«Und ewig singen die Wälder»
23.10.2023 KulturDas traditionelle Musikfestival «Le Bois qui Chante» verzauberte letzte Woche Château-d’Oex und das ganze Pays-d’Enhaut. Musik in verschiedensten Stilrichtungen – Besinnliches und Humorvolles: Ein künstlerisch hochstehendes Programm sorgte dafür, ...
Das traditionelle Musikfestival «Le Bois qui Chante» verzauberte letzte Woche Château-d’Oex und das ganze Pays-d’Enhaut. Musik in verschiedensten Stilrichtungen – Besinnliches und Humorvolles: Ein künstlerisch hochstehendes Programm sorgte dafür, charmant Gross und Klein Lebensfreude zu vermitteln und Werte aufzuzeigen.
LOTTE BRENNER
Vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten entstand das Festival aus der Idee heraus, auf die Instrumente aufmerksam zu machen, die aus dem Holz des Waldes bei Rougemont gefertigt wurden. Und das ist bis heute so. Deshalb steht bis heute eine Waldbegehung im Mittelpunkt des vielfältigen Musikprogramms. Ebenfalls traditionell fest integriert sind ein Musikfilm, eine Orchesterwerkstatt und pädagogische Elemente; sonst hat die künstlerische Leiterin Beatrice Villiger in ihrer Kreativität freie Bahn. Sie prägt die Musikwoche durch ausgefallenste Arrangements und tolle Entdeckungen. So spricht sie die unterschiedlichsten Menschen an – von Klassik über Jazz bis hin zur Folklore. Alles, egal in welchem Stil, steht qualitativ auf höchstem Niveau.
Das Herz spricht
Auf Anfrage, wie das Programm jeweils entstehe, antwortet Villiger: «Das Herz spricht – das Programm ergibt sich einfach. Die Ensembles, die ich kennenlerne, müssen mich berühren. Der Funke muss überspringen. Dabei habe ich qualitativ sehr grosse Ansprüche. Es muss nicht stur seriös klassisch sein. Mich fasziniert Aussergewöhnliches, Temperamentvolles, Sinnliches wie Witziges. Bei der Programmgestaltung muss ich darauf achten, dass es keine Überschneidungen gibt, und das Gleichgewicht zwischen den Instrumenten und den Werken sollte stimmen. Zum Teil bewerben sich junge Künstler bei mir, manchmal lerne ich sie bei eigenen Auftritten als Partner im Zusammenspiel kennen.»
Wie aufregend verschieden die insgesamt zwölf Veranstaltungen des bunten Festivals sind, zeigt sich schon in der kleinen Randnotiz, die bei jedem einzelnen Programm jeweils treffend, richtungsweisend eine kurze Inhaltsangabe aufweist: Dieses Jahr waren das «pädagogische Reise», «Podium der jungen Musiker», «Orchester-Atelier», «Kinoabend», «Abend mit Entdeckungen», «Stern von morgen», «Musik und Gastronomie», «Waldesballade», «Talente von hier» – all das, eingebettet in einen Eröffnungstag und eine Finissage. Das heisst, beim Festival können Gäste aus nah und fern jeweils eine Woche lang locker durch Musikspektakel aller Art flanieren und sich vom reichen Angebot inspirieren lassen.
Die Neugier auf das etwas andere Musikfest ist gross. Beatrice Villiger kann diese Neugier stillen. Immer wieder stösst sie auf Kurioses, Raritäten oder gar bisher Unentdecktes, das sie im «Bois qui Chante» dann in höchster Qualität unter musikbegeisterte Menschen bringt. Sämtliche Anlässe waren denn auch äusserst gut besetzt, manche gar ausverkauft.
Bühne für junge Talente
Am Eröffnungskonzert trat der Geigernachwuchs aus dem Pays-d’Enhaut und dem Saanenland auf. Valérie Gretillat unterrichtet nach der Suzuki-Methode, die besonderen Wert auf die Schulung des Gehörs legt, und mit welcher bereits Dreijährige in die Kunst des Geigenspiels einsteigen können. Insgesamt traten 16 Schüler:innen zwischen acht und 17 Jahren auf.
Beliebt sind die pädagogisch wertvollen Aufführungen, die jedes Jahr im grossen Saal von Château-d’Oex von einheimischen Schulklassen besucht werden. In dieser Saison waren es die Aufführung von «Peter und der Wolf» und andere musikalische Tiergeschichten.
Ein junger Star, der sich im In- und Ausland schon namhafte Preise erspielte, ist der 19-jährige Bohdan Luts, der letztes Jahr den internationalen Geigenwettbewerb Alberto Lysy gewonnen hatte. Er wurde im Programmheft als «Stern von morgen» angepriesen, was keineswegs übertrieben ist. Sein technisch-virtuoses Spiel sowie seine tief empfundene Musikalität machen sprachlos. Begleitet wurde er von der russischen Pianistin Olga Sitkovetski, die seit Jahren als Begleiterin der Studenten der internationalen Menuhin-Schule IMMA wirkt, an welcher auch Bohdan Luts studierte.
Nicht nur Holzinstrumente
Auch wenn alles seinen Anfang mit Instrumenten aus dem geschlagenen Holz des Waldes von Rougemont nahm, so kamen doch auch hochkarätige Bläserquintette, Harfen, Akkordeon, Bandoneon und andere mehr zum Zug. Eine ganz seltene Zusammensetzung gab es in der Kirche Rossinière zu bestaunen: Angefangen mit Barock, wurden Christel Sautaux, Akkordeon, und Philippe Savoy, Saxofon, immer rassiger, temperamentvoller. Von Barock bis Jazz und amerikanischer Filmmusik gings auch beim Quartett «Du Jet d’Eau».
Die südamerikanische Sonne schien beim Galaabend mit Festmenu und volkstümlich begeisterten die zwölf Alphörner unter der Leitung von Fritz Frautschi, sein Sohn Sandro auf der Marimba und der Organist Wojtek Wezranowski, die dem Attribut «Talente von hier» ehrenhaft und sehr überzeugend gerecht wurden.
Eine kleine Abweichung von der Ursprungsidee gab es auch auf der Waldbegehung. Nebst dem Förster kam diesmal kein Instrumentenbauer mit, sondern einer, der Ski fabriziert. Er führte sein Metier interessant vor. Und mit dem Thema Wintersport beschäftigte sich auch der diesjährige Musikfilm «Zermatt im Winter», der nostalgische Stummfilm aus dem Jahr 1950, der von Beatrice Villiger mit Gesang und Jodel illustriert wird. Die Musikzusammenstellung stammt von Christophe Sturzenegger, der auf dem Klavier einfühlsam begleitet. Nebst einigen klassischen Melodien von Clara und Robert Schumann erklingt ein reiches Repertoire aus Volksliedgut und Jodel.
Das «Cabaret 21» frönte am Schlussabend unter dem Titel «smile» einesteils der Cabarettradition der Zwanzigerjahre, andernteils interpretierte es Musik aus dem 20. Jahrhundert, vor allem amerikanische Filmmusik.
Und nun ist es im Pays-d’Enhaut wieder still – bis im nächsten Oktober (vom 11. bis 20.), wenn Beatrice Villiger mit neuen Ideen wiederum zum «Bois qui Chante» einlädt.