Serverausfall: Websites und Mailaccounts seit Tagen nicht verfügbar
04.12.2025 WirtschaftEin Hardwaredefekt des Webhostinganbieters Webland sorgt seit über einer Woche bei zahlreichen Nutzern für unerreichbare Websites und Mailaccounts. Auch Saaner Unternehmen sind betroffen. Einige überlegen sich, rechtlich gegen Webland vorzugehen. Wie stehen die ...
Ein Hardwaredefekt des Webhostinganbieters Webland sorgt seit über einer Woche bei zahlreichen Nutzern für unerreichbare Websites und Mailaccounts. Auch Saaner Unternehmen sind betroffen. Einige überlegen sich, rechtlich gegen Webland vorzugehen. Wie stehen die Chancen?
KEREM S. MAURER
Der Hardwaredefekt des Schweizer Webhosting-Anbieters Webland AG und der damit verbundene Totalausfall der Server führte den Betroffenen brutal vor Augen, was digitale Abhängigkeit bedeutet und wie es sich anfühlt, wenn sie nicht mehr funktioniert. Seit Montag, 24. November geht in einigen Betrieben wenig bis gar nichts mehr. Betroffen sind in erster Linie Websites und Mailaccounts. Von den rund 75’000 Domains, welche Webland nach eigenen Angaben schweizweit verwaltet, liegen auch einige im Saanenland. Ein solcher Ausfall in der umsatzstärksten Zeit des Jahres kann grosse finanzielle Schäden verursachen. Ob sich ein juristisches Vorgehen gegen Webland lohnt, ordnet Rechtsanwalt Lukas Breu ein (siehe Kasten).
Verärgerte Kunden
«Wir stellten am 19. November erste Ausfälle bei den E-Mails fest und seit dem 24. geht gar nichts mehr», sagt beispielsweise Olivier Reichenbach von der Daniel Reichenbach Holzofenbau AG in Grund bei Gstaad auf Anfrage. Ähnliches war auch von der Chaletbau von Allmen AG aus Gstaad zu vernehmen. Geschäftsführer Hannes Marmet findet den Ausfall der Mailaccounts «sehr mühsam». Insbesondere wenn man Offertanfragen nicht erhalte oder nicht wisse, ob oder wie Kunden auf Offertantworten reagierten. «Bei bekannten Kunden weichen wir auf andere Kanäle wie WhatsApp aus, bei den anderen geht das leider nicht», sagt Marmet, und: «Glücklicherweise können wir dennoch weiterarbeiten und müssen nicht gleich den Betrieb schliessen.» Dennoch sei ein Imageschaden daraus entstanden. Auch Hansjörg Beck, Betreiber des Ciné-Theaters Gstaad, ärgert sich: «Das Dumme ist, dass ich die digitalen Schlüssel, um die Filme abzuspielen, per E-Mail bekomme. Und wenn diese nicht ankommen, hab ich den Code nicht und kann die Filme nicht starten.»
Vertrauensverlust
Solche Zwischenfälle können sich auf das Vertrauen zum Hostinganbieter auswirken – auch wenn sie zugegebenermassen bislang bei webland.ch selten vorgekommen sind. «Wir sind seit 2005 bei webland.ch, seitdem ist noch nie so etwas vorgefallen», sagt Olivier Reichenbach und ergänzt: «Wer sich mit der IT-Thematik befasst, weiss, dass immer etwas passieren kann.» Nicht ganz so gelassen sieht es Hannes Marmet, der sich erhofft hatte, dass es mit einer «Schweizerbude» besser klappe. «Mein Vertrauen zu Webland hat sehr stark gelitten, ich überlege mir ernsthaft einen Wechsel zu einem anderen Anbieter.» Doch zuvor will er abwarten, bis alles wieder funktioniert. Wichtig ist für ihn, dass er alle Mails, die ihm seit dem 24. November nicht zugesendet werden konnten, im Nachhinein erhält.
Webland lehnt Haftung ab
Am Donnerstag, 4. Dezember, um Redaktionsschluss schreibt webland.ch auf ihrer Website: «Die Mailserver MS01, MS02, MS04, MS06, MS07, MS10 und MS12 sind online und vollständig funktionsfähig. Die Mailserver MS03, MS05, MS08, MS09 und MS11 befinden sich in unterschiedlichen Phasen des Kopiervorgangs oder in der Vorbereitung. Sobald die Datenübertragung und die anschliessende Verifizierung abgeschlossen sind, werden auch diese online gebracht.» Die Websites seien wieder erreichbar und weitere Dienste erfolgreich stabilisiert worden.
Der durch den Serverdefekt verursachte Schaden sei bei bestimmten Unternehmen sehr gross, schreibt beispielsweise Watson.ch und beziffert den errechneten Schaden eines Unternehmens auf über 80’000 Franken. Schadensersatzforderungen seien bei Webland.ch auch schon eingegangen, bestätigte das Unternehmen gegenüber anderen Medien. In ihren AGB lehnt Webland solche Forderungen jedoch ab.
EINSCHÄTZUNG VON LUKAS BREU, MLAW RECHTSANWALT VON DER KANZLEI BREU-STEINER IN GSTAAD
Grundsätzlich können Betroffene zivilrechtlich Schadenersatz einklagen. Da Webland in der Schweiz sitzt, wäre das Verfahren hierzulande möglich. Allerdings sind die Erfolgsaussichten gering, aus drei Gründen:
1. Webland hat sich vertraglich abgesichert. In den AGB steht: «Webland übernimmt für das störungsfreie Funktionieren der angebotenen Dienstleistungen keine Gewährleistung. Die Qualität der Daten, das ununterbrochene sowie das Funktionieren der Dienstleistung zu einem gewissen Zeitpunkt kann von Webland nicht garantiert werden.»
Das bedeutet: Webland verspricht keine absolute Verfügbarkeit. Selbst wenn eine Vertragsverletzung angenommen würde, enthalten die AGB zusätzlich eine weitreichende Haftungsbeschränkung, die rechtlich zwar nicht in jedem Detail unproblematisch, aber im Grundsatz wirksam ist. Ob die AGB mit den Vertragspartnern jeweils gültig vereinbart wurden, wäre im Einzelfall zu prüfen.
2. Aktuell ist nicht bekannt, was die Störung ausgelöst hat. Wenn Webland zeigen kann, dass sie kein Verschulden trifft – etwa, weil ein Hardwarefehler beim Hersteller lag –, wird ein Anspruch auf Schadenersatz kaum durchsetzbar sein.
3. Selbst wenn die Haftungsbeschränkung nicht greifen würde, müsste der Schaden konkret nachgewiesen werden. Gerade bei Ertragsausfällen stellen die Gerichte hohe Anforderungen. Es reicht nicht zu sagen: «Wir haben Umsatz verloren.» Stattdessen müsste belegt werden, wie viel man ohne den Ausfall des Mailhostings konkret verdient hätte. In der Regel haben Betriebe noch andere Kommunikationskanäle als E-Mail und Website. Webland wird argumentieren, dass der Umsatzverlust auf andere Ursachen zurückzuführen sei. Hinzu kommt: Der Kläger trägt die Gerichtskosten sowie die eigenen und gegnerischen Anwaltskosten, wenn er verliert. Ohne Rechtsschutzversicherung ist ein Prozess mit erheblichen Kostenrisiken verbunden.
Klageeinreichung mit dem Ziel einer Vergleichslösung?
Normalerweise geht einem Gerichtsverfahren ein Einigungsversuch voraus. Doch Webland wird sich erfahrungsgemäss davor hüten, ein Signal zu setzen, das andere Kläger ermutigt, ebenfalls rechtliche Schritte einzuleiten. Wenn bekannt würde, dass sie sich mit einzelnen Klägern vergleichen, könnten andere folgen. Die Ausgangslage für eine Vergleichslösung bewerte ich deshalb ebenfalls als herausfordernd.
Fazit
Man sollte sehr genau prüfen, ob sich ein Verfahren lohnt. Die Chancen, diese Hürden zu überwinden, sind eher gering. Es besteht die Gefahr, gutes Geld dem schlechten nachzuwerfen.
KMA


