Gefährlich nahe an wilden Tieren
02.02.2023 GstaadWer zurzeit am Chalet Naegeli in Gstaad vorbeigeht, den starren Elefantenbullen in Drohgebärden und brüllende Löwen an – nichts für schwache Nerven. Eine neue Fotoausstellung von Wildtieren, die am Werk der Gstaader Fotografie-Ikone Jacques Naegeli ...
Wer zurzeit am Chalet Naegeli in Gstaad vorbeigeht, den starren Elefantenbullen in Drohgebärden und brüllende Löwen an – nichts für schwache Nerven. Eine neue Fotoausstellung von Wildtieren, die am Werk der Gstaader Fotografie-Ikone Jacques Naegeli anknüpft.
NICOLAS GEISSBÜHLER
Betritt man das Studio Naegeli, so blickt man als erstes einer schwarz-weissen Elefantenherde in die Augen. Die aktuelle Ausstellung «Wild Souls», die am 28. Januar eröffnet wurde, zeigt Wildtierfotografien der belgischen Künstlerin Griet Van Malderen. Laut Galeristin Anna Högl sei ihre Wahl auf diese Künstlerin gefallen, da ihre Arbeiten viele Parallelen zum Werk von Jacques Naegeli aufweisen: Auch Naegeli fotografierte Wildtiere, erst im Saanenland, dann auf mehreren Reisen in Afrika. Einige seiner Bilder sind nun neben den modernen Fotografien von Van Malderen ausgestellt.
Unberührte Natur
Naegeli faszinierte das Wilde. Er fotografierte erst im Saanenland Wildtiere wie Gämsen und Murmeltiere, machte auch Mal aufwendige Wanderungen, um einen Steinadlerhorst abzulichten. Später unternahm er mehrere Reisen nach Afrika, um die dortige Fauna mit der Kamera einzufangen. Ihm war wichtig, dass er die Wildtiere in ihrem natürlichen Lebensraum antrifft, etwas, worauf auch Griet Van Malderen wert legt. Sie sucht sich von Menschen unberührte Gegenden und studiert das natürliche Verhalten der Tiere, sodass sie sie in diesem fotografieren kann. Oft verbringt sie so Tage mit Warten auf den richtigen Moment, da sie die Wildtiere nicht mit Köder anlocken will. Um dies zu erreichen, gehe sie oft aufwendige Reisen ein, um weit weg von Zivilisationen zu sein, erzählt Högl. So dürften ihre Reisen ähnlich anstrengend sein, wie einst die von Jacques Naegeli.
Keine Distanz zum Wildtier
Eine weitere Gemeinsamkeit in der Arbeitsweise von Naegeli und Van Malderen ist die Nähe zu den Tieren. Wie Naegeli es schon in den 1930er und 1940er Jahren pflegte, scheut auch Van Malderen keine Nähe zu wilden Tieren und geht für ein gutes Bild oft sehr nahe an sie heran. Naegeli begab sich dafür regelmässig in grosse Gefahr, daran hat sich bis heute wenig geändert: Auch Van Malderen geht erhebliche Risiken ein. Denn Wildtiere greifen öfters mal an, wenn sie sich bedroht fühlen. Vor allem wenn sie Jungtiere bei sich haben, fühlen sie sich schneller bedroht. Und Van Malderen hat eine ganze Serie mit Jungtieren geschossen.
Auch Jacques Naegeli ging für seine Bilder teils bis auf wenige Meter an die Tiere heran um das perfekte Bild machen und möglichst viel Authentizität erzeugen zu können. «Gerade deswegen war er ein Pionier in der Wildtierfotografie», sagte Anna Högl.
Für Tier- und Naturschutz engagiert
Anna Högl erklärte, dass sich Griet Van Malderen für die bedrohten Lebensräume ihrer Fotoobjekte und die Arterhaltung einsetze. Die Gefahr, dass Wildtiere immer seltener werden, erkannte bereits Jacques Naegeli und hielt diese Gedanken in seinem Reisejournal «Sudan» seiner Afrikareise im Jahr 1941 fest. Er reiste damals vom Mittelmeer über den Viktoriasee an den Indischen Ozean. Im Gegensatz zu Van Malderen fotografierte er aber auch viele Ureinwohner der Gegenden und nicht nur Tiere. Neben den Bildern dieser Reise sind aktuell auch Naegelis Tropenhelm und eine seiner Kameras ausgestellt. Diese entspricht nicht wirklich den heutigen Vorstellungen eines Fotoapparates, sondern erinnert eher an ein Fernrohr.
Von Kindern für Kinder
Eine Besonderheit der aktuellen Ausstellung im Studio Naegeli ist ein Teil der Galerie, der explizit für Kinder gemacht wurde. Es handelt sich um eine Reihe von Bildern Van Malderens, die Tierbabys zeigt. Vom Nashornkalb bis zum Löwenjungen ist alles dabei. Anna Högl hat sie absichtlich etwas tiefer aufgehängt, sodass auch kleinere Besucher die Fotos bestaunen können. «Dieser Teil ist von Kindern für Kinder gemacht», sagt Högl augenzwinkernd.
Ein weiterer Teil der Ausstellung ist der «Eisraum», wie ihn Högl nennt. Er ist ganz in weiss gehalten, vermittelt so Kälte. Gezeigt werden Bilder, die Van Malderen im nordkanadischen Churchill aufnahm, zu sehen sind Polarfüchse und Eisbären, die durch verschneite Eislandschaften stapfen. Allgemein sei es grossartig, Bilder einer weiblichen Wildtierfotografin ausstellen zu können, sagt Högl. «Frauen sind in dieser Branche nach wie vor die klare Minderheit», sagt sie. Die Künstlerin selber war an der Vernissage nicht anwesend, kommt aber Ende Februar zu einem Talk nach Gstaad. Zurzeit ist sie in Patagonien und fotografiert Pinguine.
Lokale Beteiligung und neue Ausseninstallation
Auch die Resident-Artists kommen wieder zum Zug. Zwischen den zahlreichen Fotografien Van Malderens und Naegelis sind die Kunstinstallationen von Anthony Bannwart sowie Pierre und Cédric Koukjian gekonnt platziert. Die beiden Koukjians haben gerade erst eine grosse Ausseninstallation im Garten des Naegeli-Hauses installiert. «Das war ein achtmonatiges Projekt, umso schöner, es nun in fertigem Zustand zu sehen», erklärt Cédric Koukjian. Sie seien dennoch schon an den nächsten Projekten. «Es dauert immer etwas. Der grösste Teil unserer Arbeit ist eigentlich die Materialstudie unseres Research Departements», sagt Pierre Koukjian lachend. Das «Research Departement» besteht aus ihnen beiden. «Die meisten Projekte sind nicht so zufriedenstellend, dass wir sie veröffentlichen könnten», fügt er an.
Weitere Informationen: www.studionaegeli.com





