Berührende Aufführung der «Bisse-Wiehnachte»
15.12.2022 KulturAm vergangenen Wochenende konnte sich das Publikum der «Bisse-Wiehnachte» an zwei Abenden so richtig auf das Weihnachtsfest einstimmen lassen. Was seit längerer Zeit aufgegleist war, kam in der Kirche Saanen zur Aufführung. Die Weihnachtsgeschichte nach Lukas 2.1-20 ...
Am vergangenen Wochenende konnte sich das Publikum der «Bisse-Wiehnachte» an zwei Abenden so richtig auf das Weihnachtsfest einstimmen lassen. Was seit längerer Zeit aufgegleist war, kam in der Kirche Saanen zur Aufführung. Die Weihnachtsgeschichte nach Lukas 2.1-20 wurde von weit über 100 Mitwirkenden musikalisch ergreifend wiedergegeben. Ein Einblick hinter die Kulissen und ein Blick auf die Bühne.
VRENI MÜLLENER
Ruben Frautschi war viele Jahre auf der Theaterbühne im Turbach daheim. Er übersetzte Stücke ins Saanendeutsch, baute Bühnen und spielte Hauptrollen. Immer wieder schmiedete er zu allerlei Anlässen Verslein und Gedichte. Manchmal vertonte er sie auch, so entstanden unter vielem anderem Jodellieder für die damalige Bubenjodlergruppe Bissen. Hinten auf die entwerteten Fahrkarten zog der legendäre Turbachpostautochauffeur fünf Linien und schrieb in Wartepausen auf, was ihm in den Sinn kam - Reime oder Melodien. In den Jahren 1987 bis 1990 entstand sein grösstes Werk: die «Bisse-Wiehnachte». Diese wurde an der Schulweihnachtsfeier 1990 mit einem Ad-Hoc-Chor aus Bäuertbewohnern und Lehrkräften, sowie der ganzen Bissenschule uraufgeführt. Seine Frau Heidi übernahm die musikalische Leitung für alle bisherigen Aufführungen (1990, 1993 und 2009). Im hohen Alter übergab Ruben Frautschi sein Werk Marianne Kellenberger und freute sich, dass diese «schiergar e Kantate für jünger un älter Stimmi» in der Saanenkirche aufgeführt werden darf. Nachdem ein erster Versuch 2020 pandemiebedingt fehlschlug, freuten sich nun alle…
Dabei sein ist (fast) alles
Es ist Mittwochabend, der 21. September 2022. Zusammen mit schätzungsweise 70 Personen jeden Alters begebe ich mich gegen 20 Uhr ins Kirchgemeindehaus Gstaad. Ich bin gespannt, was mich erwartet, habe ich mich doch angemeldet, um bei der Aufführung der «Bisse-Wiehnachte» im Dezember mitzusingen. Vorgängig machte ich mir verschiedene Überlegungen: «Die biblische Weihnachtsbotschaft zu singen, anstatt sie zu lesen oder zu erzählen, das wäre einmal etwas anderes. Es würde mich ‹gluschte›, wie in jungen Jahren, in einem gemischten Chor mitzusingen. Der zeitliche Aufwand sollte zu stemmen sein, ist es doch ein begrenzter Zeitraum bis zum 11.Dezember.» Und so sitze ich nun bei den anderen Alt-Stimmen in der zweiten Reihe, habe das eben erhaltene Notenheft vor mir und bin erstaunt, wie die ersten Melodien bereits tönen. Aha, es sind viele dabei, die dieses Werk von Ruben Frautschi schon ein- oder mehrmals gesungen haben. Die Energie, die unsere Chorleiterin Deborah Reber versprüht, wirkt geradezu ansteckend – am Klavier gibt sie allen den Ton, wechselt zum Notenständer und in schwungvollen Bewegungen gibt sie das Tempo an, wenn nötig mitsingend, um die Unsicherheiten in den einzelnen Stimmen auszubügeln. Obwohl es zwischendrin eine Pause gibt, bin ich gegen zehn Uhr müde, als hätte ich gerade eine Fitnessstunde hinter mir.
Ausser während den Herbstferien besuche ich nun fast jeden Mittwoch die Singproben. Mit der Zeit empfinde ich sie auch nicht mehr so anstrengend. Es tut mir regelrecht gut: Meine Atemwege werden freier, das abwechselnde Sitzen und Stehen stärkt meine Beinmuskeln. Zusätzlich zu den Noten auf Papier bekommen wir einen Link, um eine App herunter zu laden. Damit kann ich freiwillig Hausaufgaben machen - entweder meine Altstimme üben oder mir den ganzen Chorklang zu Gemüte führen. Ich merke, dass ich nicht die Einzige bin, die noch technische Unterstützung von Marianne Kellenberger benötigt. Immer wieder ist es Mittwoch, die vierstimmigen Lieder tönen schon recht harmonisch und die vielen Kanons kann ich auch immer besser. Die tiefgreifenden Worte in unverfälschtem «Saanetütsch» prägen sich langsam in meinen Kopf ein, so dass es je länger je mehr drin liegt, nach vorne zur Dirigentin zu schauen.
Das Puzzle nimmt Gestalt an
Die Wochen fliegen nur so dahin, schon bald zeigt der Kalender die Woche 49 und der 5.Dezember ist da - das Datum unserer ersten Probe zusammen mit den Schülerinnen und Schülern und den Kindergartenkindern aus der Bissen und dem Turbach. Wir stellen uns auf dem Podest im Chor der Saanenkirche auf. Roland Neuhaus kann uns nun auf der Orgel begleiten. Das Wechselspiel zwischen Kindern, Erwachsenen, Musikern und der Orgel fügt Deborah Reber zu der Kantate zusammen, die sich Ruben Frautschi bereits beim Komponieren für die Bäuert Bissen vorgestellt hat. Noch zwei Mal üben wir mit den Kindern, bis es am Samstagabend ernst gilt. Festlich gekleidet, warten alle an ihrem Plätzchen, unter die Vorfreude mischt sich – jedenfalls bei mir – ein wenig Aufregung, bis die Orgel ertönt und wir mit frohem Klang zu Gottes Ehre singen können: «Rüemet ne, lobet ne, heit ne in Ehre…» Die erste Erleichterung über diesen gelungenen Auftritt macht bald einmal der Vorfreude für das nächste Konzert am frühen Sonntagabend Platz – wir haben noch ein weiteres Mal die Möglichkeit, hunderten von Besuchern die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel singend zu erzählen. Das gemeinsame Singen dieser Weihnachtslieder hat mich sehr berührt. Ich wünsche mir nichts sehnlicher als Frieden auf der Erde. Die traurige Tatsache, dass wir Menschen weit davon entfernt sind, liess mich jeweilen nicht los. Ich war überrascht, dass mir nach dem zweiten Konzert die Emotionen ein paar Tränen in die Augenwinkel drückten. Ich werte das als Zeichen der Freude für ein Erlebnis, das sich bei mir ganz tief eingeprägt hat.
Die Dirigentin
Sie kennen die «Bisse-Wiehnachte» gut, denn sie haben zwei Mal als Schülerin und 2009 als Mutter und Lehrerin mitgesungen. Was hatten Sie für einen Eindruck nach der ersten Aufführung am Samstag?
Deborah Reber: «Die Freude über das gute Gelingen und diese ideale Zusammenarbeit von allen Beteiligten überwältigte mich. Die eingeübten Lieder zusammen mit den Musikinstrumenten zu einer Einheit zusammenzufügen, empfand ich als Krönung meines Engagements.»
Die Frau des Komponisten
Wie war es für Sie, einmal in den Reihen der Sängerinnen zu sitzen?
Heidi Frautschi: «Das ging bei mir nicht ohne Emotionen. Dennoch genoss ich es sehr, mitzusingen, ohne eine grosse Verantwortung zu tragen. Während der Hauptprobe setzte ich mich in eine Kirchenbank, um die Klangfülle von vorne zu erleben. Ich bin überzeugt, Ruben hätte sich sehr gefreut, dass die Aufführung in der Kirche zustande gekommen ist.»
Die Initiantin
Hatte es von Anfang genügend Sängerinnen und Sänger, damit Ihr Herzensprojekt Wirklichkeit werden konnte?
Marianne Kellenberger: «Es meldeten sich sofort viele Personen, die mitmachen wollten. Um genügend Tenorstimmen zu haben, leisteten wir noch ein wenig Überzeugungsarbeit. Wir waren sehr froh, sofort die Zusagen unserer Instrumentalisten zu erhalten. Insgesamt wirkten gegen 80 erwachsene Personen mit, sowie 40 bis 50 Kinder. Der Sigrist Jacques Gimmel erfüllte alle bühnentechnischen Wünsche zu unserer Zufriedenheit.»
Wie gross war der administrative Aufwand, für den Sie verantwortlich waren?
«Das ging dank modernen Kommunikationsmitteln sehr einfach. Ich war verantwortlich für Inserate, Zeitungstexte und Flyer. Ich orientierte die Beteiligten zu organisatorischen Fragen. Die Lieder für die sehr wertvolle Übungsapp Capella Reader hat Deborah jeweils eingegeben und ich musste sie nur an alle weiterleiten. Grosse Unterstützung erhielt ich von Monika Steiner bei allen die Kirchgemeinde betreffenden Fragen.»
Fragen an drei Kinder: Miriam Westemeier, Svenja Frautschi und Romina Matti
Habt ihr euch auf die Aufführungen gefreut?
Ja sehr, wir waren gespannt, wie es in der Kirche tönt.
Wann habt ihr mit Üben begonnen?
Seit dem Herbst studierten wir die Lieder mit Frau Matti ein.
Waren es schwierige Lieder?
Nein, nicht so sehr. Wir konnten die Melodien hören und hatten die geschriebenen Texte zum Lernen.