Ferienbetreuung – mehr als ein Herzensprojekt
09.08.2024 SaanenWährend sechs Wochen pro Schuljahr bietet die Gemeinde Saanen Ferienbetreuung für Kinder ab Kindergartenalter an. Für die Leiterin Erika Hefti ist es ein Herzensprojekt, für viele Eltern eine grosse Erleichterung.
ANITA MOSER
In immer mehr ...
Während sechs Wochen pro Schuljahr bietet die Gemeinde Saanen Ferienbetreuung für Kinder ab Kindergartenalter an. Für die Leiterin Erika Hefti ist es ein Herzensprojekt, für viele Eltern eine grosse Erleichterung.
ANITA MOSER
In immer mehr Familien arbeiten beide Elternteile. Die einen, weil sie aus wirtschaftlichen Gründen müssen, die anderen weil sie wollen. Arbeitnehmende haben in der Regel zwischen vier und sechs Wochen Ferien pro Jahr. Ihre schulpflichtigen Kinder vierzehn Wochen. Für die Eltern ist das eine grosse Herausforderung, nicht alle haben Grosseltern, Bekannte und Freunde, welche die Kinder betreuen können. Seit zwei Jahren bietet die Gemeinde Saanen deshalb während sechs Wochen pro Jahr Ferienbetreuung für Kinder ab dem ersten Kindergartenjahr an (siehe Kasten). «Die Ferienbetreuung entspricht einem grossen Bedürfnis, in der Regel betreuen wir von Montag bis Freitag täglich über 20 Kinder», betont Erika Hefti. Die Sozialpädagogin – sie ist Mitglied der Schulsozialarbeit Saanen und Betriebsleiterin der Tagesschule Gstaad – ist die treibende Kraft hinter dem Angebot. «Ich habe sechs Jahre dafür gekämpft. Das Ziel ist es, die Familien zu entlasten», erzählt sie.
Jedem (s)ein Ämtli
Montag, 29. Juli kurz nach neun Uhr in der Tagesschule in Saanen: 23 Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren sind angemeldet. Noch vor dem Zmorge werden die Ämtli verteilt. «Jedes Kind muss pro Tag ein Ämtli übernehmen», erklärt Erika Hefti. «Wer will den Tisch abräumen, den Geschirrspüler einräumen, die Tische putzen, den Boden staubsaugen und später den Geschirrspüler ausräumen, das Geschirr nachtrocknen und versorgen?», fragt Erika Hefti in die Runde. Tatsächlich melden sich pro Ämtli mehr Kinder als es jeweils braucht.
Nach dem Frühstück bespricht Erika Hefti mit den «Kochkindern» das Mittagsmenu, während die anderen entweder ihr Ämtli verrichten, sich mit Spielen in den Räumlichkeiten der Tagesschule die Zeit vertreiben oder sich draussen auf dem Spielplatz austoben.
Die «Kochkinder» schnipseln derweil das Gemüse, das roh zu den Spaghetti Carbonara auf den Tisch kommt. «Die meisten Kinder mögen rohes Gemüse lieber als gekochtes», so die Erfahrung von Erika Hefti. «Vor dem Hauptgang muss jedes Kind mindestens ein Stück Gemüse essen», lautet eine Regel. Zum Nachtisch gibt es Früchte. Nach dem Zmittag gönnen sich die Erwachsenen bis 14 Uhr eine Pause, während die Kinder spielen. Ein Mädchen nutzt die Zeit für einen ausgiebigen Mittagsschlaf.
Selber Slime herstellen
Die Betreuerinnen stellen für jeden Tag ein Programm zusammen: Basteln, Malen, sportliche Aktivitäten, Ausflüge usw. Heute stellen die Kinder «Slime» her. Je zwei Kinder messen zusammen Maizena und Wasser ab und einigen sich auf eine Farbe. «Wir müssen beide die gleiche Farbe wählen», erklärt ein Mädchen seinem «Gspänli». Es folgt ein längeres Hin und Her zwischen Blau und Pink. Schliesslich einigen sich die beiden auf Pink. Alle Zutaten werden gut durchmischt und die Kinder tunken ab und zu ihre Finger in den Schleim, um dessen Konsistenz zu prüfen. «Klopfst du mit dem Finger schnell auf die Oberfläche, fühlt sie sich hart an, machst du es langsam, geht der Finger wie durch Butter durch den Schleim», erklärt Larissa Magyar. Viele Kinder geniessen es sichtlich, den Schleim durch ihre Finger gleiten zu lassen. «Schau mal, ich kann eine Kugel formen», wendet sich ein Knabe an die Betreuerin Amalia Coulter. «Muss ich noch mehr Maizena reintun?», fragt ein Mädchen, dessen Slime noch etwas flüssig ist. «Ich geh die Hände waschen», meint einer der Jungs, dem offenbar nicht ganz wohl ist mit dem farbigen Maizena-Wasser-Gemisch an den Händen. Schliesslich füllt Larissa die Masse in Gläser ab und jedes Kind darf seinen Schleim mit nach Hause nehmen.
Coole Wasserschlacht
Am Nachmittag steht für viele das Highlight des Tages an: eine Wasserschlacht.
Aus grossen Kübeln füllen die Kinder die Wasserspritzen und spritzen sich unter lautem Gelächter gegenseitig nass. Und als Erika Hefti die Rutsche mit dem Wasserschlauch rutschbereit spritzt, gibt es kein Halten mehr. Auf dem Bauch, auf dem Rücken, kniend oder sitzend rutschen die Kinder nacheinander kreischend hinunter. Wer keinen Badeanzug dabei hat, rutscht mit T-Shirt und Hose.
Die Sonne scheint, es ist heiss, bis die Eltern die Kinder abholen, sind die Kleider wieder trocken.
Etwas später ruft Erika Hefti zum Zvieri – es gibt Joghurtcreme und Früchte. Ab circa 16 Uhr bis spätestens 18 Uhr werden die Kinder abgeholt und für die Betreuerinnen heisst es aufräumen und vorbereiten für den nächsten Tag.
Laut, fröhlich und friedlich
Es ging laut zu und her an diesem Tag, was ja verständlich ist bei 23 Kindern auf relativ kleinem Raum. Laut, fröhlich, aber auch friedlich. Klar, ab und zu musste ein Kind ermahnt oder getröstet werden. «Wir haben ein paar Regeln, welche die Kinder einhalten müssen. Aber im Grossen und Ganzen dürfen sie sich frei und nach Lust und Laune bewegen», so Hefti. Ab und zu dringt noch etwas Schule durch, etwa wenn eines der Kinder fragt: «Frau Hefti, darf ich auf die Toilette?»
Das sagen Kinder…
Die Kinder freuten sich an diesem Tag aufs Spielen, auf ein feines Essen und die meisten natürlich auf die Wasserschlacht. «Ich mag keine Wasserschlacht», meinte hingegen ein Mädchen ganz scheu und bevorzugte ein Spielgerät auf dem Spielplatz. Schliesslich liess es sich doch anstecken vom Gekreische der anderen Kinder und rutschte auf dem Hosenboden die Plastikrutsche hinunter.
… Eltern…
Die Eltern sind dankbar für die Ferienbetreuung ihrer Kinder. Einige sind alleinerziehend und viele arbeiten in Branchen, die Hochsaison haben im Sommer und über Weihnachten/Neujahr. Sie und ihr Mann seien auf die Ferienbetreuung angewiesen, meinte eine Mutter. «Die Betreuerinnen machen das super, meine Tochter geniesst die Tage mit anderen Kindern.» Sie seien erst vor Kurzem zugezogen, sagte ein Vater. «Meine Tochter kennt noch nicht so viele Kinder, hier lernt sie einige kennen.»
… und Betreuerinnen
Mit dem Minimallohn von knapp 3700 Franken könne sich eine drei- bis fünfköpfige Familie nicht ernähren und daher seien die Eltern praktisch gezwungen, dass beide arbeiten, betont Erika Hefti. Sie liebe es, mit Kindern zu arbeiten. «Und Ferienbetreuung ist wichtig. Damit werden die Eltern entlastet. Sonst besteht die Gefahr, dass Kinder alleine zu Hause bleiben oder mit zur Arbeit müssen. Dies wiederum schwächt die Eltern auf dem Arbeitsmarkt. Fremdsprachige Kinder verlieren möglicherweise ihre Deutschkenntnisse», so Hefti. Amalia Coulter hat ein Praktikum an der Heilpädagogischen Schule in Gstaad gemacht und beginnt im Sommer die Ausbildung zur Fachperson Betreuung Kind (FaBeK). «Ich mag Kinder sehr. Jedes ist einzigartig», sagt sie. «Ich habe meine Berufung gefunden mit der Arbeit in der Tagesschule», schwärmt die zweifache Mutter Larissa Magyar.
FERIENBETREUUNG DER GEMEINDE SAANEN
Die Gemeinde Saanen bietet sechs Wochen Ferienbetreuung an. Vier Wochen während der Sommerferien und zwei Wochen über Weihnachten/Neujahr und zwar jeweils von Montag bis Freitag von 8 Uhr bis 18 Uhr. Das Angebot gibt es seit zwei Jahren, es richtet sich an Eltern von Kindern zwischen fünf und zwölf Jahren. Das Pilotprojekt läuft nächstes Jahr aus. «Wir hoffen, dass es auf das Schuljahr 2025/26 definitiv eingeführt wird», sagt Erika Hefti, Leiterin der Ferienbetreuung. «Im ersten Jahr hatten wir vor allem Kinder aus dem Schulkreis Gstaad. Jetzt hat es Kinder auch aus anderen Schulkreisen der Gemeinde Saanen», so Erika Hefti. Heuer profitieren rund 50 Kinder im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren vom Angebot. Die Mehrheit der Kinder ist zwischen dem Kindergarten und der zweiten Klasse.
Im Durchschnitt drei Tage pro Woche
Die meisten Eltern nutzen das Angebot tageweise. Es gibt aber auch Kinder, die zwei Wochen am Stück betreut werden. «Im Durchschnitt sind die Kinder drei Tage pro Woche bei uns», so Hefti. «Die Eltern bekommen den Wochenplan. So wissen sie, was wir vorhaben und können den Kindern die entsprechenden Utensilien wie Regen- und Sonnenschutz mitgeben. Wir sind täglich draussen und werden auch schmutzig», betont Erika Hefti.
Eine Betreuerin pro acht Kinder
Pro Tag sind zwischen zwei und vier Betreuerinnen im Einsatz. Erika Hefti kann auf einen Pool von rund zehn Helferinnen und Helfern zählen, darunter sind auch Mitarbeitende der Juga. «In der Regel braucht es eine Betreuerin oder einen Betreuer pro acht Kinder. Davon sollte die Hälfte diplomiert, zum Beispiel Pädagoge, sein.»
Zusammenarbeit mit der Juga
«Vier der sechs Wochen sind wir in der Juga Oeyetli und werden tatkräftig von den dortigen Mitarbeitenden unterstützt», so Hefti. «Ein weiterer Nebeneffekt ist, dass die Eltern und Kinder das Angebot der Jugendarbeit bereits kennen lernen. Wir hoffen, dass diese Vernetzung später Früchte trägt.»
40 Franken pro Tag und Kind
Die Eltern müssen sich mit einer Pauschale von 40 Franken pro Tag und Kind an den Kosten beteiligen. 30 Franken für die Betreuung und 10 Franken für die Mahlzeiten. Die Gemeinde kommt für die Löhne der Mitarbeitenden auf. «Den Rest – auch die Kosten für Ausflüge – decken wir mit den 40 Franken ab», so Hefti.
Die Gebühren müssen die Eltern im Voraus bezahlen.
MOA








