Bauboom und Fachkräftemangel beschäftigen das Gewerbe

  13.05.2022 Gstaad

Die Stimmung an der Generalversammlung des Gewerbevereins Saanenland war glänzend. Die Pandemie scheint überwunden zu sein und beschert dem Saanenland einen erneuten Bauboom.

BLANCA BURRI
Aus welcher Krise ist das Saanenland nicht gestärkt hervorgegangen, mag man sich fragen. Die Pandemie und die Unsicherheiten im Osten sorgen einmal mehr für unzählige Bauprojekte in der Region. «Es läuft», informierte Bernhard Ludi, Projektgruppenleiter Bau, am vergangenen Dienstagabend im Hotel Arc-en-ciel die Generalversammlung des Gewerbevereins Saanenland. Er verriet auch, weshalb der Wohnraum in der Destination so begehrt ist: «Die Menschen finden Ehrlichkeit, Natur, Sicherheit, eine gute Infrastruktur und einen schönen Baustil.» Indizien für den Bauboom seien die Baukräne, die momentan kaum zu zählen seien, so viele gebe es. Er vermutete, dass sie auf rund 20 Prozent der aktuellen Baustellen hindeuten. «Alle anderen Baustellen sind nicht so offensichtlich.» Neu sei, dass in allen Segmenten gebaut werde. In der Landwirtschaft, im Gewerbe und bei Privaten, bei Einheimischen und Zweitheimischen, Normal-, Mittel- und Luxusschicht. Die Auftragsbücher sind in den kommenden Jahren voll, also steht dem Baugewerbe eine rosige Zukunft bevor.

Kosten nur teilweise höher
Seit der Pandemie gibt es einen weltweiten Preisanstieg von Rohmaterial und Lieferschwierigkeiten sind zum Dauerthema geworden. Bernhard Ludi präzisierte: «Nur Materialien, die in der Herstellung viel Energie benötigen, sind teurer geworden.» Viele Artikel jedoch seien gleich teuer geblieben. Er vermutet aber, dass bei einigen Unternehmen eine allgemeine Preiserhöhung eingeführt worden sei. Er fragte deshalb rhetorisch, ob man die aktuelle Lage als Ausrede benutzt habe.

Softfaktoren gegen Fachkräftemangel
«Wir müssen unsere Mitarbeitenden schützen, damit sie sich bei uns wohl fühlen und lange bleiben», betonte Ludi, der selbst eine Schreinerei betreibt. Nur wenn man die Mitarbeitenden nicht mit Arbeit überhäufe, sondern ihre Grenzen respektiere, sei eine gute Stimmung im Team möglich. Bei einer guten Stimmung seien die Chancen höher, dass die Mitarbeiter länger im Betrieb blieben und damit keine neuen Fachkräfte benötigt werden, die seit Längerem kaum zu finden sind.

Neue Wege gegen Fachkräftemangel
Hier doppelte Präsident Jonas Wanzenried nach: «Wir müssen neue Wege gegen den Fachkräftemangel finden!» Deshalb sei er mit dem Kanton zusammengesessen, damit auch Asylbewerber beispielsweise eine Maurerlehre absolvieren könnten. Doch man sei noch auf keinen grünen Zweig gekommen. Wanzenried strebt eine bessere Zusammenarbeit zwischen Sommer- und Winterbetrieben an. Er zeigte seine Vorstellungen am Beispiel von Bau und Bergbahnen auf: «Wir auf dem Bau benötigen im Sommer mehr Handwerker als im Winter und bei den Bergbahnen ist das umgekehrt.» Da sei es offensichtlich, dass die Bauarbeiter im Winter eigentlich bei den Bergbahnen arbeiten könnten. Entsprechende Bemühungen seien im Gang, wusste er.

Im Grusswort im Anschluss an die Versammlung zeigte Roman Gimmel, Verwaltungsdirektor von Saanen, auf, dass auch auf der Gemeinde ein grosser Fachkräftemangel herrsche. Deshalb äusserte er den Wunsch, das Problem gemeinsam anzugehen und zeitnah Lösungen zu finden.

Flexibilität und Kreativität neu definiert
In einer feurigen Rede zeigte David Schmid, Projektgruppe Detailhandel und Gemeinderat, auf, was die zwei vergangenen Jahre mit dem Detailhandel gemacht haben: «Flexibilität und Kreativität haben einen neuen Namen bekommen.» Zwar habe das Gewerbe durch die enormen Anstrengungen wirtschaftlich gut gearbeitet, aber die menschlichen und psychischen Folgen zeigten sich erst jetzt. «Wir hatten kaum Zeit, uns zu erholen und wieder zu Kräften zu kommen.» Hinzu komme die angespannte Situation bei den Lieferanten. «Wir müssen bereits vor der Sommersaison 2022 für die Sommersaison 2023 bestellen.» Ohne Wissen, wie die Sommersaison verlaufe und ohne Garantie, dass die Ware dann auch rechtzeitig da sei. Hinzu komme, dass viele Mitarbeitende im Detailhandel abspringen. Neue Mitarbeiter:innen könne man nur dauerhaft gewinnen, wenn sie sich im Job selbst verwirklichen könnten und sie in Entscheidungen miteinbezogen würden.»

Digital und individuell für die Zukunft wappnen
Das Kundenverhalten habe sich enorm verändert, so David Schmid. Die Kunden würden Preise und Angebot direkt während des Kundengespräches im Internet vergleichen. Seien sie mit dem Produkt zufrieden, kauften sie es vor Ort und bezahlten mit Twint, Karte, Uhr oder Handy. «Wir müssen auf die Individualität eingehen und bei allen Technologien immer up to date sein, nur so sind wir für die Zukunft gewappnet», benannte er eine zentrale Herausforderung im Detailhandel.

Glänzende Stimmung
Die Stimmung an der Hauptversammlung war glänzend. Jonas Wanzenried führte locker durch die Versammlung. Im Jahresbericht erwähnte Wanzenried, dass die Lehrstellenbörse neu von der Gstaader Messe entkoppelt und direkt im Schulhaus Ebnit durchgeführt werde. Ebenfalls soll ein Innovationspreis mit dem Namen Goldener Kranich eingeführt werden. Die Mitglieder nahmen alle Traktanden einstimmig an. Es standen keine Wahlen an.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote