Die letzte Versammlung von langjährigen Politikern
17.12.2024 GstaadBei der letzten Gemeindeversammlung des Jahres wurden mehrere Amtsträger verabschiedet, darunter Louis Lanz und Toni von Grünigen. Neben Dank und Lob für ihren Einsatz prägten kritische Worte zur politischen Lage und ein Appell für mehr Respekt und Zusammenhalt ...
Bei der letzten Gemeindeversammlung des Jahres wurden mehrere Amtsträger verabschiedet, darunter Louis Lanz und Toni von Grünigen. Neben Dank und Lob für ihren Einsatz prägten kritische Worte zur politischen Lage und ein Appell für mehr Respekt und Zusammenhalt den Abschluss des Abends.
JOCELYNE PAGE
Die Saaner Gemeindeversammlung war nicht nur die letzte in diesem Jahr, sondern auch die letzte für viele Amtsträger, so unter anderem für die Gemeinderäte Hans Peter Schwenter und Thomas Frei. Gemeindepräsident Toni von Grünigen bedankte sich bei seinen Kollegen für ihre tatkräftige Arbeit. Schwenter habe als Verantwortlicher der Bildungskommission jedes Reglement jeweils ganz genau durchgelesen – sein scharfes Auge habe alles überprüft. Thomas Frei als Verantwortlicher Projekte habe jeweils die andere Seite beleuchtet und dadurch wertvolle Überlegungen eingebracht.
Die letzten acht Jahre verantwortete Louis Lanz als Präsident die Gemeindeversammlungen, dies jeweils «kompetent und humorvoll», so Toni von Grünigen. Im Juni 2018 habe er die Gemeindeversammlung mit 68 Anwesenden genauso souverän geführt wie diejenige in der Tennishalle im Juni 2024 mit 763 Stimmbürger:innen. Er habe den Willen der Stimmberechtigten immer zum Ausdruck gebracht, so wie auch die Anliegen des Gemeinderates. «Dies stärkte das Vertrauen in die Gemeindeversammlung», sagte von Grünigen.
Für den Vize Albert Bach habe es für einen Einsatz gereicht, dies im März 2023. «Er war wie ein Sportler auf der Ersatzbank, der stets auf seinen Einsatz wartete», meinte von Grünigen, die Anwesenden pflichteten ihm amüsiert bei. Nun gehe sein «achtjähriger Pikettdienst» zu Ende.
Gedanken zur politischen Lage
Louis Lanz nahm die Möglichkeit wahr, seine Gedanken zur globalen und regionalen politischen Lage zu äussern. Ihn beunruhige die Entwicklung in den Vereinigten Staaten, dass ein Mann, der einst Präsident war und sich immer noch nicht vom Sturm auf das Capitol distanziert habe, wieder gewählt wurde. Ein Land, welches einst der Hüter der Demokratie war. Russland spüre die Schwäche der westlichen Länder und schlage deshalb mit «unfassbarer Grausamkeit» gegen die Ukraine zu, um den Westen zu teilen.
Täglich würden unschuldige Zivilisten sterben. Es könne sein, dass ein paar Flüchtlinge unrechtmässig in der Schweiz seien, «aber ich bin der Meinung, dass dies immer ungerechter politisch ausgeschlachtet wird. Ich bin mir sicher, dass die meisten dieser Personen gerne nach Hause gehen würden, wenn es möglich wäre. Wir sollten deshalb vorsichtig sein mit Urteilen über solche Personen», so Lanz. Wir sollten vielmehr die Sicherheit unserer Heimat schätzen und diejenigen schützen, die Schutz brauchen. Auch in der Schweiz und im Saanenland habe er eine fehlende Toleranz wahrgenommen. Im Saanenland könne die starke SVP auf ihren hohen Wähleranteil stolz sein, dies verdiene grossen Respekt. «Leider fällt die Partei schweizweit immer wieder auf mit polemisierenden Aussagen. Natürlich braucht es eine gewisse Zuspitzung, um gehört zu werden. Wenn es aber zulasten von anderen geht, finde ich dies weder nötig noch konstruktiv», so Lanz. Die Partei solle deshalb vielmehr Rücksicht nehmen und die Mehrheiten für das Gute im Land nutzen.
Bei den Linken beziehungsweise Mitte-Linken im Saanenland spüre er, dass sich diese oftmals unter ihrem Wert verkaufen. Sie sollten vielmehr ihre Kräfte bündeln und Allianzen bilden, um ihre für die Gesellschaft wichtigen Anliegen einbringen zu können. «Wir haben einen Ausländeranteil von 38 Prozent in unserer Gemeinde, viele davon sind stimmberechtigt. Ich bin überzeugt, dass darunter viele die Interessen der Linken vertreten würden, man muss nur auf sie zugehen.»
Und auch bei seiner eigenen Partei, der FDP, übte Lanz Kritik. In einer zunehmend egoistischen Gesellschaft sei seine Partei besonders vom Individualismus betroffen. «Sie schauen auf ihr eigenes Wohlergehen. Wir müssten aber doch beweisen, dass eine gute Wirtschaft und Wohlstand nur funktioniert, wenn man aktiv bei der Politik mitmacht. Der Freisinn sollte mit seiner Offenheit für das einstehen.»
Zuletzt äusserte er sich noch über die Organisationsform der Gemeinde Saanen. «Unsere Gemeinde ist eigentlich eine Firma mit 100 Millionen Franken Umsatz. Sie ist die mit Abstand grösste und wichtigste Organisation in unserer Region», meinte Lanz. Seiner Meinung nach brauche es Reformen, damit beispielsweise ein 100-Prozentpensum für das Gemeindepräsidium und ein kleiner oder grosser Gemeinderat geschaffen werde, damit fundiert über die jeweiligen Geschäfte diskutiert werden könne. «Über bestimmte grössere Projekte könnte immer noch die Gemeindeversammlung abstimmen.»
Verschiedene Rosen für von Grünigen
Und Toni von Grünigen verabschiedete sich ebenfalls persönlich von den Stimmberechtigten. Es habe ihm immer Freude und Begeisterung bereitet, für die Gemeinde Politik zu betreiben. Klar sei es auch herausfordernd gewesen, aber am Ende gehe es stets darum, «Respekt vor der Sache» zu haben. Er habe den Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit den Vereinen und Institutionen sowie den Parteien immer sehr geschätzt. Und stets sei er von seiner Familie tatkräftig unterstützt worden. Den Nachfolgern wünsche er, dass auch sie diese Freude und Begeisterung für die spannende Aufgabe empfinden werden.
Seine Nachfolgerin Petra Schläppi überreichte ihm einen Strauss bunter Rosen. Manche seien aufgeblüht, andere introvertiert, manche hätten Dornen, manche nicht. «So waren auch wir im Gemeinderat und du hast uns alle immer so angenommen, wie wir sind.» Er habe jede Person, egal ob normaler Bürger oder Millionär, immer gleich behandelt, denn er sei allen stets mit Respekt begegnet. Er sei ein «stiller Schaffer» gewesen, habe vieles bewegt und getragen.