Auch bei Haustieren: Fahrerflucht kann teuer werden
08.01.2024 RegionWer als Fahrzeuglenker Haustiere im Strassenverkehr verletzt oder tötet, sollte zwingend einige Regeln beachten, denn es besteht auch bei Unfällen mit Heimtieren eine gesetzliche Meldepflicht. Fahrerflucht kann teuer werden.
KEREM S. MAURER
Da es keine ...
Wer als Fahrzeuglenker Haustiere im Strassenverkehr verletzt oder tötet, sollte zwingend einige Regeln beachten, denn es besteht auch bei Unfällen mit Heimtieren eine gesetzliche Meldepflicht. Fahrerflucht kann teuer werden.
KEREM S. MAURER
Da es keine Registrierungspflicht für Katzen gibt, kann niemand genau sagen, wie viele von ihnen in der Schweiz leben. Yasmine Wenk, Kampagnen-Koordinatorin Haustiere bei Vier Pfoten Schweiz, schätzt: «Laut dem Verband für Heimtiernahrung lebten im Jahr 2022 über 1,8 Millionen Katzen in der Schweiz.» Doch wie diese Zahl erhoben wurde, sei nicht ersichtlich. Und: «Da längst nicht alle Fälle von überfahrenen Katzen gemeldet werden, wissen wir auch nicht, wie viele Katzen pro Jahr schweizweit in Verkehrsunfälle verwickelt werden», bedauert Yasmine Wenk. Auch Tanja Aeberhard, Tierärztin in der Bergpraxis Animal Saanen, kennt dazu keine genauen Zahlen, aber: «Es sind zwischen zwölf und 24 Tiere pro Jahr. Darunter hat es viele Katzen und Hunde», sagt sie auf Anfrage.
Es besteht eine Meldepflicht
Wer als Autofahrer:in mit einem Heimtier kollidiert, hat einige Pflichten zu erfüllen. Christine Künzli, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Stiftung Tier im Recht und Rechtsanwältin LL.M., teilt auf Anfrage mit: «Nach dem Schweizer Verkehrsgesetz SVG ist der Unfallverursacher verpflichtet, sofort anzuhalten und die Unfallstelle mit einem Pannendreieck zu sichern.» Anschliessend müsse der Eigentümer des Tieres verständigt, oder – sollte dies nicht möglich sein – die Polizei informiert werden. «Damit besteht auch bei Unfällen mit Heimtieren eine Meldepflicht gestützt auf das Schweizer Verkehrsgesetz», betont Künzli. Unterlasse der Fahrzeuglenker die Meldung einer Kollision mit einem Heimtier, verstosse er einerseits gegen Artikel 92 SVG. Dort heisse es, dass mit einer Busse von bis zu 10’000 Franken bestraft werde, wer bei einem Unfall die Pflichten verletze, die ihm das SVG auferlege. Andererseits mache er sich in aller Regel auch wegen Tierquälerei strafbar, «weil er oder sie durch die pflichtwidrige Unterlassung der Unfallmeldung das verletzte Tier der Gefahr aussetzt, unnötig lange an seinen Verletzungen zu leiden», führt die Rechtsanwältin aus und erklärt, dass in diesem Fall die Tatbestandsvarianten der Misshandlung gemäss Artikel 26 des Tierschutzgesetzes (TSchG), beziehungsweise – wenn das Tier später an seinen Verletzungen stirbt – der qualvollen Tötung zu prüfen seien.
Haustiere sind Privateigentum
«Obschon Tiere nach Schweizer Recht keine Sache mehr sind, zählen sie zum Vermögen ihres Eigentümers. Diese können folglich Schadenersatz für getötete Tiere geltend machen», weiss Christine Künzli. Beispielsweise, wenn es sich um einen gut ausgebildeten Hund (Blindenhund, Therapiehund etc.) handelt. Oder bei einem guten Zuchtkater können entgangene Deckgewinne geltend gemacht werden.
Hinzu kommt laut einem entsprechenden Artikel im Magazin «Welt der Tiere», dass Heimtiere oft für ihre Halter «wichtige Bezugspunkte, eigentliche Gefährten» darstellten, deren Tod ein «grosser, emotionaler Verlust» bedeute. Diese gefühlsmässige Beziehung zwischen Mensch und Tier werde vom Schweizer Recht geschützt, indem den Tieren einen Gefühlswert – den sogenannten Affektionswert – zuerkannt werde. Dieser Wert, der dem Tier von seinen Haltern aus rein emotionalen Motiven beigemessen werde und den Beschaffungswert des Tieres übersteigen könne, müsse in der haftpflichtrechtlichen Schadenersatzberechnung berücksichtigt und vom Schadensverursacher – zusätzlich zum materiellen Schaden und einer allfälligen Genugtuung – bezahlt werden.
Wer bezahlt die Tierarztkosten?
«Der Überbringer des Tieres muss für die Kosten beim Tierarzt aufkommen», erklärt Tierärztin Tanja Aeberhard. Beim Unfallverursacher übernehme dies die Haftpflichtversicherung. «Im speziellen Fall von Fundtieren haben wir ein Abkommen mit dem Tierschutzverein Saanenland, dass die Kosten – bis zu einem bestimmten Betrag – bis zum Auffinden des Besitzers durch den Tierschutzverein übernommen werden», sagt die Tierärztin. Werde der Besitzer aufgefunden, müsse dieser die Kosten übernehmen. «In Härtefällen helfen der Tierschutzverein oder die Bergpraxis Animal gerne weiter», versichert Tanja Aeberhard.
Und weil es halt passieren kann, dass einem ein Heimtier vor das Auto läuft, richtet die Tierärztin folgenden Appell an die Bevölkerung: «Sollten Sie in einen Unfall mit einem Heimtier verwickelt sein: Bitte anhalten und nachschauen, was passiert ist. Falls das angefahrene Tier wegrennt, informieren Sie Personen, die in der Nähe wohnen, sowie den Tierarzt und die Polizei und geben Ihre Personalien an. Die Haftpflichtversicherungen sind für solche Fälle da. Ersparen Sie dem Tierbesitzer viele Sorgen, weil unabhängig vom Geld das Beste für das Tier getan werden kann.»
ANGEFAHRENES TIER GEFUNDEN – AMPELREGEL BEFOLGEN!
Rot: Schauen! Situation und Gefahren beurteilen.
Orange: Denken! Wie kann ich Gefahren vermindern? Decke bereit machen, eventuell Gazebinde als Maulschlinge bei Hunden. Kann ich das Tier alleine transportieren oder brauche ich Hilfe?
Grün: Handeln! Hunde möglichst anleinen, damit sie nicht weglaufen. Tierarzt und Polizei verständigen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Falls das Tier keine Verletzung hat, bei Tierarzt oder Polizei den Chip auslesen und den Tierbesitzer benachrichtigen. Falls das Tier verletzt ist, eventuell Blutungen stillen, stabilisieren und einen möglichst schonenden Transport organisieren. Katzen möglichst sichern, dass sie nicht weglaufen.
Vorsicht ist geboten: Verletzte Tiere, die Schmerzen erleiden, können wild um sich beissen.
Tanja Aeberhard, Tierärztin Bergpraxis Animal Saanen