Braucht das Saanenland ein Downhill-Bike-Angebot?

  19.07.2022 Interview

Ja, es braucht ein Downhill-Bike-Netz, finden die jungen Biker zwischen 15 und 17 Jahren. Sie wären sofort bereit mitzuhelfen, eine Strecke zu bauen. Bei den politischen Prozessen halten sie sich lieber zurück. «Da haben sich zuvor schon andere die Zähne ausgebissen, das schreckt uns ab», sagt Maurus Donker.

BLANCA BURRI

Es gab im Saanenland schon verschiedene Downhill-Projekte, habt ihr davon gehört?
Ramon Hoefliger:
Ja, es gab beispielsweise ein Projekt am Horneggli, bei dem viele Menschen mitgeholfen haben, auch mein Vater. Aber es scheiterte dann trotzdem.

Weshalb?
Ramon Hoefliger:
Weil die Landbesitzer das Land nicht zur Verfügung stellen wollten oder das angebotene Entgelt zu klein war.
Maurus Donker: Wir haben am Trailkeeper-Tag gehört, dass das aktuelle Projekt dort vorwärts geht, aber halt nur langsam. Das finde ich schade. In Thun haben sie innerhalb von nur zwei Jahren sicher fünf Trails gebaut.

Was befürchten die Landbesitzer?
Ramon Hoefliger:
Sie haben Angst um die Kühe und die Verschmutzung des Landes.

Ist das gerechtfertigt?
Maurus Donker:
Es gibt halt immer Menschen, die neben den Strecken fahren. Aber man könnte die Strecke umzäunen, damit das nicht passiert.
Ramon Hoefliger: In Châtel sind die Wiesen auch beweidet. Es gibt aber eine eingezäunte Pufferzone zwischen den Kuhweiden und der Strecke.

Wenn es das Projekt am Horneggli nicht gäbe, wo würdet ihr ein Downhill-Zentrum anlegen?
Maurus Donker:
Ich träume immer noch vom Eggli. Es gäbe dort viele Möglichkeiten für einfache und anspruchsvolle Strecken. Man könnte das Bikegebiet sogar bis zur Videmanette ausdehnen. Das würde hervorragend funktionieren. Da bin ich mir sicher. Es würden super Trails entstehen.

Würden die Downhiller die Bergfahrt wirklich bezahlen?
Ramon Hoefliger:
Ja, klar! Nicht gerade 70 Franken pro Tag wie die Skitageskarte, aber Preise wie in Châtel würden auf jeden Fall bezahlt, vielleicht sogar ein wenig mehr.

Wie viel kostet eine Tageskarte in Châtel?
Ramon Hoefliger: 20 Franken. Ich denke, in Gstaad wäre man bereit, 35 Franken zu bezahlen.

Was bräuchte es noch, damit die Destination zum Downhill-Eldorado würde?
Ramon Hoefliger:
Strecken mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Einen Trail, um Sprünge zu üben und einen im Wald, um über viel Wurzelwerk zu fahren. Sehr differenziert, dann kommen die Leute.

Die Strecke am Rellerli war recht anspruchsvoll. War das ein Handicap?
Russell Tschanz:
Es gab dadurch fast keine Anfänger und damit bloss eine kleine Nutzergruppe.
Ramon Hoefliger: Wenn es eine Anfängerstrecke gäbe, würde das auch Familien anziehen. Es würde die Gegend verjüngen.

Wie steht es mit dem Konfliktpotenzial zwischen versierten Bikern und Anfängern?
Paul Merzweiler:
Die Schnellen wollen den Trail sowieso nicht mit den Anfängern teilen, die würden sich auf die schwierigen Routen zurückziehen. Also kein Konfliktpotenzial.

Braucht es weitere Einrichtungen wie einen Campingplatz bei der Talstation, eine Werkstatt, vielleicht auch eine Möglichkeit, das Velo zu waschen?
Maurus Donker:
Châtel macht es vor: Auf einem Teilbereich des Parkplatzes darf man übernachten. Bei der Talstation gibt es sanitäre Anlagen. In kleinen Baracken bauen die Veloshops aus dem Tal im Sommer kleine Pop-up-Stores auf. Sie bieten Reparaturen an, verkaufen aber auch Ersatzteile und vermieten Velos. Ebenfalls gibt es eine Waschanlage.
Russell Tschanz: Châtel ist europaweit das älteste und wohl bekannteste Downhill-Zentrum. Es ist ebenfalls für sein Adventure-Angebot bekannt: von verschiedenen Bikedisziplinen über Klettern und Rodeln bis zu einer Tyrolienne und so weiter. Man muss dort als Downhiller übrigens fast keine Höhenmeter strampeln, weil alle Trails mit Bergbahnen über drei Täler verbunden sind. Das ist fantastisch.

Im Saanenland ist die Angst vor Overtourismus gross. Bilder wie die von der Lenzer- heide während der Pandemie, als die Biker mehrere Hundert Meter lang anstanden, erschrecken die einheimische Bevölkerung. Würde eine Anlage wie in Châtel zu Massentourismus im Saanenland führen?
Ramon Hoefliger:
Es kommt auf viele Komponenten an – Förderkapazität, Menge der Strecken, Werbeaufwand. Auch darauf, ob Rennen ausgetragen werden. Der Anfahrtsweg ins Saanenland ist viel länger als beispielsweise von Chur nach Lenzerheide. Die Lenzerheide rührt die Werbetrommel sehr aktiv. Vielleicht werden sie auch deshalb überrannt – und weil viele der Trails sehr familienfreundlich sind.
Paul Merzweiler: Ein zentraler Bikespot wie in Lenzerheide hat viele Vorteile, da weiss man, wo die Biker sind. Im Saanenland, wo die Biker die Wanderwege benutzen müssen, ist es unkontrollierbar, die Biker sind überall. Das gibt immer auch Konfliktsituationen mit den Wanderern.

Würde sich das Downhillen mit der gehobenen Kundschaft im Saanenland oder mit dem Claim «Come up – slow down?» vertragen?
Maurus Donker:
Nun ja. Wir sind schon etwas wild, manchmal geht man gerne auch noch feiern nach einem Sporttag. Ich glaube aber, dass wir nicht die gleichen Lokale besuchen wie die wohlhabenden Gäste. Deshalb gäbe es sowieso keine Berührungspunkte.
Ramon Hoefliger: Es würde die Region vor allem auch in der Zwischensaison und im Sommer beleben, genau die Jahreszeiten, die von den Bergbahnen entwickelt werden.

Gstaad Saanenland Tourismus führt die Planung der Biketrails an. Würdet ihr bei der Lancierung und Umsetzung mithelfen?
Alle:
Wir würden sicher beim Bau mithelfen.

Und bei der Planung, die ja auch das Verhandeln mit dem Kanton, mit Landbesitzern und so weiter beinhaltet?
Maurus Donker:
Einige Biker aus der Region haben sich jahrelang erfolglos für die Sache engagiert. Sie haben so lange gekämpft, bis ihnen der Schnauf ausging. Es ist so zäh und es gibt so viele Widerstände, dass es uns abschreckt, überhaupt damit zu beginnen.

 


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