Liv Staub und Marco Minnig tauchten wortwörtlich in eine alte Buchdruckertradition ein: Sie wurden ganz traditionell im Brunnen «gegautscht».
JONATHAN SCHOPFER
Nichts ahnend waren die frisch diplomierte Polygrafin und der frisch diplomierte ...
Liv Staub und Marco Minnig tauchten wortwörtlich in eine alte Buchdruckertradition ein: Sie wurden ganz traditionell im Brunnen «gegautscht».
JONATHAN SCHOPFER
Nichts ahnend waren die frisch diplomierte Polygrafin und der frisch diplomierte Mediamatiker noch an ihren Arbeitsplätzen beschäftigt, als Gautschmeisterin Anita Moser das Büro betrat und mit dem traditionellen Ruf «Packt an!» das Schauspiel einläutete. Mitten im Büro wurden sie von ihren Kolleginnen und Kollegen der Müller Marketing & Druck AG und der Müller Medien AG kurzerhand gefesselt.
Was wie ein scherzhafter Überfall wirkt, hat eine lange Geschichte: Das so genannte Gautschen ist ein jahrhundertealter Brauch aus der Welt des Buchdrucks. Seine Ursprünge lassen sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen, als frischgebackene Druckerlehrlinge mit einer symbolischen Wassertaufe in die Gilde der sogenannten Schwarzkünstler aufgenommen wurden. Bis heute wird diese fröhliche Zeremonie gepflegt – so auch in Gstaad.
Widerstand ist zwecklos
Für Marco war klar: «Widerstand nützt eh nichts.» Und so liessen sich beide ohne grosses Sträuben unter ausgelassener Stimmung in ein kleines Wägelchen setzen, das sie – begleitet von Kolleginnen, Kollegen und ihren Familien – durch die Gstaader Promenade zum Chälblibrunnen brachte. Liv meinte dazu trocken: «Ich hatte heute Morgen schon so ein Gefühl und habe mir ernsthaft überlegt, ob ich eine Taucherbrille mit zur Arbeit nehmen soll.»
Ins kalte Wasser geworfen und in die Gilde Gutenbergs aufgenommen
Auf dem Chälblibrunnen stehend verlas die Gautschmeisterin den traditionellen «Gautschbrief». Anschliessend wurde Liv von ihren Fesseln befreit und ins kalte Wasser getaucht. Wieder aus dem Brunnen gestiegen, konnte sie mitverfolgen, wie auch Marco wenig später im Brunnen landete. Mit dieser Zeremonie werden die Berufsabsolventinnen und -absolventen der grafischen Branche offiziell in die ehrwürdige Gilde aufgenommen.
Anschliessend wurde bei einem Apéro auf den erfolgreichen Lehrabschluss und die gelungene Taufe angestossen: beide natürlich bereits wieder in trockene Kleider gehüllt.