Am 13. Dezember 2023 im Parlamentsgebäude zu Bern verlief alles weitgehend reibungslos. Wie geschmiert, könnte man auch sagen.

Zuerst die Ersatzwahl für Alain Berset: Die Prüfung und Auswahl der Kandidaten Beat Jans und Jon Pult durch die SP-Fraktion geriet fast schon zur Show, bei der Beat Jans die Nase vorn hatte. Er verteilte nämlich den Fraktionsmitgliedern freundlicherweise Basler Läckerli, während Jon Pult mit leeren Händen gekommen war. Etwas maliziös gesagt: Jans hatte wohl die bessere Kommunikationsagentur an seiner Seite. Und somit vielleicht auch mehr Geld in seine Kandidatur investieren können.

Dann die Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates: Würde man es genau nehmen, so wären sie ungültig gewesen.

Die Bundesverfassung schreibt das Wahlprozedere in Artikel 168 einfach und trotzdem genau vor: «Die Bundesversammlung wählt die Mitglieder des Bundesrates, die Bundeskanzlerin oder den Bundeskanzler, die Richterinnen und Richter des Bundesgerichts sowie den General.»

Wenn die Parteien aber via das sogenannte Ticket bestimmen, wer aus ihrer Sicht als Bundesrat und Bundesrätin überhaupt in Frage kommen sollte, dann ist das eine unzulässige Einschränkung der Wahlfreiheit: «Die Mitglieder der Bundesversammlung stimmen ohne Weisungen.» (Art. 161 Parlamentsgesetz)

Wenn der FDP-Präsident zwei Tage nach den Bundesratswahlen im Schweizer Fernsehen seelenruhig behauptet: «Wir wissen, wer wie (falsch) gestimmt hat», dann wissen wir auch, dass das Stimmgeheimnis verletzt wurde: «Die Stimmabgabe bei Wahlen in der Bundesversammlung ist geheim.» (Art. 130 Parlamentsgesetz)

Wenn einzelne Fraktionen allfällig wild gewählten Mitgliedern (d.h. solchen, die nicht auf dem Ticket sind) drohen, sie von Fraktion und Partei auszuschliessen, falls sie die Wahl annehmen würden, dann ist das nichts Geringeres als Erpressung.

Unter normalen Umständen hat die Bundesversammlung nämlich jede stimm- und wahlberechtigte Person ohne Rücksicht auf irgendwelche Wünsche von Fraktionen als Bundesrätin oder Bundesrat zu wählen und diese muss weder einer politischen Partei, einer Gewerkschaft oder einem sonstigen Verband angehören, noch Mitglied der eidgenössischen Räte gewesen sein. Nur jene, die sich täglich von Amtes wegen mit der Bundespolitik befassen, die Bundesangestellten, sind unwählbar.

Nicht umsonst nennen sich inoffiziell «gratin fédéral» die Gesamtheit aller Mitglieder des Bundesrats, der Bundeskanzler, die Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die Generalsekretäre und -sekretärinnen der Eidgenössischen Departemente, die Direktorinnen und Direktoren der Bundesämter samt den akkreditierten Bundeshausjournalisten und -journalistinnen. Inoffiziell in diesem Gremium Teilnehmende sind zuweilen auch Kommunikationsagentinnen und -agenten. Und auch sie – wie alle anderen auch – sind letztlich von unserem Steuergeld bezahlt. Diese ganze Gesellschaft – deren Operationsbasis man sibyllinisch «salle des pas perdus» oder eben Wandelhalle nennt, ist also der «gratin fédéral». Er ist das historisch gewachsene insgeheime Aggregat der Eidgenossenschaft. Ohne diese Maschine geht eigentlich gar nichts.

Aber zurück zu den Bundesratswahlen. Solch gravierende Verletzungen von Verfassung und Gesetz erfordern eine Änderung des Wahlverfahrens für Mitglieder des Bundesrats. Es kann doch nicht sein, dass man uns erklärt: «Das haben wir schon immer so gemacht und das ist quasi Gewohnheitsrecht geworden.» Hier gilt es Nein zu sagen. Der Bundesrat muss – wie Nationalrat und Ständerat auch – vom Volk gewählt werden.

Nach dem Motto: Volkswahl statt Schmierentheater.

OSWALD SIGG

JOURNALIST, EHEMALIGER BUNDESRATSSPRECHER oswaldsigg144@gmail.com

Bundesratswahlen: Volkswahl statt Schmierentheater

Image Title

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Ja. Ich benötige ein Abo.

Article

Image Title