Die Gebrüder Capuçon verzücken mit Brahms
13.02.2025 KulturZum Abschluss der diesjährigen Sommets Musicaux de Gstaad wurde das Publikum mit einem ganz besonderen Leckerbissen verwöhnt: Der Festivalintendant und Stargeiger Renaud Capuçon und sein Bruder, der Cellist Gauthier Capuçon, entführten das begeisterte Publikum ...
Zum Abschluss der diesjährigen Sommets Musicaux de Gstaad wurde das Publikum mit einem ganz besonderen Leckerbissen verwöhnt: Der Festivalintendant und Stargeiger Renaud Capuçon und sein Bruder, der Cellist Gauthier Capuçon, entführten das begeisterte Publikum zusammen mit befreundeten Musizierenden in die romantische Kammermusikwelt von Johannes Brahms.
SABINE REBER
Wenn Renaud Capuçon zum Konzert einlädt, dann kommen sie alle: Die Schönen und die Reichen, aber auch «normale» Musikbegeisterte, die von weit her extra anreisen, um ihre Ohren mit Klassik von Weltniveau verwöhnen zu lassen. Und natürlich kommen auch seine Freunde, Starmusiker von Rang und Namen, die in der Gstaader Klassikwelt schon bestens bekannt sind.
Renaud Capuçon selber ist seines Zeichens künstlerischer Leiter der Sommets Musicaux de Gstaad, bei denen er seit 2016 das Programm zusammenstellt. Zugleich tritt der französische Stargeiger aber auch in verschiedenen Formationen selber auf und verzückt mit seiner kostbaren Geige das Publikum – unglaublich, welch virtuose Klänge er dem Instrument zu entlocken weiss! Es ist eine weltberühmte Geige, die er spielt: eine Guarneri aus dem Jahr 1737, die einst dem legendären Isaac Stern gehörte und die heute acht Millionen Franken wert sein soll.
Begleitet wurde der Festivalintendant und Stargeiger am vergangenen Samstag in der Kirche von Saanen von seinem Bruder, dem ebenso begnadeten Cellisten Gauthier Capuçon, sowie von jungen Solistinnen und Solisten, die in den letzten Jahren den begehrten Thierry-Scherz-Preis gewonnen haben.
Vierhändige Klavierkunst
Den Konzertabend eröffneten der Pianist Arthur Hinnewinkel und die Geigerin Anna Agafia mit der romantischen Violinsonate Nr. 3 in d-Moll (Op.108), die Brahms im Jahr 1888 an den Ufern des Thunersees komponiert hatte. Mit einem schwungvollen Allegro starteten sie in den Abend, um alsbald sehnsüchtige Schluchzer der Geige und verspielte Klaviermelodien ertönen zu lassen. Die lieblich harmonisch dahinplätschernden Melodien gingen alsbald in fröhliche, slawisch angehauchte Tanzpassagen über, bei denen die beiden Musiker mit ihrem virtuosen Können brillierten. So entspann sich ein lebhafter Dialog zwischen den beiden Instrumenten, dem das Publikum gebannt lauschte.
Es folgten Passagen aus den «Ungarischen Tänzen», die zu den berühmtesten Kompositionen von Johannes Brahms gehören. Entsprechend sah man im Publilkum viele Köpfe im Takt mitnicken und manch einer schien innerlich die bekannten Melodien mitzudirigieren. Mit welcher Virtuosität und Fingerfertigkeit die beiden Pianisten Guillaume Bellom und Arthur Hinnewinkel den vierhändigen Klassiker darboten – das war ein musikalisches Highlight, wie man es in dieser Perfektion nicht allzu oft zu Ohren bekommt.
Ein Piano und drei Streicher
Schliesslich betraten die Gebrüder Renaud und Gauthier Capuçon im dritten Teil selber die Bühne, flankiert von Paul Zientara an der Viola und Guillaume Bellom am Klavier. In dieser klassischen Kammermusikbesetzung mit Geige, Viola, Cello und Klavier wussten sie das Publikum nochmals zu verzaubern. Sie boten das Klavierkonzert Nr. 1 in g-Moll (Op. 25) dar, ein Werk aus der Jugend des Komponisten, das im Allegro vor Übermut und Lebensfreude sprüht und sich mehrfach selbst zitiert und Melodien in sich ständig erneuernden Variationen aufgreift. Daraufhin folgte ein Andante von träumerischer Tiefe, bei dem die Streicherklänge die Kirche von Saanen mit einer derartigen klanglichen Wucht erfüllten, dass man mitunter meinte, es würde ein ganzes Orchester spielen. Am Ende zeigten die Musiker im «Rondo alla zingarese» nochmals ihr ganzes virtuoses Können.
Ein begeistertes Publikum klatschte so lange, bis die Musiker sich zu einer Zugabe hinreissen liessen. Was für ein fulminanter Konzertabend, den die Gäste von nah und fern beschwingt und begeistert noch lange in Erinnerung behalten werden!
«Dieser magische Ort veredelt die Werke»
Renaud Capuçon, Sie sind künstlerischer Leiter der Sommets Musicaux de Gstaad, und zugleich auch Dirigent und Musiker. Fällt es Ihnen leicht, von einer Rolle in die andere zu wechseln?
Für mich ist das Wesentliche, ein Musiker zu sein, und ob ich Kammermusik spiele, Konzerte spiele, ein Orchester dirigiere, unterrichte oder ein Festival organisiere, bleibe ich derselbe Musiker. Im Gegenteil, jede Rolle bringt mir viel Zufriedenheit und Freude.
Und welches ist Ihre liebste Rolle?
Mein Lieblingsberuf ist Musiker. Also alle Rollen.
Heuer fand das 25-Jahre-Jubiläum des Festivals statt, das seinerzeit vom legendären Thierry Scherz ins Leben gerufen wurde. Erinnern Sie sich noch an die Anfänge? Was war damals anders?
Ich erinnere mich nicht an die Anfänge von Thierry Scherz, da ich damals nicht anwesend war. Aber ich kam während seiner künstlerischen Leitung . Speziell war, dass er da war und er zu der Zeit das Festival selbst verkörperte. Das ist heute anders, da ich es bin, der es verkörpert. Aber ich wollte unbedingt ihm zuerst Tribut zollen, indem ich den Rahmen beibehalten habe, den er organisiert hatte: die Konzerte in der Kapelle, das Mentoring, die Preise und die zeitgenössische Musik. Und dann habe ich versucht, diese wunderbare Atmosphäre zu bewahren, die es damals gab. Aber jetzt ist es wahr, dass es eine andere Verkörperung ist.
Nach welchen Kriterien werden die Musizierenden für ein so renommiertes Festival eingeladen und wie werden die Stücke programmiert? Spielt der Zeitgeist eine Rolle? Die Weltlage?
Ich programmiere auf organische Weise. Ich versuche natürlich, über die Künstler nachzudenken, die ich vorschlagen möchte, um die Generationen zu mischen. Ich denke an bestimmte Werke, manchmal auch an Themen. Und dann bin ich inspiriert oder auf jeden Fall wie ein Schwamm in Bezug auf das, was um mich herum aus politischer, wirtschaftlicher und sozialer Sicht passiert. Ich bin selbst ein Mensch. Und daher bin ich zwangsläufig betroffen von dem, was um mich herum passiert. Wenn es eine Krise gibt, eine komplexe Situation besteht oder es ein Drama gibt, ist es natürlich so, dass meine Programmgestaltung in gewisser Weise davon beeinflusst wird. Aber das alles passiert auf unbewusste Weise.
Worauf kommt es sonst noch an, damit ein Festival zu einem Erfolg wird?
Ich denke, dass es vor allem die Atmosphäre ist, die vorherrscht. Dass die Leute, die zum Konzert kommen, Lust haben zu kommen und das Gefühl haben, dass etwas wie ein Fest passiert. Wenn man zu einem Festival kommt, es traurig ist und die Leute nicht glücklich sind, dort zu sein, dann ist das keine Festivalatmosphäre. Es ist natürlich auch die Qualität des Programms, die Qualität der Interpreten und dann der Ort, der sehr wichtig ist. Und es stellt sich heraus, dass wir in Gstaad einen magischen Ort haben. Das veredelt auch die Werke.
Nun sind Sie zum Abschluss der diesjährigen Sommets Musicaux de Gstaad zusammen mit Ihrem Bruder und mit ehemaligen Preisträgern des Prix Thierry Scherz aufgetreten. Das Publikum war begeistert. Und Sie? Werden Sie das Experiment wiederholen?
Ich hatte die Chance, mit meinem Bruder Gauthier und drei der früheren Preisträgern zu spielen. Es war wunderbar, weil wir feststellen konnten, dass ihr junges Alter und die Tatsache, dass sie in gewisser Weise weniger erfahren sind, keinen Unterschied machte. Sie waren absolut wie Kollegen im gleichen Alter und mit derselben Erfahrung. Und das ist für mich extrem ermutigend. Es zeigt zuerst, dass es sich um talentierte junge Menschen handelt. Und dass sie wirklich sich selbst waren. Sie waren bereits damals aussergewöhnlich und sind es jetzt noch mehr geworden. Wir hatten viel Freude, mit ihnen zu spielen!
Wie würden Sie in zwei Sätzen die Highlights des diesjährigen Festivals zusammenfassen?
Um es in zwei Sätzen zusammenzufassen, würde ich sagen, dass dieses Jahr überwältigend war. Zuerst, weil die Konzerte fantastisch und das Wetter die ganze Woche über wunderschön war. Und ich fand auch, dass es viel Freude sowohl für die Musiker als auch für das Publikum gab und ein wunderbarer Austausch zwischen beiden stattfand. Es war ein absolut wunderbares Jahr.
Sie haben mit Zep, dem Erfinder der Comicfigur Titeuf, ein Stück aufgeführt in der Kirche von Saanen. In Lausanne haben Sie auch einmal mit dem französischen Schauspieler Jean Reno ein Märchen inszeniert. Dürfen wir nächstes Jahr wieder mit einer interdisziplinären Überraschung und einem Stargast aus einer anderen künstlerischen Branche rechnen?
Es stimmt, dass ich ungewöhnliche Begegnungen liebe. Es gab das Treffen mit Jean Reno in Lausanne. Und dann diese wundervolle Begegnung mit Zep. Und ja, man kann neue Begegnungen und neue Überraschungen beim Festival erwarten, das ist offensichtlich. Voilà!





