Besucherlenkung: Damit das Paradies auch eines bleibt
08.08.2025 TourismusDer Sommer zeigt sich von seiner besten Seite – nicht nur meteorologisch, sondern auch touristisch. Dank eines hochkarätigen Eventprogramms mit der Tour de Suisse, Migros Hiking Sounds, La Reine, dem Swatch Beach Pro Gstaad, dem Menuhin Festival, dem EFG Swiss Open und weiteren ...
Der Sommer zeigt sich von seiner besten Seite – nicht nur meteorologisch, sondern auch touristisch. Dank eines hochkarätigen Eventprogramms mit der Tour de Suisse, Migros Hiking Sounds, La Reine, dem Swatch Beach Pro Gstaad, dem Menuhin Festival, dem EFG Swiss Open und weiteren Highlights verzeichnen wir eine erfreuliche Nachfrage. Die anhaltende Hitzewelle in Südeuropa beschleunigt eine Entwicklung, die sich schon länger abzeichnet: Unsere Gäste schätzen die kühleren Höhenlagen, die eindrückliche Natur und das hochstehende Angebot in unserer Ferienregion. Der Sommer hat sich zu einer tragenden Säule neben dem Wintertourismus entwickelt – eine Einschätzung, die auch viele Hoteliers teilen.
Doch was uns attraktiv macht, birgt auch Risiken. Die Schönheit unserer Region zieht an – im besten Sinne. Aber mit der wachsenden Beliebtheit steigen auch die Anforderungen an uns alle. Denn je mehr Menschen sich bei uns erholen wollen, desto mehr wird eines zur Pflicht: eine vorausschauende und fein abgestimmte Besucher lenkung.
Besucherlenkung – was heisst das konkret? Es geht um die gezielte Steuerung von Gästeaufkommen, räumlich wie zeitlich. Ziel ist eine gleichmässige Auslastung, die allen dient: dem Gast, der die Natur ungestört geniessen möchte, dem Einheimischen, der nicht an Lebensqualität einbüsst, und den Leistungspartnern, die verlässlich planen können.
Bis vor wenigen Jahren war diese Thematik kaum präsent. Unsere Aufgaben konzentrierten sich stark auf das klassische Destinationsmarketing – also darauf, neue Gäste zu gewinnen und Märkte zu erschliessen. Doch das reicht heute nicht mehr. Es geht längst nicht nur darum, möglichst viele Gäste zu holen, sondern die richtigen – und diese am richtigen Ort und zur richtigen Zeit zu empfangen. Eine clevere Besucherlenkung ist heute genauso wichtig wie Werbung und Kommunikation.
Tourismusakzeptanz ist dabei der zentrale Massstab – und sie ist keineswegs selbstverständlich. Dass wir vom Tourismus leben, ist bekannt. Doch Akzeptanz entsteht erst, wenn sich alle – Gäste wie Einheimische – wohlfühlen. Und die Schwelle, ab der diese Akzeptanz kippt, ist individuell verschieden. Es reicht manchmal schon (aus verständlichen Gründen), wenn ein Tourist sein Picknick im heimischen Vorgarten auspackt oder sein Fahrzeug quer über die landwirtschaftlich genutzte Wiese parkt.
Ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit der Besucherlenkung ist der Lauenensee. Ein Juwel unserer Region – aber auch ein Hotspot, der an schönen Tagen schnell an seine Grenzen stösst. Heute überlegen wir uns genau, wann wir ihn empfehlen oder wie die Gäste am besten anreisen sollen – idealerweise mit dem Postauto statt mit dem eigenen Auto. Besucherlenkung heisst eben auch: Empfehlungen mit Bedacht aussprechen, Alternativen aufzeigen oder z.B. die Öffnungszeiten anpassen.
Oder denken wir an die Neugestaltung von Carparkplätzen im Dorfkern: Ein einzelner Carparkplatz hat andere Besucherströme zur Folge als ein grösserer, der Platz für mehrere Cars bietet. Die falsche Platzierung solcher Infrastrukturen verursacht unter Umständen nicht nur unerwünschte Besucherströme, sondern wirkt sich allenfalls auch negativ auf die Tourismusakzeptanz aus. Hier ist die enge Zusammenarbeit mit den Gemeinden unerlässlich. Als Tourismusorganisation können wir Empfehlungen abgeben – entscheiden müssen wir aber gemeinsam. Denn nur im Zusammenspiel aller Akteure – Gemeinden, Leistungspartner, Mobilitätsanbieter, Tourismusorganisation – kann eine nachhaltige Besucherlenkung gelingen.
Warum ist das so entscheidend? Weil Qualität unser höchstes Gut ist. Sie erlaubt faire Preise, sichert Investitionen, motiviert Mitarbeitende und begeistert Gäste. Qualität ist kein Zufall, sondern das Ergebnis konsequenter Arbeit – und der Schlüssel für langfristige Tourismusakzeptanz.
Deshalb gilt: Besucherlenkung ist keine Einschränkung, sondern eine Investition. In die Lebensqualität unserer Region. In die Zufriedenheit unserer Gäste, aber auch die von uns Einheimischen. Und in eine gemeinsame Zukunft, die unserem Anspruch gerecht wird: Gstaad soll ein Paradies bleiben – aber eines für alle.
FLURIN RIEDI
TOURISMUSDIREKTOR flurin.riedi@gstaad.ch