Auf der Suche nach der schieren Wahrheit
23.01.2023 KulturEs war ein bitterkalter Winterabend, als Ursula Hasler ihre Zuhörerinnen und Zuhörer aus dem Hotel Alpenland nach Frankreich, in Gedanken ins Hotel de la Plage im Badeort Saint-Jean-de-Monts, entführte. Im kleinen, exklusiven Rahmen, den die Anwesenden zu schätzen ...
Es war ein bitterkalter Winterabend, als Ursula Hasler ihre Zuhörerinnen und Zuhörer aus dem Hotel Alpenland nach Frankreich, in Gedanken ins Hotel de la Plage im Badeort Saint-Jean-de-Monts, entführte. Im kleinen, exklusiven Rahmen, den die Anwesenden zu schätzen wussten, verriet sie allerlei Hintergrundwissen zu ihrem zweiten Roman «Die schiere Wahrheit». Mit interessanten Fragen führte die Moderatorin Liliane Studer die Gäste hin zu den drei gelesenen Abschnitten, mit denen die Autorin Spannung aufbaute und beim Publikum die Leselust auf diese köstlich geschriebene Kriminalgeschichte weckte.
VRENI MÜLLENER
Bevor sich Ursula Hasler ans Schreiben machte, hatte sie umfassend recherchiert, während Jahren Hintergrundinformationen zusammengesucht und geschichtliche Zusammenhänge studiert. Abbildungen aus der Zeit, in die sie ihre Erzählung hineinstellt, gibt sie in bildhafter Sprache in ihren Texten wieder. Im Kriminalroman «Die schiere Wahrheit», lässt sie die beiden Krimigrössen Friedrich Glauser und Georges Simenon im Urlaub aufeinandertreffen. Auch wenn eine solche Begegnung in Wahrheit nie stattfand, wäre sie 1937 theoretisch möglich gewesen: Glauser war, mit Berthe Bendel in der Gegend – im Roman reist er auf der Suche nach einem Morphiumrezept nach Saint-Jean-de-Monts –, Georges Simenon befand sich tatsächlich und im Roman auf Urlaub im dortigen noblen Grand Hotel de la Plage. Die beiden unterhalten sich, finden Gefallen aneinander und beschliessen, an Ort und Stelle einen Kriminalroman zu entwerfen. Um den beiden Krimigrössen gerecht zu werden, studierte Hasler einige ihrer Romane und notierte sich Zitate.
Und so kam es, dass Glausers Wachtmeister Studer aus der Schweiz und Maigret von Simenon zusammen einen Kriminalfall zu lösen haben. Jedenfalls hat sich die Autorin ihren zweiten Roman so ausgedacht und niedergeschrieben, bis sie erfuhr, dass die literarische Figur Maigret urheberrechtlich geschützt ist und nicht verwendet werden darf.
Umschreiben während dem Lockdown
Erneut machte sich Ursula Hasler an die Arbeit und stellte Wachtmeister Studer Mademoiselle Amélie Morel als Ermittlerin zur Seite. Eine Kommissarin kann es im Jahr 1937 natürlich noch nicht sein, aber als Krankenschwester, die im gleichen Hotel untergebracht ist wie der spätere Tote, kann sie sehr wohl, wenn auch inoffiziell, einiges zu den Ermittlungen beitragen. Es war mitten im Lockdown, als die zweite Fassung dieses Romans entstand. «Eigentlich eine ideale Zeit, man konnte ja fast nichts anderes unternehmen», stellte die Autorin rückblickend fest.
Ursula Hasler setzte sich mit der Technik des Krimischreibens auseinander. Ein Krimi besteht aus zwei Geschichten: zum einen die Geschichte des Verbrechens, zum anderen das Aufdecken und Ermitteln. Immer mehr entdeckte sie, wie es in der Krimiwerkstatt läuft und sammelte Erfahrungen. Fragen wie: «Wann streut man Indizien auf den Weg der Ermittler?», oder «Welche Informationen müssen die Leserinnen und Leser haben?», stehen plötzlich im Raum.
Recht oder Gerechtigkeit?
Der Schweizer Glauser und der Belgier Simenon entwickeln ihre Geschichte, immer abwechselnd trägt einer ein Kapitel bei. Ist Recht immer Gerechtigkeit, oder darf ein Kommissar im Krimi der Gerechtigkeit helfen und nicht dem Recht, indem er Indizien nicht beachtet oder verschweigt, damit ein bemitleidenswerter Täter nicht verurteilt wird? Darüber sinnieren die zwei gegen Ende dieses umfangreichen Werkes. Beide wissen, dass ein Fall erst gelöst ist, wenn alle Schnüre verknüpft sind. Deshalb braucht Wachtmeister Studer zwei Anläufe, um die reine Wahrheit zu finden.
Bei einem feinen Apéro aus der Alpenland-Küche war noch Gelegenheit, das Buch signiert zu kaufen und zusammen über die angesprochenen Themen der Lesung zu diskutieren.
DIE AUTORIN
Ursula Hasler Roumois ist in Schaffhausen aufgewachsen und lebt in Baden. Sie studierte in Zürich Germanistik und Psychologie. Nach einem Studienjahr in Frankreich wurde Paris ihr Lebensmittelpunkt für fast zehn Jahre. Zurück in der Schweiz arbeitete sie als Dozentin an der Dolmetscherschule Zürich, danach als Professorin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. 2016 erschien im Limmat Verlag ihr erster Roman «Blindgänger». «Die schiere Wahrheit», ebenfalls im Limmat Verlag erschienen, ist in jeder Buchhandlung erhältlich.