Alexandra Dovgan gewinnt Olivier Berggruen Prize 2023
11.08.2023 KulturDie 16-jährige, russische Pianistin ist die zweite Preisträgerin des im letzten Jahr erstmalig eingeführten Preises. In diesem Rahmen erhielt sie nach ihrem Rezital in der Kirche Rougemont – ebenso Bestandteil des Preises – eine Trophäe der Künstlerin ...
Die 16-jährige, russische Pianistin ist die zweite Preisträgerin des im letzten Jahr erstmalig eingeführten Preises. In diesem Rahmen erhielt sie nach ihrem Rezital in der Kirche Rougemont – ebenso Bestandteil des Preises – eine Trophäe der Künstlerin Mai-Thu Perret.
ÇETIN KOEKSAL
Vor dreieinhalb Jahren ist Alexandra Dovgan zum ersten Mal im Saanenland, genauer im «Kapälli» in Gstaad, am Gstaad New Year Music Festival aufgetreten (wir berichteten darüber). Damals spielte das zierliche Mädchen unter anderem Beethovens «Pathétique» und konnte dem musikalisch höchst anspruchsvollen Werk nur schwer gerecht werden. Beklemmend drängte sich unweigerlich die Frage auf, warum man dem Mädchen dies abverlangte. Auch Musikerleben sind – man wünscht es allen – lang und es bleibt Zeit für die grossen Werke. Zumal gerade das Klavierrepertoire eine beinahe unendliche Fülle bietet.
Nun denn, das sehr talentierte Mädchen fiel schon damals durch seine beeindruckenden pianistischen Fähigkeiten auf und gerade die Préludes von Rachmaninow übermittelten dem Publikum diese instinktive Musikalität, welche sehr begabte Jungmusiker hervorhebt. Das Mädchen ist inzwischen zum Teenager herangewachsen und in dreieinhalb Jahren passiert in diesem Alter oftmals mehr als in zehn Jahren Erwachsenenleben. Wie würde sie sich entwickelt haben?
Das Beste kommt zum Schluss
Alexandra Dovgan eröffnete letzten Dienstag den Konzertabend mit der 8. Klaviersonate KV 310 von Mozart. Technisch selbstverständlich ohne Fehl und Tadel, mochte der musikalische Funken aber noch nicht so recht überspringen, obwohl die Pianistin auf die Dramatik dieser Sonate durchaus eingegangen ist. Die im Anschluss daran gespielten «Variationen und Fuge über ein Thema von Händel» op. 24 von Brahms entfesselten das jugendliche Temperament vollends, was die Forti sehr laut und den durchweg kräftigen Anschlag noch kräftiger werden liess. Wie es sich für einen Teenager gehört, möchte man – etwas salopp – sagen. Was wäre die Jugend ohne die wichtigen Erfahrungen, auch einmal über das Ziel hinauszuschiessen? Deswegen sei an dieser Stelle, bei allem Respekt und aller Hochachtung für den grossen Grigory Sokolov, eine abweichende Meinung zu seiner viel zitierten Aussage über das Spiel seines Zöglings Dovgan erlaubt. «Trotz ihres hinreissenden Spiels, das gleichsam ein Wunder ist, lässt nichts an ihrem Vortrag erkennen, dass es ein Kind ist, das hier Klavier spielt; was wir hören, ist die Interpretation einer bereits ausgereiften Musikerin», so Sokolov. Ist die Vorstellung von einer ausgereiften Musikerin mit 16 Jahren nicht unheimlich und fast ein bisschen traurig? Erleichtert durfte man hören, dass Alexandra Dovgan hoffentlich noch viele Jahre des natürlichen Reifungsprozesses bevorstehen. Obwohl insbesondere die leisen Stellen bereits jetzt von einer bemerkenswerten Subtilität und Sensibilität geprägt waren. Gerade die Fuge überzeugte durch eine harmonische Ausgewogenheit. Die langsamen, ruhig nachdenklichen drei Intermezzi op. 117 liessen den Funken dann endgültig überspringen und dürfte den Zuhörenden in berührender Erinnerung bleiben. Auf jeden Fall liessen sie erahnen, welches Potenzial noch in der Jugendlichen steckt. Auf dass die mächtige Musikindustrie sorgsam mit diesem «spriessenden Pflänzchen» umgehen möge. Die Zuhörerschaft darf sich auf die bevorstehende, hoffentlich lange Blütezeit freuen.