Digital achtsam: der bewusste Umgang mit KI und Co
11.11.2025 GesellschaftLetzten Freitag lud Impact Gstaad Fachpersonen aus den Bereichen Künstliche Intelligenz und Psychologie ein. Das Thema: «Achtsamer Umgang mit der Digitalisierung». Schüler:innen lernten am Young Impact Day, wie sie sich bewusster im Internet bewegen ...
Letzten Freitag lud Impact Gstaad Fachpersonen aus den Bereichen Künstliche Intelligenz und Psychologie ein. Das Thema: «Achtsamer Umgang mit der Digitalisierung». Schüler:innen lernten am Young Impact Day, wie sie sich bewusster im Internet bewegen können.
JONATHAN SCHOPFER
War das nun wirklich Elon Musk – oder war das Video gefälscht, ein sogenanntes Deepfake? Solche und ähnliche Fragen wurden den Jugendlichen an den Workshops gestellt. «Seine Lippen haben sich komisch bewegt!», meinte eine Schülerin und schloss daraus, dass es kein echtes Video gewesen sei.
Am vergangenen Freitag organisierte die Nachhaltigkeitsinitiative Impact Gstaad im Rahmen des Young Impact Day im Kirchgemeindehaus Gstaad mehrere Workshops zum Thema digitale Achtsamkeit. Dabei lernten die Schülerinnen und Schüler der John F. Kennedy School und der Schule Gsteig, Inhalte kritisch zu hinterfragen und sich achtsam – sowohl offline als auch online – zu bewegen.
«Besonders schön war zu beobachten, wie sich Jugendliche aus verschiedenen Schulen austauschten und gemeinsam diskutierten. Genau diese Vernetzung macht Young Impact einzigartig», so Chantal Reichenbach, Projektleiterin von Young Impact.
Raum 1: Künstliche Intelligenz – was ist eigentlich «intelligent»?
Vanessa Geiss von der Organisation Netpathie, einem Non-Profit-Verein zur Förderung von Medienkompetenz und digitaler Gesundheit, begann mit einer simplen, aber grossen Frage: Was bedeutet Intelligenz?
Die Antworten waren vielfältig. Ein Schüler verglich sich gleich mit dem Rest der Klasse: «Ich bin intelligent – etwa gleich intelligent wie Albert aus der Klasse.» Andere bezeichneten ihr Handy als intelligent.
Schnell wurde klar: Auch Maschinen werden von den Jugendlichen als intelligent wahrgenommen.
Geiss, die an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) «Applied Computational Life Science» studiert und mit KI arbeitet, erklärte, dass in solchen Systemen Algorithmen arbeiten, die teilweise selbstständig Muster erkennen und Entscheidungen treffen können. Besonders fasziniert waren die Jugendlichen von ChatGPT – eine Schülerin nannte die Anwendung sogar «Mister Chat».
Geiss erläuterte, dass ChatGPT auf sogenannten Large Language Models (LLMs) basiert, die ihre Antworten Wort für Wort nach Wahrscheinlichkeiten zusammensetzen. Das Programm berechne, welches Wort am wahrscheinlichsten als Nächstes folgt – abhängig davon, mit welchen Daten es trainiert wurde, erklärte sie.
«Ich bin stolz auf mich, wenn …», schrieben die Kinder zum Test und liessen ChatGPT sowie das KI-Tool Perplexity denselben Satz ergänzen. Die Resultate unterschieden sich deutlich. «Die KI schreibt viel längere Antworten als ich», meinte eine Schülerin. «Aber das sind nicht meine Gedanken – das gefällt mir nicht.»
Raum 2: Wenn Bilder lügen – Deepfakes erkennen
Im zweiten Raum ging es um Bilder, Videos oder Audios, die täuschen. «Deepfake versucht, die Wirklichkeit künstlich abzubilden», erklärte die Workshop-Leiterin Petra Marty von Netpathie. Sie führte aus, dass aktuell mehrere hundert Bilder einer Person genügen, um ein realistisches Deepfake-Video zu erstellen.
Die Jugendlichen sahen ein gefälschtes Video von Elon Musk und lernten, woran man Manipulationen (noch) erkennen kann:
• Lippen bewegen sich asynchron zur Stimme
• Der Hintergrund wirkt verschwommen
• Bewegungen sind unnatürlich
• Gesichtszüge erscheinen detailarm
«Die Kinder erkennen gefälschte Videos oft besser als Erwachsene», so Marty.
Raum 3: Resilienz – stark bleiben, offline und online
Was bedeutet eigentlich Resilienz? Die Fähigkeit, mit Belastungen, Stress und Veränderungen so umzugehen, dass man daran nicht zerbricht, sondern wächst – erklärte die Psychologin Sina Saluz.
Resilienz, sagte sie, sei wie ein Haus, getragen von mehreren Säulen: Optimismus, Akzeptanz, Verantwortung übernehmen, lösungsorientiertes Denken, die Opferrolle verlassen und gute Netzwerke pflegen.
Im Workshop schrieben die Jugendlichen auf, worin sie stark sind und wo sie noch Potenzial sehen. Viele nannten «Akzeptanz» als Schwäche: Dinge hinzunehmen, die man nicht ändern kann, fiel ihnen schwer.
Zum Schluss fasste Saluz zusammen: «Zuerst muss ich in der Offline-Welt gut gerüstet und stark sein – dann bin ich es auch in der Online-Welt.»
Raum 4: Digitale Balance – die Mitte finden
«Folge Feeds, die dich nähren», lautete einer der Leitsätze. Die Jugendlichen sprachen über ihr Medienverhalten, das Setzen von Grenzen und den Wert echter Begegnungen.
Der Workshop wurde von Dr. Michelle Wright und Dr. Mecky McNeil von HealthFirst geleitet, einer Organisation, die sich für körperliches und mentales Wohlbefinden sowie Erste-Hilfe-Trainings engagiert. Sie betonten, dass Freundschaft und mentale Gesundheit eng miteinander verbunden sind – online wie offline. Wenn es einem Freund oder einer Freundin schlecht gehe, sei das Wichtigste, da zu sein und zuzuhören. Gleichzeitig sei es entscheidend zu wissen, wann man Hilfe holen müsse: Wenn jemand ernsthaft traurig oder gefährdet wirke, habe Sicherheit immer Vorrang und es sollten erwachsene Vertrauenspersonen einbezogen werden.
Ein weiterer Schwerpunkt lag darauf, das eigene Medienverhalten bewusst zu reflektieren. Nicht alles, was online zu sehen ist, entspricht der Realität, vieles ist bearbeitet oder mithilfe von Künstlicher Intelligenz erstellt. Die Jugendlichen wurden dazu angeregt, beim Konsum digitaler Inhalte auf ihre Emotionen zu achten: Wenn etwas Unruhe oder Traurigkeit auslöst, darf man auch Abstand davon nehmen.
Stimmen der Jugendlichen
«Ich kann bald nichts mehr glauben, was aus dem Internet kommt.
Ob das gut ist, weiss ich aber nicht.»
«Ich fand es eine coole Idee und habe viel gelernt.»
«Wir haben gelernt, wie man mit Freunden redet, wenn es ihnen schlecht geht.»
«Ich weiss jetzt, wie man mit KI bessere Fragen stellt.»
Impact Gstaad
Unter dem Motto «Vom kleinen Gstaad in die grosse Welt» entwickelt, fördert und begleitet Impact Gstaad Nachhaltigkeitsprojekte innerhalb der Destination Gstaad und setzt sich für die Vernetzung von lokalen und kuratierten internationalen Nachhaltigkeitsvisionären mit potenziellen Investoren ein. Impact Gstaad ist ein politisch neutraler, gemeinnütziger Verein, der sich durch Beiträge von Privatpersonen, Stiftungen, öffentlichen Institutionen und Unternehmenspartnerschaften finanziert.
Young Impact ist das Bildungsprojekt der Organisation, das seit 2023 den Austausch zwischen privaten und öffentlichen Schulen im Saanenland fördert und Jugendliche für Nachhaltigkeitsthemen sensibilisiert.
«Das Thema digitale Achtsamkeit steht in direktem Zusammenhang mit sozialer Nachhaltigkeit. Young Impact vermittelt nicht nur Medienkompetenz, sondern befähigt junge Menschen, digitale Werkzeuge kritisch zu hinterfragen und für gesellschaftliche und ökologische Herausforderungen zu nutzen», so Chantal Reichenbach, Projektleiterin von Young Impact.
PD






