Er weiss, wo der Hammer hängt

  17.10.2022 Gstaad

Adrian Büttler wurde in Solothurn aus- und in Bern weitergebildet. Heute arbeitet er in Gstaad und nimmt zusammen mit Arbeitgeber und Experte Rudolf Mösching an den WorldSkills in Bordeaux teil: Der junge Berufsmann ist motiviert und wettkampferfahren.

KEREM S. MAURER
Adrian Büttler (23) ist gelernter Gipser/ Trockenbauer, Maler sowie Stukkateur-Vorarbeiter und Stukkateur-Polier. In der Tiefgarage der Mösching Maler und Gipser AG in Gstaad bereitete sich der solid ausgebildete Berufsmann auf seine bisher grösste Herausforderung vor: die Berufsweltmeisterschaften, sprich WorldSkills, an denen er in seinem angestammten Beruf als Gipser/Trockenbauer antritt. Im Jahr 2018 hat Büttler an den SwissSkills, die damals wie heuer in Bern stattgefunden haben, teilgenommen und wurde Zweiter. Drei Jahre später reiste er an die EuroSkills nach Graz, wo er Dritter wurde. Und nun reist Adrian Büttler an die WorldSkills, die vom 19. bis 22. Oktober für seine Berufsgattung in Bordeaux stattfinden. Die diesjährigen WorldSkills finden erstmals dezentral statt (siehe Kasten).

Medaillen sind nicht das Wichtigste
Mit einer silbernen und einer bronzenen Medaille, die Büttler an Berufsmeisterschaften bereits gewonnen hat, würde eine goldene den Medaillensatz voll machen – oder? «Medaillen waren mir nie so wichtig. Ich gebe mein Bestes und wenn ich am Ende des Tages mit mir zufrieden bin, ist das für mich mehr wert als eine Medaille», sagt er. Das ganze Drumherum an Berufsmeisterschaften sei fantastisch, und dass er jetzt sogar an den WorldSkills teilnehmen könne, sei «so unglaublich super cool», das könne man sich gar nicht vorstellen. Die Berufswettbewerbe in Bern und Graz haben ihm schon sehr viel gebracht. «An solchen Skills sieht man Dinge, die man sonst nie zu sehen bekommt. Die beruflichen Erfahrungen sind unbezahlbar», schwärmt er. Und dass er «nur» nach Bordeaux reist und nicht nach Shanghai, wo die WorldSkills ursprünglich hätten stattfinden sollen, ist ihm egal. «Mir spielt es keine Rolle, wo die Skills stattfinden», betont er und erzählt, dass sie in China in einer Bubble hätten leben müssen. Flugzeug – Hotel – Wettkampf – Hotel – Flugzeug – fertig. In Bordeaux aber könnten sie, wenn alles vorbei ist, in den Ausgang gehen. «Darauf freue ich mich sehr. Ich war noch nie in Bordeaux», sagt er lachend.

Mit 242 Werkzeugen in der Kiste
«Ich trainierte während zwei Monaten für die WorldSkills. Neben all den technischen Dingen lernte ich auch auswendig, welches Werkzeug sich wo in der Werkzeugkiste befindet», erklärt der Kandidat. Dazu muss man wissen, dass sich in Adrian Büttlers Werkzeugkiste mit den enormen Ausmassen von 175cm×75cm×75cm sage und schreibe 242 Werkzeuge befinden. «Es geht nicht nur darum, exakt und sauber zu arbeiten, es geht auch um die Schnelligkeit. Und ich will definitiv keine Zeit verlieren, nur weil ich Werkzeuge suchen muss», stellt er klar. Auf die Rolle Rudolf Möschings angesprochen, der nicht nur sein Arbeitgeber, sondern auch sein persönlicher Betreuer und zugleich der Chefexperte des Wettbewerbs ist, sagt Büttler: «Das ist ein Vorteil, denn er kennt die Bewertungskriterien sehr gut und kann mir sagen, wo ich mich noch verbessern kann.» Andererseits könne dies vor Ort ein Nachteil sein, weil Rudolf Mösching als Chefexperte nicht nur für ihn allein zuständig sei. Büttler kennt diese Situation von den EuroSkills, wo sein Betreuer auch Chefexperte war.

Einfach nicht nervös sein
Sie seien aus der ganzen Schweiz nur drei Kandidaten in ihrem Team, weiss Adrian Büttler. Jeder habe einen Trainer dabei. Dazu kommen zwei Teamleader, von denen einer für das Mentale zuständig ist und der andere für die Verpflegung.

Am Mittwoch gehts los. Wie steht es mit der Nervosität? Letzthin habe er mit einem Bekannten telefoniert, erzählt Büttler. Der habe ihm eine halbe Stunde lang immer wieder gesagt, er solle ja nicht nervös sein. «Wenn ich nervös werden sollte, denke ich an diesen Bekannten – und bin einfach nicht nervös», sagt Büttler und lacht. Bis es so weit war und die kleine Delegation nach Bordeaux aufgebrochen ist, trainierte er fleissig in Rudolf Möschings Tiefgarage und merkte sich, wo die Werkzeuge hingehören, damit er in Bordeaux weiss, wo der Hammer hängt.


WORLDSKILLS 2022 – SCHWEIZ MIT GROSSEN AMBITIONEN

Vom 4. Oktober bis Ende November kämpft ein insgesamt 37-köpfiges Schweizer Berufsnationalteam an der dezentral in 15 Ländern durchgeführten WorldSkills Competition 2022 um die Weltmeisterschaftstitel. Das SwissSkills-Nationalteam will sich einmal mehr als eine der führenden Nationen an den Berufsweltmeisterschaften behaupten.

Nach der pandemiebedingten Absage der in Shanghai geplanten WorldSkills 2022 entstand diesen Frühling, unter anderem auf Initiative von SwissSkills, ein alternatives dezentrales Format. Statt nur in einem Land finden die WorldSkills Competition 2022 Special Edition in 15 Ländern statt. Dabei werden 14 der insgesamt 62 Wettkämpfe in der Schweiz durchgeführt. Kein anderes Land führt mehr Wettkämpfe durch.

Gemäss einer Medienmitteilung der Stiftung SwissSkills haben die jungen Schweizer Berufsleute seit mehr als einem Jahr rund 1000 Vorbereitungsstunden investiert. Dabei hätten sie auf grosse Unterstützung von Arbeitgebern, Berufsverbänden, Expertinnen und Experten sowie dem familiären Umfeld zählen können.

Das Schweizer Team startet mit grossen Erwartungen in die Wettkämpfe. Laurent Seppey, Chef-Teamleader des Schweizer Teams, lässt sich in erwähnter Medienmitteilung wie folgt zitieren: «Wir werden eine starke Leistung abliefern. Das dezentrale Format ist ein Vorteil für uns Schweizerinnen und Schweizer. Wir sind aus unserem Arbeitsalltag gewohnt, mit besonderen Situationen umzugehen, wie sie sich durch die dezentral organisierten Wettkämpfe ergeben.»

KEREM MAURER


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