Ein seit über 2000 Jahren unter Eis begrabener Pass taucht wieder auf
12.08.2022 RegionIm Gebiet des Glacier 3000 ist der Pass, der die Gletscher Scex Rouge und Tsanfleuron voneinander trennt, nun teilweise vom Eis befreit, das ihn seit mehreren Tausend Jahren bedeckt hat.
Die beiden Gletscher verloren in diesem Sommer etwa dreimal so viel an Dicke wie im Durchschnitt der letzten 10 Jahre.
Mindestens seit der Römerzeit unter Eis begraben
Ersten Schätzungen zufolge ist der Col de Tsanfleuron – ein dünner Landstrich zwischen den Kantonen Waadt und Wallis auf 2800 Metern Höhe – mindestens seit 2000 Jahren mit Eis bedeckt, wahrscheinlich sogar noch länger. Gemäss dem Glaziologen Mauro Fischer, Forscher an der Universität Bern, könne man jedoch ohne weitere Untersuchungen nicht sagen, ob der Pass während der letzten Zwischeneiszeit vor etwa 6000 Jahren (Klimaoptimum des Holozäns) wirklich unter dem Eis lag.
Auf jeden Fall wird der Pass in einigen Wochen vollständig eisfrei sein. Während Messungen im Jahr 2012 an dieser Stelle eine Eisdicke von etwa 15 Metern ergaben, wird das Land bis Ende September gänzlich zum Vorschein kommen. Der Sommer 2022, der auf einen niederschlagsarmen Winter folgte, war in der Tat katastrophal für die Gletscher. Mauro Fischer, der sich regelmässig vor Ort befindet, vermutet: «Der Verlust an Gletscherdicke in der Region Les Diablerets wird dieses Jahr im Vergleich zu den letzten zehn Sommern durchschnittlich dreimal höher sein.»
Zweifellos ein Einfluss auf das Skigebiet
In der nahen Zukunft beeinflussen diese Veränderungen die Nutzung des Gletschers für den Schneesport erheblich. Ursprünglich konnten Skifahrer vom Tsanfleuron-Gletscher bis zum Sessellift am unteren Ende des Scex-Rouge-Gletschers fahren, der sie zur gleichnamigen Seilbahnstation hinaufführte. Jetzt, da der freigelegte Pass die beiden Gletscher trennt, werden Überlegungen angestellt, wie die vorhandene Infrastruktur angepasst werden kann: «Wir planen die Erneuerung der Anlagen in diesem Bereich in den nächsten Jahren. Eine Idee wäre, die Trasse des aktuellen Sessellifts zu versetzen, um einen direkteren Zugang zum Tsanfleuron-Gletscher zu ermöglichen», erklärt Bernhard Tschannen, Direktor der Seilbahnen. Anstelle des Scex-Rouge-Gletschers wird wahrscheinlich in den nächsten 10 bis 15 Jahren ein natürlicher See entstehen. Er dürfte eine Tiefe von etwa zehn Metern und ein Volumen von 250’00 Kubikmetern erreichen.
Wichtige Massnahmen zum Umweltschutz
Bernhard Tschannen freut sich zwar keinesfalls über ein solches Phänomen, ist aber dennoch beeindruckt von diesem Ereignis: «Seit mehr als 2000 Jahren hat niemand mehr diesen Ort betreten, das ist sehr bewegend!»
Glacier 3000 hat in letzter Zeit wichtige Umweltschutzmassnahmen ergriffen. Das Unternehmen verbraucht nun ausschliesslich Strom aus Schweizer Wasserkraft. Kurzfristig laufen mehrere Projekte, um die Energieautonomie der Infrastruktur durch die Produktion erneuerbarer Energien vor Ort sowie die Energieeffizienz der Skilifte zu erhöhen. Experten meinen übrigens, dass der Betrieb von Skipisten keine negativen Auswirkungen auf die Eisschmelze hat. Im Gegenteil: Der verdichtete Schnee schmilzt langsamer und schützt den Gletscher so länger vor der Sommersonne. Ausserdem werden Teile des Gletschers im Frühjahr mit Planen abgedeckt, um das Eis während der Sommermonate zu schützen.
PD