Börse: Von Träumen, Schäumen und Anlagerealitäten
17.11.2023 WirtschaftWer möchte nicht gerne rasch zu Reichtum kommen? Mit richtigem Investieren und Verkaufen von Aktien und Obligationen usw. im richtigen Zeitpunkt sollte es möglich sein, sicher hohe Renditen zu erzielen. Mit genauer Kenntnis des Börsengeschehens, ständigem Beobachten ...
Wer möchte nicht gerne rasch zu Reichtum kommen? Mit richtigem Investieren und Verkaufen von Aktien und Obligationen usw. im richtigen Zeitpunkt sollte es möglich sein, sicher hohe Renditen zu erzielen. Mit genauer Kenntnis des Börsengeschehens, ständigem Beobachten der Börse und raschem Reagieren im richtigen Moment kann man doch nicht fehlgehen. Mit «wissenschaftlichen Erkenntnissen aus dem Bereich von Renditen und Risiken» ging Prof. Dr. Erwin W. Heri dieser Ansicht genauer auf den Grund. Und er lieferte dazu zumindest erstaunliche Erkenntnisse.
TONI SIEGRIST
Schon zum zweiten Mal hielt Prof. Dr. Erwin W. Heri anlässlich des Börsenbarometers der Saanen Bank einen Vortrag (wir haben berichtet). Das gebe ihm die Möglichkeit, auf Fragen, die ihm beim letzten Vortrag nicht gestellt wurden, jetzt in einem zweiten Vortrag einzugehen. Dies sagte er mit der Bemerkung, dass nach einem Vortrag kaum jemand gleich Fragen bereit habe. Als erste These hielt er fest:
«Anlegen ist nicht so schwierig, wie es gemacht wird»
Ein Blick in die Zukunft sei nur möglich, wenn man die Vergangenheit studiere und daraus Lehren für die kommende Zeit ziehe. Stichwort «schwierige Zeiten». Es zeige sich, dass eigentlich immer schwierige Zeiten herrschten: Irgendwie und irgendwo seien immer Kriege, Krisen, Unruhen, Unwetter oder sonstige Unbill im Gange. Wie verhalten sich die Anlagemärkte in diesem Umfeld? Eine Grafik zeigte auf, dass in der Schweiz die Aktien seit 1925 im Schnitt jährlich um 7,7 Prozent zulegten, in den USA um 6,9 Prozent (immer inflationsbereinigt).
Ja, aber … man müsse die grossen Konflikte genauer ansehen. Also zeigte er eine Grafik der Aktienkurse 1935 bis 2023, wo alle wichtigen Konflikte in diesem Zeitraum eingezeichnet waren. Es zeigt sich, dass die Aktienkurse manchmal für kurze Zeit fielen, um dann aber im allgemeinen wieder kräftig anzuziehen. Fazit: «Don’t panic.» Man müsse sagen, dass Krieg und Krise die Innovation meist antreibe, was zum Ansteigen der Aktienkurse führe.
Als zweite These behauptete der Vortragende:
«Kurzfristige Prognosen sind nicht möglich»
Er belegte dies natürlich sofort mit Grafiken. Die Voraussagen der besten deutschen Aktienanalysten hatten 2000 bis 2022 im Schnitt einen Prognosefehler von 20 Prozent. Schlimm werde es, wenn man diesen Prognosen auch noch folge und sofort Wertpapiere kaufe oder verkaufe. Beim einfachen Indexfonds resultierte von April 2021 bis Oktober 2023 so ein Verlust von 5 Prozent, bei den führenden, wichtigsten Aktien sogar von 25 Prozent! Traumrenditen seien also generell nicht in Sicht.
Ja, aber … man müsse dies genauer im Detail ansehen, nicht in längeren Übersichten. Also zeigte er Grafiken von täglichen Aktienkursen. Da kommt heraus, dass auf einen Tag mit hohen Aktienkursen nicht selten ein Tag mit tiefen Aktienkursen folgt und umgekehrt. Fazit: Kurzfristig und rasch handeln im Börsengeschäft sei sinnlos. Man könne sich das tägliche oder stündliche Studieren der Börsenkurse sparen und sinnvolleres machen. Die Geschichte lehre, dass bei Anlagen, die man über Jahre unverändert lasse, der Anstieg über längere Zeit jährlich um die 7 Prozent betrage. Das ist nicht traumhaft, aber solide. Und sicher.
«Der heisse Tipp»
Was soll man also machen, wenn man an der Börse reich werden will?
– Langfristig denken, nicht ständig und kurzfristig reagieren.
– Investieren ist nicht Selbstzweck. Also zielorientiert anlegen, nicht Träumen nachrennen, sondern die persönlichen Bedürfnisse und Verpflichtungen im Voraus abklären.
– Entsparen gehört auch dazu. Das heisst, das Zeitfenster im Auge behalten, in dem man ein Vermögen aufbaut, aber unter Umständen auch sinnvoll aufbraucht.
Um das verständlicher zu machen, zeigte Erwin Heri, was man mit einem Lottogewinn von 100’000 Franken machen könnte:
– Das Geld breit anlegen: Sparguthaben, Obligationen, Aktien, eventuell Immobilien und Gold.
– Seine finanziellen Verpflichtungen und Bedürfnisse abklären und planen. Wann, in welchen Jahren, brauche ich wieviel Geld?
– Das Geld so anlegen, dass zum richtigen Zeitpunkt immer das nötige Geld vorhanden ist, sprich ausbezahlt wird:
– Aktien werfen jährlich Zinsen ab und können grundsätzlich immer verkauft werden.
– Obligationen mit verschiedenen Laufzeiten anlegen, so dass zum gewünschten Zeitpunkt Geld ausgezahlt wird.
– Den Zeitrahmen festlegen, in dem das Vermögen, hier der Lottogewinn, aufgebraucht werden soll: den Entsparprozess planen.
– Bei allem Planen sehr diszipliniert sein. Auch beim Einholen und Befolgen von Ratschlägen.
Zum Schluss brachte Erwin Heri seine Ausführungen mit einem Zitat aus der Bibel auf den Punkt: «Wenn du wartest, bis Wind und Wetter richtig sind, wirst du nie säen und ernten.»
Mit gebührendem Applaus der Anwesenden wurde der Vortrag gewürdigt. Im Anschluss wurde Gianluca Biggi kurz vorgestellt. Er ist neu Portfoliomanager bei der Saanen Bank. Beim traditionellen Apéro, das folgte, wurde ausgiebig über das Gehörte diskutiert.