Immo-Talk: ein Jahrzehnt nach dem Zweitwohnungsgesetz
04.09.2025Als die Zweitwohnungsinitiative 2012 auf Verfassungsebene genehmigt und das entsprechende Anwendungsgesetz drei Jahre später umgesetzt wurde, veränderte es den Schweizer Ferienwohnungsmarkt. Durch die Einschränkung des Baus neuer Zweitwohnungen in Gemeinden, in denen deren ...
Als die Zweitwohnungsinitiative 2012 auf Verfassungsebene genehmigt und das entsprechende Anwendungsgesetz drei Jahre später umgesetzt wurde, veränderte es den Schweizer Ferienwohnungsmarkt. Durch die Einschränkung des Baus neuer Zweitwohnungen in Gemeinden, in denen deren Anteil bereits 20 Prozent überstieg, traf das Gesetz Regionen wie das Saanenland besonders hart. Damals äusserten die lokalen Makler Cyrille de Kostine und Louis Martin ihre Besorgnis über die Auswirkungen des Gesetzes. Mehr als zehn Jahre später berichten sie, wie sich der Markt verändert hat, was sie richtig eingeschätzt haben und wo es zu unerwarteten Folgen gekommen ist.
Können Sie uns einen Überblick über den aktuellen Immobilienmarkt geben?
Cyrille de Kostine (CK): Es ist wichtig zu erwähnen, dass wir keinen Zugang zu offiziellen Zahlen aus den Grundbüchern haben, da die Gemeinden Rougemont und Saanen diese nicht erheben. Als Immobilienmakler kennen wir den Markt nur durch die Immobilien, die wir verwalten. Wir können keinen vollständigen Überblick geben, aber wir sehen, dass beispielsweise Château-d’Oex und das Saanenland sehr unterschiedlich sind.
Louis Martin (LM): Genau. In Châteaud’Oex und Rossinière stehen mehr Immobilien zum Verkauf, während die Nachfrage in Rougemont und im Saanenland, wo das Angebot begrenzter ist, höher ist. In Château-d’Oex gibt es ein grösseres Angebot an Immobilien zum Verkauf, mit einem gewissen Verhandlungsspielraum. In Rougemont und im Saanenland sind die Verkäufer in der Regel in einer stärkeren Position.
CK: Zusammenfassend lässt sich sagen: Rougemont und sicherlich auch Gstaad sind ein Markt für sich. Es ist schwierig, dort einen Standardpreis für eine Immobilie festzulegen.
Vor zehn Jahren haben Sie beide sich zur Zweitwohnungsinitiative geäussert. Hängt die heutige Nachfrage in Gstaad und Rougemont damit zusammen, oder war der Markt damals schon ähnlich?
CK: Der Immobilienmarkt ist wie viele andere Sektoren zyklisch. Er wurde von Krisen wie dem Crash von 2008 und zuletzt der Covid-19-Pandemie beeinflusst. In unserer Region gibt es eigentlich zwei Märkte: einen für diejenigen, die sich hier dauerhaft niederlassen, oft aus steuerlichen Gründen, und einen für Zweitwohnungskäufer. In den Jahren 2018 bis 2019 war der Zweitwohnungsmarkt eher ruhig; die Leute waren weniger interessiert.
LM: Ja, 2019 war ein extrem ruhiges Jahr für Zweitwohnungen. Nur wenige Hauptwohnsitze wechselten den Besitzer. Dann weckte Covid erneut das Interesse an Immobilien in den Bergen, an Orten, wo man sich zurückziehen und Zeit mit der Familie verbringen sowie wieder eine Verbindung zur Natur aufbauen kann. Es war der perfekte Moment für Immobilien hier.
CK: Und weil das Zweitwohnungsgesetz erwartet worden war, starteten viele Bauträger Projekte, bevor es in Kraft trat. Das bedeutete, dass noch reichlich Bestand verfügbar war, gerade als die Nachfrage wieder zu steigen begann. Von 2020 bis 2023 war der Markt sehr aktiv. Einige Kunden kauften sogar Bergwohnungen, ohne sie persönlich zu besichtigen.
Hat das Zweitwohnungsgesetz die Preise für Hauptwohnsitze erhöht?
CK: Die Kosten für den Bau eines
Hauptwohnsitzes sind in etwa die gleichen wie für einen Zweitwohnsitz. Aber zwischen 2012 und 2015, den Jahren der Ungewissheit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes, verlangsamte sich der Markt. Damals glaubte man, dass Hauptwohnsitze 30 bis 45 Prozent weniger kosteten als Zweitwohnsitze.
Diese Annahme hat sich im Laufe der Zeit weitgehend gelegt.
LM: Die Beschränkungen für Erstwohnsitze bleiben weiterhin bestehen, aber die Preise haben sich angenähert. Heute werden einige Erstwohnsitze trotz der strengen Beschränkungen nur etwa 15 Prozent günstiger verkauft als vergleichbare Zweitwohnsitze.
Und was bedeutet das für die lokale Bevölkerung – für Familien, die einen Erstwohnsitz kaufen wollen?
LM: Das Zweitwohnungsgesetz zielt darauf ab, Zweitwohnsitze einzudämmen und eine übermässige Bebauung zu verhindern, indem es den Bau neuer Zweitwohnsitze in Gemeinden verbot, in denen deren Anteil bereits 20 Prozent überschritten hatte. Was nicht vorhergesehen wurde, war, dass die Nachfrage nach Zweitwohnungen nicht zurückgehen würde – tatsächlich stieg sie sogar an. Da keine neuen Objekte mehr zugelassen waren, wandten sich die Käufer älteren Chalets zu, die vor Inkrafttreten des Gesetzes gebaut worden waren und weiterhin als Haupt- oder Zweitwohnsitz genutzt werden können. Dies hat zu einem Preisdruck geführt. Kleine Chalets, deren Renovierung sich Einheimische früher leisten konnten, werden nun als Zweitwohnungen gekauft. Einheimische werden aus dem Markt gedrängt.
CK: Ich glaube, das Gesetz war für unsere Region schlecht geeignet. In Graubünden mag es funktioniert haben, aber im Saanenland hat es sein Ziel verfehlt. Das Ziel, den lokalen Besitz zu erhalten, wurde weder in finanzieller noch in regulatorischer Hinsicht erreicht.
Vor zehn Jahren haben Sie sich Sorgen um die Bauunternehmen gemacht. Wie sieht die Situation heute aus?
LM: Heute läuft das Baugeschäft gut. Die Nachfrage nach Renovierungen ist hoch und die Auftragsbücher sind voll.
CK: Das war zwischen 2013 und 2015 nicht der Fall, als es zu Entlassungen kam. Da viele Firmen hier jedoch vergleichsweise klein sind und nur drei bis zehn Mitarbeiter beschäftigen, konnten sie sich schneller anpassen. Dennoch waren die wirtschaftlichen Auswirkungen damals deutlich spürbar.
Wie hat sich Ihr Beruf mit diesen Veränderungen entwickelt?
CK: Die Immobilienvermittlung in der Schweiz ist ein völlig liberaler Beruf, für den keine offizielle Zertifizierung erforderlich ist. Aber unsere Region ist in Bezug auf Vorschriften besonders komplex. Wir haben es mit landwirtschaftlichen Zonen, ländlichen Grundstücksgesetzen, Bebauungsbeschränkungen, Vorschriften für ausländische Käufer (LFAIE) und dem Zweitwohnungsgesetz zu tun. Das Umfeld ist komplexer als in den Städten.
Hat sich die Kundschaft in den letzten zehn Jahren verändert?
CK: Bis zu einem gewissen Grad schon. Grosse Immobilien werden, sofern sie nicht unterteilt sind, in der Regel von Schweizer Einwohnern gekauft. Etwa die Hälfte meiner Kunden wohnt in der Schweiz, der Rest kommt überwiegend aus Europa, nur wenige – weniger als zehn Prozent – stammen aus dem Rest der Welt.
LM: Bei mir sind etwa zwei Drittel der Kunden Schweizer Einwohner. Aber in Château-d’Oex haben wir einen Grossteil der britischen Kundschaft verloren. Ein Partner in Grossbritannien erzählte uns, dass seine Kunden sich jetzt für Savoyen oder günstigere Gegenden in der Schweiz entscheiden. Der «mittlere Markt» der Käufer, die zwischen 600’000 und zwei Millionen Franken ausgeben wollen, ist hier verschwunden. Ich arbeite immer noch mit Kunden aus Frankreich, Belgien, den Niederlanden und gelegentlich Italien zusammen.
Das Zweitwohnungsgesetz hat den Markt auf eine Weise verändert, die nicht immer vorhersehbar war – es hat die Preise in die Höhe getrieben und das neue Angebot eingeschränkt. Gleichzeitig hat es aber auch die Einzigartigkeit der Region gestärkt: einen eng verbundenen Markt, in dem Immobilien ihren Wert behalten und die Nachfrage weiterhin die Attraktivität des Lebens in den Alpen bestätigt. Zehn Jahre später bleibt das Saanenland widerstandsfähig, mit einem dynamischen Immobiliensektor, der sich an Veränderungen anpasst und weiterhin sowohl Schweizer als auch internationale Käufer anzieht.
TEXT VON MARY MEYER FÜR «GSTAADLIFE»/
ÜBERSETZUNG AVS