Barocke Musik in einem Juwel im Pays-d’Enhaut
22.05.2024 KulturPfingsten ist in wichtiger christlicher Feiertag. Viele nutzten das lange Pfingstwochenende für Begegnungen mit Freunden, für den Besuch in einem Museum oder eines kirchlichen Anlasses. Ein besonders schönes Fest durften Musikliebhaber:innen in der Saint-Nicolas-Kirche in ...
Pfingsten ist in wichtiger christlicher Feiertag. Viele nutzten das lange Pfingstwochenende für Begegnungen mit Freunden, für den Besuch in einem Museum oder eines kirchlichen Anlasses. Ein besonders schönes Fest durften Musikliebhaber:innen in der Saint-Nicolas-Kirche in Rougemont erleben. Capucine Keller, die künstlerische Leiterin des 24. Festivals für Alte Musik, La Folia, offerierte unter der Überschrift «Constellation» Konzerte mit selten gehörten Titeln – leidenschaftlich gespielt von Musikvirtuosen.
EUGEN DORNBIERER-HAUSWIRTH
Die im Jahr 1080 von Mönchen aus Cluny gegründete romanische Kirche in Rougemont, im Naturpark Gruyère Pays-d’Enhaut gelegen, ist ein bedeutendes historisches Erbe. Wer waren die Mönche aus Cluny? Die Abtei von Cluny im Burgund war als Ausgangspunkt bedeutender Klosterreformen eines der einflussreichsten religiösen Zentren des Mittelalters. Ihre Kirche war zeitweise das grösste Gotteshaus des Christentums. Einige dem Orden der Benediktiner angehörenden Mönche verliessen im 11. Jahrhundert das im Departement Saône-et-Loire gelegene Städtchen Cluny. Der Sonne entgegen pilgerten sie während gut 60 Stunden in das 260 Kilometer entfernte Rougemont, um eine Kirche zu bauen. Die Steine sollen sie aus einem Steinbruch in Saint-Triphon herbeigeschafft haben (das ist historisch allerdings nicht belegt).
Das Festival La Folia
Das Programm 2024 des Festivals war ein geschickt geschmiedetes Repertoire auserlesener Kompositionen. In sieben Konzerten begeisterte eine Schar talentierter Künstler das zahlreich erschienene Publikum. Ein besonderer Glanzpunkt war das Konzert «Amate Stelle» des Basler Ensembles «Abchordis».
Das «Abchordis»-Ensemble wurde 2011 mit der Absicht gegründet, bisher unveröffentlichte und bis heute unausgeführte Meisterwerke des italienischen Barocks in ein neues Licht zu setzen. In der Zusammensetzung Lathika Vithanage, Katia Viel (beide Violine), Sara Gomez Yunta (Viola), Nicola Paoli (Violoncello), Giacomo Albenga (Bass) und Andrea Buccarella (Cembalo und Leitung) spielten sie in grandioser Manier Werke von Vivaldi, Sarro, Händel, Galuppi und Ristori, alles Komponisten aus der Zeit des Barocks. Von besonderem Glanz war die vielfach ausgezeichnete Schweizer Sopranistin Marie Lys.
Marie Lys wuchs bei ihren Eltern im kleinen Waadtländerdorf Goumoens-le-Jux auf. Musik und Gesang – Mutter und Vater waren professionelle Flötisten – prägten ihre Kindheit. Véronique Sanson und Céline Dion waren ihre musikalischen Vorbilder. Die Freude an der Musik führte sie ins Konservatorium in Lausanne. Von ihrer Berufung überzeugt, ging sie an das Royal College of Music in London und machte dort einen Master in Gesangsinterpretation. Auf die Frage eines Journalisten, ob sie bestimmte Regeln für einen gesunden Lebensstil einhalten müsse, antwortete sie: «Ich trinke fast nie Alkohol. Schwarzen Tee und Kaffee sollte ich meiden, aber manchmal gebe ich nach, weil ich den Geschmack liebe. Auf Milchprodukte sollte man verzichten, damit die Stimmbänder frei bleiben. Und ich persönlich esse am Abend vor einem Auftritt nichts Scharfes, weil es mich im Hals brennt.»
Unesco-Weltkulturerbe
Am Sonntag fand in der Kirche Saint-Nicolas ein Vortrag statt, der dem Publikum die Geschichte der Kluniazenser in Rougemont und im Pays-d’Enhaut näher brachte. Patrice Borcard, Präsident des Regionalen Naturparks Gruyère Pays-d’Enhaut, berichtete darüber, was es heute bedeutet, eine kluniazensische Stätte in Rougemont zu haben, sowie über den Stand des Antrags auf Aufnahme in das Unesco-Weltkulturerbe. Derzeit werden 2240 kluniazensische Objekte in 15 europäischen Ländern evaluiert, um einen allgemeinen Überblick über das kluniazensische Erbe zu erhalten. In einer zweiten Phase werden die auserwählten Orte Entwürfe für eine Unesco-Kandidatur ausarbeiten. Die Aufnahmekriterien der Unesco sind mannigfaltig. Der Entscheidungsprozess dauert in etwa zehn Jahre. Das Komitee in Rougemont initiierte seine Bewerbungsphase 2021. Man hofft nun in Rougemont, dass die einzige Kluniazenserstätte in den Waadtländer Alpen, die historische Kirche, in den Jahren 2026 bis 2028 in den Kreis des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen werde.
«Noche de Alegria»
Das Ensemble «El Sol» mit der Sopranistin Capucine Keller setzte den Schlusspunkt hinter das 24. Festival Alter Musik. Gegen 2000 Zuhörer:innen durften erfüllte Pfingsttage erleben. Die Töne der kraftvollen und ausdrucksstarken Sopranstimme von Capucine Keller mögen, so man die wunderschönen Fenster der Glasmaler Correvon, Rivier oder Delachaux hätte öffnen können, im «Bois qui chante» an den Hängen des «roten Berges» ins Tonholz eindringen und dadurch manchen Geigenbauer erfreuen.