«Wir haben den Kilimandscharo in 8000 Metern Höhe überflogen»
31.01.2025 Nachbarschaft, NachbarschaftChristoph Meyer hat praktisch alle Luftfahrtbrevets vom Deltasegler über den Gleitschirm bis hin zum Flugzeug und dem Heissluftballon. Im Interview erzählt er, warum er regelmässig ans Internationale Ballonfestival in Châteaud’Oex kommt und wie man in ...
Christoph Meyer hat praktisch alle Luftfahrtbrevets vom Deltasegler über den Gleitschirm bis hin zum Flugzeug und dem Heissluftballon. Im Interview erzählt er, warum er regelmässig ans Internationale Ballonfestival in Châteaud’Oex kommt und wie man in zweieinhalb Stunden von Chile nach Argentinien «fährt».
KEREM S. MAURER
Herr Meyer, was macht für Sie den Reiz aus, unterhalb eines riesigen Ballons in einem verhältnismässig kleinen Korb hunderte von Metern über dem Boden zu schweben?
Es ist für mich allgemein reizvoller, in der Luft zu sein, als auf dem Boden. Oben kann ich losgelöst von Alltagsproblemen den Moment geniessen. Und beim Ballon kommt dazu, dass man sich absolut auf die herrschenden Bedingungen einlassen muss, um mit mehr oder weniger Höhe da oder dort entlangzufahren und das Fluggerät punktgenau da zu landen, wo man es haben will. Das ist sehr spannend und immer wieder herausfordernd.
Welchen Bezug haben Sie zum Saanenland?
Ich habe in Saanen seit sieben Jahren eine Ferienwohnung. Einheimisch bin ich zwar nicht, aber stark mit dem Saanenland verbunden. Davor waren wir wegen des Ballonfahrens in Châteaud’Oex. Aber ich bin ja auch Flugzeugpilot, da ist mir die Nähe zum Flugplatz wichtig, weil ich oft mit dem Flieger nach Saanen komme. Abgesehen davon ist Saanen wunderschön. Wir lieben es!
Was bedeutet das Ballonfestival für Château-d’Oex?
Das hat einen erheblichen Stellenwert, der Ort ist damit gross geworden. Angefangen hat alles mit dem britischen Schauspieler David Niven – in 80 Tagen um die Welt – der hier mit dem Ballonfahren angefangen hat und der Schirmherr der ersten Ausgabe von 1979 war.
Welchen Stellenwert hat für Sie das Internationale Ballonfestival von Château-d’Oex?
Für mich ist es immer das Interessanteste, am frühen Morgen hier mit der ersten Ballonwelle zu starten und dann einfach weg zu fahren. Richtig weit weg.
Richtig weit weg...?
Ja! Wir sind von Château-d’Oex aus schon in Morzine, in den französischen Alpen, im italienischen Parma oder auch schon auf dem zugefrorenen Silvaplanersee bei Sankt Moritz gelandet.
Daraus ist am Samstag nichts geworden.
Nein, wir hatten in den höheren Lagen sehr starken Südwestwind von bis zu 100 Stundenkilometern. Und es hatte auch in den tieferen Luftschichten relativ viel Wind. Das hat man an den wellenartigen Wolken gut erkannt, die über die Berge kamen. Und derart turbulente Winde können einen Heissluftballon in blöde Situationen bringen.
Das klingt gefährlich.
Nun, ein einzelner Ballon und ein erfahrener Pilot, der mit einem isolierten und somit stabileren Ballon unterwegs ist, hätte wohl durchstechen und wegfahren können. Aber wenn an die 50 bis 100 Ballone gleichzeitig in der Luft sind gibt es neben den Profis auch immer Anfänger. Da sagt man lieber ab, als dass man die Piloten ins Verderben schickt.
Was ist unter einem isolierten Ballon zu verstehen?
Ein isolierter Ballon hat eine doppelte Hülle. Das macht ihn einerseits stabiler und spart andererseits rund die Hälfte an Gas. Das heisst, ich fahre mit einem isolierten Ballon und derselben Menge Gas doppelt so weit wie mit einem herkömmlichen Ballon.
Gibt es für isolierte Ballone spezielle Einsatzmöglichkeiten?
Ja, mit denen machen wir Expeditionen oder eben längere Fahrten. Mit solchen Ballons waren wir schon in Madagaskar und wir haben den Kilimandscharo in einer Höhe von 8000 Metern überflogen. Und in den Anden sind wir einmal innerhalb von zweieinhalb Stunden von Chile nach Mendoza in Argentinien gefahren, mit einer Geschwindigkeit von rund 200 Stundenkilometern!
Ich wusste ja gar nicht, dass das geht.
(Lacht) Ich damals auch noch nicht. Als ich die Geschwindigkeit von 194 Stundenkilometern auf dem Tacho/GPS abgelesen hatte, dachte ich: Oh, wir sind aber schnell unterwegs! Es gab auch entsprechende Turbulenzen. Ähnliche Verhältnisse wie hier am Samstag.
Wie viel Gas braucht ein Ballon, um eine Stunde zu fahren?
Das hängt stark von der Aussentemperatur ab. Im Winter braucht es wesentlich weniger Gas als im Sommer. Am Mittwoch sind wir in Château-d’Oex gestartet, nach Gruyère gefahren und dann im Emmental gelandet. Wir waren drei Stunden in der Luft und haben etwa 80 Kilogramm Propangas verbraucht. Es gibt laufend Bestrebungen, den Verbrauch zu senken. Sei es eben mit isolierten Ballons oder mit effizienteren Brennern und leichterem Material.
Wie lange währt die Lebensdauer eines Heissluftballons?
Körbe und Brenner überleben, wenn man sie korrekt wartet, meist mehrere Hüllen und werden lange gebraucht. Die Lebensdauer einer Hülle hängt von verschiedenen Faktoren ab. Man sollte nicht zu heiss fahren, sprich die Lufttemperatur in der Hülle nicht auf über 100 Grad aufheizen. UV-Einstrahlung und Feuchtigkeit setzen der Hülle ebenfalls zu, und man sollte sie nicht nass verpacken. Man kann sagen, dass eine Hülle bei korrekter Behandlung 400 bis 800 Flugstunden schafft. Ich weiss aber auch von solchen, die 1000 Flugstunden gemacht haben.
Wie stark ist eine solche Hülle?
Eine neue Hülle hat eine Reissfestigkeit oder Zugkraft von etwa 20 Kilogramm pro Quadratzentimeter. Diese nimmt im Lauf der Zeit ab, muss aber alle 100 Betriebsstunden neu überprüft werden.
Wird sich das Ballonfahren in Zeiten des Klimawandels verändern?
Es hat sich schon verändert. Früher, als ich mit der Ballonfahrerei angefangen hatte, konnten auch abends noch gut Ballonfahrten durchgeführt werden. Heutzutage ist es bis in den späten Abend hinein thermisch sehr lebendig. Das heisst, man kann den Ballon gar nicht erst aufstellen. Nur noch in den allerletzten Stunden, bevor es eindunkelt, ist es noch möglich. Dieses Startfenster ist kleiner geworden.
Ist das allgemein so?
Im südlichen Ausland fahren sie auch nur noch am Morgen. Nur in der Schweiz und in Europa kann teilweise noch abends gefahren werden. Und auch bei uns wird es immer schwieriger. Ich würde sagen, der Klimawandel macht das Ganze nicht unbedingt schwieriger, aber man muss lernen, sich anzupassen.
Wie passen sich Ballonfahrer an?
Auf ein gutes Jahr in Château-d’Oex, folgen ein paar schlechtere, dann kommen wieder bessere. Es wechselt sich ständig ab. Schon vor 30 Jahren ist es in Château-d’Oex vorgekommen, dass es keinen Schnee hatte. Lange galt die Festivalwoche als eine der wetterstabilsten. Heutzutage liegt vielleicht die stabilste Woche im Februar. Als Kinder gingen wir im Dezember Skifahren, in den letzten Jahren ging das kaum noch. Der Schnee kommt erst im Januar oder Februar.
Wie sehen Ihre Pläne für das Festival noch aus?
Wir sind die ganze Zeit da und wenn wir Ballonfahren können, machen wir das. Es ist auch wichtig, mit anderen Piloten zu sprechen, internationale Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Wenn wir nichts machen können, gehen wir Skifahren oder Bowlen.
ZUR PERSON
Christoph Meyer, im März 1970 geboren, spielte bereits in seiner Kindheit lieber mit Flugzeugen als mit Autos oder Motorrädern. So erstaunt es kaum, dass er sich seit seinem 16. Lebensjahr wann immer möglich in der Luft aufhält. Im Alter von 16 Jahren war er der jüngste Hängegleiterpilot und mit 19 gar der jüngste Heissluftballonpilot der Schweiz. Heute ist er im Besitz sämtlicher Lizenzen der Luftfahrt, ausser dem Helikopterbrevet. Christoph Meyer ist Geschäftsführer der Take-Off Balloon AG, die mit über 20 Heissluftballons im Einsatz Ballonfahrten aller Art anbietet.
Vor 35 Jahren, also 1990 im Alter von 19 Jahren, war Christoph Meyer als Ballonfahrschüler zum ersten Mal am Internationalen Ballonfestival in Château-d’Oex. Seitdem ist er regelmässig jedes Jahr dabei.
www.ballonfahren.ch / www.gstaad-balloon.ch
KMA