Gahts eigentlich nuch?
05.09.2025 KolumneKEREM S. MAURER
Ich mache mir Sorgen um die gesundheitliche Zukunft von Muni Max.
Das ESAF 2025 katapultierte das Glarnerland ins mediale Rampenlicht. Das Lob im Blätterwald war überschwänglich. Als Glarner freue ich mich über die «ersten Male», ...
KEREM S. MAURER
Ich mache mir Sorgen um die gesundheitliche Zukunft von Muni Max.
Das ESAF 2025 katapultierte das Glarnerland ins mediale Rampenlicht. Das Lob im Blätterwald war überschwänglich. Als Glarner freue ich mich über die «ersten Male», die das Schwingfest hervorgebracht hat. Erstmals ein Bündner, erstmals einer, der nicht im Schlussgang stand. Und erstmals wurde ein riesiger Stier aus Holz gezimmert. Muni Max ist 21 Meter hoch, zehn Meter breit, 36 Meter lang und wiegt 182 Tonnen – und er sieht aus, als wäre er der Cousin des trojanischen Pferds. Meine Freude erlitt einen herben Dämpfer, als ich vernahm, dass das eigentliche Glarner-ESAF-Wahrzeichen ausgerechnet in den Kanton Uri übersiedelt werden soll. Mir schoss reflexartig ein einziger Gedanke in feinstem Glarnerdialekt durch den Kopf: «Gahts nuch?»
Ein Blick in die Sage der Bereinigung des einstigen Grenzkonflikts der beiden Nachbarkantone erklärt meine Bedenken: Vor Jahren stritten sich Glarner und Urner über den Grenzverlauf. Um diesen Konflikt ein für alle Mal zu beenden, kam man auf die Idee, dass am Morgen der Tagundnachtgleiche beim ersten Krähen eines Hahns jeweils ein Läufer in Altdorf und einer in Glarus starten sollte und dort, wo sich die beiden begegneten, würde der Grenzstein gesetzt. Auf beiden Seiten war man darauf bedacht, einen Hahn auszuwählen, der die Morgenstunde auf das Allerfrüheste ansagte. Die Urner gaben ihrem Hahn kaum zu essen und zu trinken. Sprich, sie liessen das arme Tier hungern und dursten, damit es keinen Schlaf fand. Folglich schrie der Urner Güggel in seiner Not schon frühmorgens sein bemitleidenswertes Dasein mittels eines kläglichen Krähens in die Welt hinaus. Der Plan ging auf, es war noch dunkle Nacht, als der Urner Läufer in Richtung Glarnerland loslief.
Die Glarner umsorgten ihren Hahn und fütterten ihn mit den besten Speisen, auf dass er anderntags gesund, stark und lebensfroh in aller Frühe den Tag begrüsse. Doch diese Tierliebe zahlte sich nicht aus. Der wohlgenährte Hahn schlief bis in die späteren Morgenstunden hinein tief und fest. Als er dann endlich krähte, rannte der Glarner mit einem beträchtlichen Rückstand auf den Urner los.
Beim Staldenhäreli ob den Fruttbergen trafen die Läufer aufeinander. «Hier soll die Grenze sein!», frohlockte der Urner, der bereits vom höchsten Punkt talwärts gestürmt war. «Sei gerecht und gib mir einen Teil des Weidelandes ab, das du errungen hast», bat der Glarner. Der Urner zeigte sich unter einer Bedingung dazu bereit. «Trage mich auf deinen Schultern den Berg hoch, solange du dies vermagst», bot der Urner dem Glarner an. Letzterer ergriff dankbar seine Chance und buckelte den Urner bergwärts, bis er tot unter diesem zusammenbrach. An dieser Stelle verläuft bis heute die Grenze zwischen den beiden Kantonen.
Und jetzt, nach all den Jahren, vertrauen die Glarner den Urnern das Wohl eines derart gloriosen Tieres an, wie Muni Max eines ist? Ich habe meine Zweifel, ob Max im Urnerland in guten Händen ist, selbst, wenn er nur ein hölziger ist. Ich habe dabei ein ungutes Gefühl. Natürlich lasse ich mich gerne eines Besseren belehren und bin offen für neue Erfahrungen. Dennoch, vielleicht hätte man ihn doch besser als Maskottchen für das Mad Muni nach Saanen geholt. Dort hätte er wenigstens genug zu trinken bekommen. kerem.maurer@anzeigervonsaanen.ch