Eigenmietwert: Der Ball liegt beim Kanton
09.12.2025 Politik
Die kommende Abschaffung des Eigenmietwerts wirft viele Fragen auf. Die Umsetzung dürfte frühstens 2028 erfolgen und mögliche Mindereinnahmen lassen sich heute noch nicht beziffern. Fest steht jedoch, dass die Gemeinden auf konkrete Vorgaben des Kantons ...
Die kommende Abschaffung des Eigenmietwerts wirft viele Fragen auf. Die Umsetzung dürfte frühstens 2028 erfolgen und mögliche Mindereinnahmen lassen sich heute noch nicht beziffern. Fest steht jedoch, dass die Gemeinden auf konkrete Vorgaben des Kantons warten.
JONATHAN SCHOPFER
Am 28. September hat die Schweizer Stimmbevölkerung die Abschaffung des Eigenmietwerts beschlossen. Damit stellt sich die Frage, was dieser Entscheid für die Gemeinden und auch für die Wohneigentümerinnen und -eigentümer bedeutet. Wir haben beim Kanton Bern, bei den Gemeinden im Saanenland und beim Gewerbeverein nachgefragt, welche Punkte derzeit offen sind.
Der Zeitplan bleibt offen
«Da den Kantonen in der Regel rund zwei Jahre für die Umsetzung eingeräumt wird, ist ein Inkrafttreten nicht vor 2028 zu erwarten», erklärt Dominik Rothenbühler von der Steuerverwaltung des Kantons Bern, und weiter: «Der Bundesrat wird das Inkrafttreten beschliessen.»
Bis die Steuererklärung von Wohnungsbesitzenden ohne den Eigenmietwert ausgefüllt werden kann, dauert es damit noch einige Jahre. Dominik Rothenbühler erklärt, dass es auf kantonaler Ebene in jedem Fall eine Steuergesetzrevision braucht und bei der Einführung einer Objektsteuer zusätzlich eine Verfassungsänderung notwendig wäre.
Was die Abschaffung den Kanton Bern kostet – mit und ohne Energieabzüge
Der Regierungsrat stützte sich vor der Abstimmung 2025 auf eine Berechnung des Kantons Bern, um die möglichen Steuerausfälle bei einem Systemwechsel zu beziffern. Entscheidend war dabei, ob energetische Sanierungskosten weiterhin von den Steuern abgezogen werden dürfen oder nicht.
– Szenario 1: Energieabzüge bleiben bestehen: Rund 107,8 Millionen Franken Mindereinnahmen für den Kanton Bern, dazu 54,6 Millionen für die Gemeinden und 4,1 Millionen für die Kirchgemeinden.
– Szenario 2: Energieabzüge werden gestrichen: Rund 57,8 Millionen Franken Mindereinnahmen für den Kanton, 27,6 Millionen für die Gemeinden und 2,1 Millionen für die Kirchgemeinden.
(Quelle: Parlamentarischer Vorstoss 088-2025)
Der Vergleich zeigt: Wenn energetische Sanierungen künftig nicht mehr steuerlich abziehbar sind, fallen die finanziellen Folgen für den Kanton Bern deutlich geringer aus.
Klar ist: Beim Systemwechsel können Wohnungseigentümer ihre allgemeinen Unterhaltskosten nicht mehr von den Steuern abziehen. Offen bleibt hingegen, ob ökologische Verbesserungen an Wohnungen weiterhin abziehbar sein werden. Die Kantone können energetische Sanierungen bis 2050 steuerlich begünstigen. So fordern etwa die Grünen in einem Vorstoss im Kanton St. Gallen, dass auch nach der Abschaffung des Eigenmietwerts Abzüge für Energiemassnahmen bis 2050 möglich bleiben sollen.
Gemeinden im Saanenland: Prognosen über Steuerausfälle bleiben schwierig
Auch die Gemeinden Gsteig, Lauenen und Saanen verfolgen die Entwicklung aufmerksam. Konkrete Abschätzungen über mögliche Mindereinnahmen seien derzeit nicht möglich, sind sich die Gemeinden einig. Die Gründe dafür sind vielfältig: Hans Ulrich Perreten, Finanzverwalter der Gemeinde Lauenen, hält fest, dass die Folgen stark vom Einzelfall abhängen. «Für uns ist eine Berechnung der finanziellen Auswirkung schwierig, da die angenommene Vorlage bei den Steuerpflichtigen individuell einwirkt. Jeder Fall ist anders gelagert.» Auch für Kurt Gyger, Finanzverwalter der Gemeinde Saanen, wäre eine Berechnung nicht seriös: «Die Unterhaltskosten, die heute vom Steuerabzug betroffen sind, schwanken stark, was Berechnungen zusätzlich erschwert.»
Karl Graa, Finanzverwalter der Gemeinde Gsteig, betont, dass für eine allfällige, teilweise Kompensation der Steuerausfälle durch die Zweitwohnungsbesitzenden noch die Beschlüsse und die Schaffung der gesetzlichen Grundlagen dazu seitens Bund, Kantone und der einzelnen Gemeinden beschlossen werden müssten: Dies werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen. «Vor einer allfälligen Einführung einer Sondersteuer müssten wir wissen, wie die Rahmenbedingungen aussehen und welche Spielräume die Gemeinde hat.»
Interessanterweise gab der Regierungsrat 2025 betreffend Steuerausfälle auch eine Einschätzung ab: «Gemeinden mit hohem Zweitwohnungsanteil müssen auf maximal drei Prozent ihrer Steuereinnahmen verzichten; die meisten Gemeinden hätten deutlich geringere Mindereinnahmen.»
(Quelle: Parlamentarischer Vorstoss 018-2025)
Chancen, Risiken und Verwaltungsaufwände
Neben den finanziellen Unsicherheiten beschäftigen auch die organisatorischen Auswirkungen des Systemwechsels. Auf die Frage, welche Chancen und Risiken die Gemeinden sehen, erklärt Kurt Gyger: «Eine Chance liegt darin, dass nicht nur Zweitwohnungsbesitzende, sondern auch Eigentümerinnen und Eigentümer von Erstwohnungen vom Wegfall der Eigenmietwertbesteuerung profitieren. Gleichzeitig bestehe das Risiko, dass Zweitwohnungsbesitzende verärgert werden, wenn sie letztendlich die Steuerausfälle kompensieren müssten.»
Auch zusätzlicher Verwaltungsaufwand könnte entstehen: «Ein allfälliges Zweitwohnungsregister müsste laufend aktuell gehalten werden – ein administrativ anspruchsvoller Zusatzaufwand», so Gyger.
Auch die Steuerverwaltung des Kantons Bern rechnet mit Mehraufwand: «In der Steuerverwaltung werden grössere Verwaltungsaufwände anfallen.» Auf Nachfrage, welche konkreten Aufwände sie meinen: «Es werden beispielsweise Anpassungen unserer Veranlagungssysteme, Anpassung der Steuererklärung, Information und Schulungen, insbesondere auch von Gemeinden, und Anpassung von entsprechenden Fachinformationen nötig sein. Bei der Einführung von Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften würden zudem weitere Aufwendungen unsererseits dazukommen.»
Der Gewerbeverein Saanenland hofft auf klare Bestimmungen
Der Regierungsrat teilte im November 2025 in einer Medienmitteilung mit, dass er beabsichtige, auf Gemeindeebene die Einführung einer zusätzlichen Liegenschafts- bzw. Objektsteuer auf Zweitliegenschaften zu ermöglichen.
Der Gewerbeverein Saanenland hat dazu Stellung genommen: «Aus unserer Sicht scheint es wichtig, so rasch als möglich klare Bestimmungen und Rechtssicherheit zu haben. Dies betrifft die Höhe und Erhebung der Objektsteuer, den Zeitpunkt der Abschaffung des Eigenmietwerts sowie die Definition der Begriffe ‹Zweitliegenschaft› und ‹überwiegend selbstgenutzte Liegenschaft›. So kann für die Steuerpflichtigen Klarheit geschaffen werden, welche Abzüge sie für welche Liegenschaften noch machen dürfen und wie sie anstehende Renovationsarbeiten aus steuerlicher Sicht planen können», so Ana de Moura von T&R Oberland und Mitglied des Gewerbevereins Saanenland.
Fazit
Die Gemeinden brauchen klare Richtlinien. Sie sind darauf angewiesen, dass der Kanton die zusätzliche Liegenschaftssteuer konkretisiert. Der Gewerbeverein Saanenland fordert dabei präzise Definitionen zu Zweitliegenschaften sowie Klarheit über die Höhe der Objektsteuer. Erst wenn diese Grundlagen vorliegen, können die Gemeinden und die Wohneigentümer auf den Systemwechsel angemessen reagieren.


