Blauzungenkrankheit: Impfung als Hoffnung – oder als Fragezeichen?
05.08.2025 LandwirtschaftTierarzt Dr. Felix Neff ist Praxisinhaber der Bergpraxis Animal und Amtstierarzt für das Saanenland. Im Interview erklärt er, warum die Höhenlage vor der Blauzungenkrankheit schützt, wie im Tal mit der neuen Impfung umgegangen wird – und weshalb er bei der ...
Tierarzt Dr. Felix Neff ist Praxisinhaber der Bergpraxis Animal und Amtstierarzt für das Saanenland. Im Interview erklärt er, warum die Höhenlage vor der Blauzungenkrankheit schützt, wie im Tal mit der neuen Impfung umgegangen wird – und weshalb er bei der Impfpflicht differenziert hinschaut.
JONATHAN SCHOPFER
Felix Neff, gab es im Saanenland Fälle der Blauzungenkrankheit?
Nein, im Saanenland gab es bisher noch keine Fälle – weder in diesem Jahr noch in den vergangenen Jahren.
Wieso gibt es keine Fälle im Saanenland?
In den Bergregionen wie dem Saanenland sind wir weniger stark von der Blauzungenkrankheit betroffen, weil sie durch Mücken übertragen wird – und in höheren Lagen ist das Zeitfenster für den Mückenflug deutlich kürzer. Eine interessante Studie zeigt: In den Bergen ist der Mückenflug im August hoch, erreicht Mitte September seinen Peak und nimmt ab Anfang Oktober stark ab. Im Mittelland hingegen dauert die Mückenaktivität wesentlich länger an.
Obwohl das Saanenland bisher verschont geblieben ist: Ist die Krankheit dennoch Thema bei den Landwirten?
Ja, schon im letzten Herbst wurde das Thema in der Landwirtschaftlichen Vereinigung Saanenland aufgegriffen. Auch die Tierarztpraxis erhält regelmässig Anfragen dazu.
Wie hoch ist die Impfrate im Saanenland bisher?
Aktuell wurden rund vierzig Prozent der Tiere geimpft.
Wie hoch ist die Impfrate in anderen
Regionen der Schweiz?
Im Mittelland ist die Impfrate deutlich höher. Kolleginnen und Kollegen aus dem Thurgau oder dem Jura berichten von zahlreichen Blauzungenkrankheitfällen. Je direkter man betroffen ist, desto eher wird geimpft.
Wie wurde die Impfstoffverteilung im Saanenland organisiert?
Wir haben frühzeitig abgeklärt, welche Bauernbetriebe impfen möchten – auch deshalb, weil der Impfstoff knapp war. Ziel war es, kein Fläschli zu vergeuden.
Warum müssen alle Tiere eines Bestands geimpft werden?
Alle Tiere im Bestand sind grundsätzlich empfänglich für die Blauzungenkrankheit. Deshalb ist es sinnvoll, den gesamten Bestand zu impfen.
Wie hoch sind die Kosten für die Impfung?
Die Landwirte impfen teilweise selbst oder beauftragen uns als Tierärzte, dann kommen entsprechende Kosten dazu. Es sind zwei Impfungen im Abstand von drei Wochen notwendig. Eine Impfung kostet Fr. 11.50 –, also Fr. 23.– pro Tier.
Wie gross sind die Tierbestände im Saanenland?
Das ist sehr unterschiedlich. Die Spannweite reicht von etwa 20 bis 90 Tieren
Muss heute häufiger geimpft werden als früher?
Das kann so generell nicht gesagt werden. Tatsache ist: Es treten heute mehr Tierseuchen auf, die aus südlicheren Regionen eingeschleppt werden – etwa durch Mücken. Diese Entwicklung hat sich in den letzten Jahren verstärkt.
Wie stehen Sie zur Impfpflicht bei Tierseuchen?
Das hängt von der jeweiligen Krankheit ab. Bei der Blauzungenkrankheit halte ich es für richtig, wenn die Entscheidung bei den Landwirten bleibt. 2008 war die Impfung noch obligatorisch – das war jedoch sehr schwierig umzusetzen, denn der Aufwand, alle Landwirte zu überzeugen, war enorm. Heute ist die Regelung gelockert, was ich in diesem Fall begrüsse. So kann die Energie gezielter in die Prophylaxe und Beratung investiert werden.
Gibt es Krankheiten, bei denen Sie eine Impfpflicht für notwendig halten?
Ja, bei gewissen Seuchen wie der Lumpy-Skin-Krankheit halte ich eine Impfpflicht in bestimmten Regionen für angebracht – zum Beispiel im Kanton Genf, wo es wichtig ist, eine Einschleppung aus Frankreich zu verhindern. Ob die Massnahme tatsächlich wirkt, wird sich zeigen.