Frauenpower im Gymnasium Gstaad
24.06.2024 GstaadKonnten aus dem Gymnasium Interlaken fünf Maturanden ihr Diplom mit Auszeichnung entgegennehmen, so waren die Erfolgreichen aus der Klasse Gstaad zwei junge Frauen. Lea Aellen aus der Lenk und Bianca Reichenbach aus Saanen schlossen mit der Bestnote von 5,4 ab.
LOTTE ...
Konnten aus dem Gymnasium Interlaken fünf Maturanden ihr Diplom mit Auszeichnung entgegennehmen, so waren die Erfolgreichen aus der Klasse Gstaad zwei junge Frauen. Lea Aellen aus der Lenk und Bianca Reichenbach aus Saanen schlossen mit der Bestnote von 5,4 ab.
LOTTE BRENNER
Im Kursaal Interlaken herrschte am Samstag eine ebenso feierliche als auch ausgelassene Stimmung, als 68 Absolventinnen und Absolventen der Gymnasien Interlaken und Gstaad ihre Abschlussdiplome empfangen durften. Es war ein Anlass voller Freude und Stolz. Doch über allem schwebte das Bewusstsein um eine unsichere Weltlage, der es für die jungen, dem Gymnasium entlassenen und mit dem nötigen Rüstzeug ausgestatteten Absolventinnen und Absolventen hoffnungsvoll entgegenzutreten gilt.
Ein kurzes Gespräch mit den beiden Geehrten, Lea Aellen und Bianca Reichenbach, ergab, dass beide noch ein Zwischenjahr einschalten. Bianca nutzt dieses für ein Praktikum in einem Architekturbüro und will danach in der Fachhochschule ein Architekturstudium antreten. Lea dagegen möchte sich ein wenig mit Gelegenheitsarbeiten wie Stellvertretungen in Schulen durchschlagen und daneben Ferien machen, noch die Freizeit geniessen, bevor sie das Studium in Humanmedizin beginnt – also in etwa die «Ruhe vor dem Sturm». Stand für Lea die Studienrichtung schon immer fest, so lavierte Bianca während der Gymerzeit zwischen etlichen Möglichkeiten. Beide stellen die Familie klar vor die Karriere. Doch «eine Verbindung von beidem wäre wünschenswert».
Ein Aufruf zum Mut
In der Grussbotschaft der Schulkommission stellte Daniela Grisiger fest, dass die Schule in der Pflicht stehe, kritisch-analytisches Denken zu trainieren. Sie rief die «Maturae und Maturi» auf, dieses zu nutzen – auf ihrem künftigen Weg Leistung, Intelligenz und auch Widerspruchsgeist einzubringen.
Die Festrednerin, Elisabeth Schenk Jenzer, Schulratspräsidentin PH Bern, ist der Meinung, dass die Maturandinnen und Maturanden mutiger sein müssten als die vorhergehenden Jahrgänger:innen, für welche die Welt noch ziemlich in Ordnung war: «Mut ist immer untrennbar mit Herausforderungen, mit Schwierigkeiten, oft auch mit Furcht verbunden. Man braucht keinen Mut, wenn alles rund läuft, wenn alles einfach und der Weg vor einem klar ist.» Sie verwies dabei auf die Einladungskarte der Maturfeier, die in einem Wimmelbild den Weg durch das Gymnasium, durch Wissens- und Fachgebiete darstellt: «Ihre Einladung macht aber auch deutlich, dass der Weg durch den Gymer kein gradliniger war. Vom Start unten links zum Ziel oben rechts geht es in verschlungenen Pfaden rauf und runter, mit dem absoluten Tiefpunkt im Gym3, mit einem grossen, gebrochenen Herzen…»
Schliesslich gehe es im Gymnasium nicht nur um Wissen und Können, sondern auch um Horizonterweiterung und Belastbarkeit. Schmerzhafte Erfahrungen und Prozesse gehörten laut Elisabeth Schenk Jenzer dazu. Trotz grosser Anstrengungen erlebe so gut wie niemand nur Erfolge. Ängste stellten sich ein – vor den eigenen Schwächen und Mängeln. Sie verwies dabei auf den französischen Schriftsteller und Philosophen Albert Camus, für den Scheitern und Mut zentrale Aspekte des Lebens darstellten. Sinngemäss gab sie denn auch die Auslegung von Mark Twain wieder, dass Mut nicht das Fehlen von Furcht sei, sondern dass man trotzdem handle.
Die Festrednerin versteht unter Mut kein Heldentum: «Mut war, am Morgen aufzustehen und in die Schule zu gehen, auch wenn die Welt dunkelschwarz erschien. Mut war, für die nächste Geografieprobe zu lernen, obwohl die letzten drei katastrophal ausgefallen waren. Mut war, sich auf eine Beziehung einzulassen, obwohl man sich vor Zurückweisung und Verletzung fürchtete.» Und den Entlassenen aus dem Gymnasium, wo sie gelernt haben, auszuhalten und weiterzumachen, wünschte die Festrednerin für die kommenden Jahre im Studium und in der Arbeitswelt nebst Mut Freude, Zuversicht, Selbstachtung und Beharrlichkeit.
Gstaader Klasse gegen Vorurteile
In einem frechen, ironischen Sketch zeigte die Gstaader Klasse Klischees auf, Vorurteile, wie sie etwa kursieren. 1. Nur Landarbeit ist Arbeit – Wer studiert, arbeitet nicht. 2. Alle sind reich und schön. 3. In Gstaad hat keiner eine Ahnung von Nachhaltigkeit und Veganismus. Und es herrscht Fremdenfeindlichkeit. 4. Alle Gstaader schreiben eine Sechs – Bringt jemand eine 5,3 nach Hause, wird kommentiert: «Es war noch nie so ungenügend.»
Strahlende Gesichter
Sowohl der Prüfungsleiter Christoph Däpp wie die Rektorin Andrea Iseli freuten sich mit den 68 erfolgreichen Gymnasiumsabgänger:innen. Geehrt wurden für besonders gute bis herausragende Leistungen: Aus dem Gymnasium Interlaken: Sven Meininghaus und Jon Mucolli (je mit Note 5,4), Renato Mägert und Leif Corbel (5,5) sowie Marius Frey mit der Bestnote 5,6. Aus dem Gymnasium Gstaad: Bianca Reichenbach und Lea Aellen (5,4). Sie alle erhielten ein Kuvert mit einer Zuwendung von der Schweizerischen Studienstiftung.
Folgende Maturandinnen und Maturanden verlassen erfolgreich das Gymnasium in Gstaad: Lea Aellen, Lenk; Emilia Bach, Saanen; Agnes Dubach, Oeschseite; Chiara Lanz, Saanenmöser; Silja Pfister, Zweisimmen; Sue Piller, Gsteig; Britney Poenaru, Turbach; Bianca Reichenbach, Saanen; Janine Westemeier, Lauenen; Moritz Wichman, Gstaad und Liam Zafalon, Gstaad. Das Diplom wurde ihnen von Klassenlehrer André Nobs ausgehändigt. Silja Pfister wurde unverhofft Jubilarin: Christoph Däpp gab bekannt, dass bei ihr zum 200. Mal das Maturdiplom vom Gymnasium Gstaad abgegeben wurde.