie wird er berechnet?
Die Steuerbehörden schätzen, wie hoch die Marktmiete der Liegenschaft wäre, und setzen davon in der Regel rund 60–70 % an. Faktoren sind Lage, Grösse, Alter und Ausstattung der Immobilie. Dieser Betrag wird dem steuerbaren Einkommen zugerechnet.
JSC
Wir haben bei den Parteien und dem Gewerbeverein im Saanenland nachgefragt:
SP
In der jetzigen Zeit können wir uns Steuerausfälle von knapp zwei Milliarden nicht leisten. Es profitieren die Wohlhabenden davon, während die Mieterinnen und Mieter (die Mehrheit der Schweizerbevölkerung) nur mit höheren Einkommensteuern belastet werden.
Mit der Annahme der Vorlage dürfte der Steuerertrag in Saanen um rund einen Steuerzehntel zurückgehen, da die selbst benutzten Zweitliegenschaften keinen Eigenmietwert mehr besteuern.
Aktuell zahlen die Personen, welche nach Aufwand besteuert werden (Pauschalbesteuerte) ihre Steuern nach dem Eigenmietwert ihrer Liegenschaft. Wenn dieser wegfällt, muss hier ein neues Modell angewendet werden. Leider hat der Kanton Bern es bisher nicht geschafft, zu erklären, was für ein Modell das wäre. Es ist zu befürchten, dass diese Personengruppe sich gegen ein neues System zur Wehr setzt bis vor Bundesgericht, so dass schlimmstenfalls diese Steuererträge über mehrere Jahre nicht zur Verfügung stehen, was in Saanen zu einem massiven Steuerertragseinbruch führen könnte.
PD
GLP
Es kann nicht sein, dass Einheimische, die in ihrer eigenen Wohnung leben, mit einem fiktiven Einkommen bestraft werden und sich die Wohnung kaum mehr leisten können – neben all den weiteren Kosten.
Ob und wie der Kanton Bern eine allfällige besondere Liegenschaftssteuer umsetzen würde, ist noch offen. Die Auswirkungen lassen sich deshalb erst später beurteilen.
PD
FDP
Die FDP Saanenland empfiehlt aus liberaler Überzeugung ein Ja zur Abschaffung des Eigenmietwerts. Die Auswirkungen auf die Gemeinde Saanen sind noch unklar.
PD
SVP
Die SVP Sannen sagt grossmehrheitlich Ja zum Bundesbeschluss über die kantonalen Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften.
Die Mehrheit der anwesenden Parteimitglieder können die Argumentation vom Bundesrat und Parlament gut nachvollziehen und entschieden sich deshalb für ein Ja.
Die Auswirkung der Abstimmung auf das Saanenland ist noch schwer abzuschätzen. Den Kantonen und Gemeinden mit hoher touristischer Ausrichtung ist es gemäss Abstimmungstext selbst überlassen, geeignete Massnahmen zur Finanzierung in Orten mit hohem Zweitwohnungsanteil zu treffen. Wie und ob der Kanton Bern den Regionen mit hohem Zweitliegenschaftsanteil hilft oder entgegenkommt wird sich in Zukunft weisen.
PD
GEWERBEVEREIN SA ANENL AND
Wir haben im Saanenland ein starkes und gut ausgelastetes Bau- und Ausbaugewerbe. Im Falle eines Systemwechsels gehen wir von einem Renovations-Boom aus, welcher mit einer vernünftigen Übergangsfrist auf möglichst viele Jahre verteilt werden sollte. Aktuell sind die konkreten Auswirkungen, insbesondere für unsere Zweitwohnungsbesitzer, unklar - dieser Punkt bleibt störend und sollte bei einer Annahme rasch geklärt werden. Insgesamt muss es unser gemeinsames Ziel sein, ein attraktiver Ort für Erst- und Zweitwohnungsbesitzer mit verlässlichen Rahmenbedingungen zu bleiben. Dafür werden wir uns als Gewerbeverein gerne weiterhin einsetzen.
PD