Traditionell macht die Volkstheatergruppe «beleidigti Brötli» im Gemeindesaal Zweisimmen im November Simmentaler, Saaner und Diemtigtaler lachfit für den Winter. Das Lachtraining ist ganzheitlich mit Speis, Trank, Musik, Tanz und Theater. Die acht Laienschauspielenden ...
Traditionell macht die Volkstheatergruppe «beleidigti Brötli» im Gemeindesaal Zweisimmen im November Simmentaler, Saaner und Diemtigtaler lachfit für den Winter. Das Lachtraining ist ganzheitlich mit Speis, Trank, Musik, Tanz und Theater. Die acht Laienschauspielenden boten intensivstes, schönstes Theater. Die neue Bühnenkulisse von Ernst Gempeler steht vor einer grossen Karriere.
Im November wird traditionell der Zweisimmer Gemeindesaal dank «beleidigti Brötli» zum Schwank, zum Volkstheatertempel. Die Volkstheatergruppe «beleidigti Brötli» ist das köstliche Erbe vom legendären Chörli Reichenstein. Mit einem ganzheitlichen Programm werden die Lachmuskeln fit für den langen Winter gemacht.
Lachtraining beginnt mit Genusskauen
Zum Fitnessprogramm gehört das warm-up der Lachmuskeln mit einem genüsslichen gründlichen Kauen der belegten Brötli und Torten und dem so wichtigen Dorfen mit Simmentalern, Saanern und Diemtigtalern eine Stunde vor Theaterbeginn.
Als Stück wurde der Schwank in drei Akten vom Hessen Dieter Adam, «Blaus Bluet und Erbslisuppe», gewählt. Geübt wurde seit September. Es wurde gut geübt! Spielte seit September der Schweizer Fussballcaptain Granit Xhaka für Sunderland im Durchschnitt 57 Pässe pro Spiel, kommt Hauptdarsteller Martin Kriegner als herzlicher geerdeter Otto Neureich im Schwank auf 201 Einsätze. Regula Dänzer als Frau Ottilie kommt auf 142 Pässe oder Einsätze – gefühlte viermal «rinderberghöher» als Granit Xhaka.
Ein Schwank in drei Akten
Pünktlich um 20 Uhr begrüsste Martin Kriegner zum Schwank, nachdem – typisch «beleidigti Brötli» – Reto Blatter, im Stück Butler Jean, und Sandra Eymann, im Stück Hausmädchen Susi, selbstverständlich Dienst bei der Kasse geleistet hatten. Im Schwank sind die ehemaligen Wurstbudenbetreiber Otto und Ottilie Neureich durch ein Erbe stinkreich geworden. Mutter Ottilie macht neureich auf Standesdünkel und hegt den Wunsch, Tochter Bettina (Christa Fankhauser) in Adel, in Blaues Blut zu verheiraten.
Adel hat seine lustigen Tücken
Ein Schwank will zum Lachen Gegensätze. So scheren sich Betti und der «liebe Vättu» Otto wenig um den Standesdünkel. Da die Ritter von Reichenstein-Mannenberg schon im 14. Jahrhundert ausgestorben sind, konnten die «beleidigti Brötli» nicht auf lokalen Adel und Blaues Blut setzen und präsentierten die original hessischen Namen. Mit diesen Namen jonglierte Regula Dänzer sensationell, doch mit Fremdwörtern tut sich Ottilie schwer auf diesem Niveau. Es gelingt Ottilie, die Gräfin Romandeaux (Erika Grunder) mit Sohn Hugo Graf von Romandeux (Fabrice Ludi) einzuladen.
Sogar Käse sorgt für Lachsalven
In der hektischen Vorbereitung auf diesen Besuch wird Romandeaux zu Romadur, dem berühmten belgischen Weichkäse, der Abstecher in die Käsewelt mit Camembert und Gorgonzola ist zum Weichlachen schön. Das Training auf den Besuch durch den hochqualifizierten Butler Jean ist so köstlich, wie die altgediente Köchin Berta (Christine Schenk) hochstaplerisch zur Erbtante Baronin von und zu Rosendonk wird. «Wie heissä i nume, i bi doch vom Richestei» von Berta liess das Chörli Reichenstein brillant aufleben. Weil Tochter Bettina vom Blauen-Blut-Kuppeln genug hat, tauscht sie im Schwank die Rolle mit Hausmädchen Susi.
Alle acht Schauspielende im Flow
Die «beleidigti Brötli» meistern dieses Chaos zum Fitlachen gut. Regisseurin Erika Grunder führte ihre Laienschauspielenden in starken Flow. Am Schluss ist Otto Neureich glücklich, dass seine Tochter Bettina Butler Jean heiratet und sie mit dem Wurstbudenwagen auf Tour gehen. Blaues Blut ist nicht alles, merkt Ottilie, weil die Gräfin von Romandeaux sauferprobte, lustig-ordinäre Seiten hat. Der 27-jährige Sohn, Graf Hugolein von Romandeaux, infantil brillant gespielt, findet Hausmädchen Susi als Gattin. Weil das Stück von 1987 ist, spielt Hugolein noch notorisch das Kartenspiel «Schwarzer Peter». Tosender Applaus vom gut gefüllten, bestens unterhaltenen Saal. Souffleuse Lily Zeller hatte einen einzigen Einsatz und Visagistin Monika Müller war so gut, dass sogar Regula Dänzers Mutter ihre Tochter als Ottilie erst beim zweiten Hingucken erkannt hat.
Super neue Holzkulisse von Ernst Gempeler
Eine Augenweide ist die neue Kulisse von Zimmerer Ernst Gempeler aus Blankenburg. Die Holzwände aus einheimischem Holz können konstruktiv perfekt für jeden Schwank umgebaut werden. Sie stehen vor einer grossen Karriere. Die neuen Wände boten gute Akkustik für das «lüpfige» Ländlerquartett «Wär gad Zit het» aus dem Frutigland, das zum Tanz aufgespielt hat. Der souveräne Hauptdarsteller Martin Kriegner aus Schönried stellte im 203. Einsatz zum Publikum fest: «Äs isch schön gsi mit öich».
MATTHIAS KURTH