Gemeinsam am Flipchart für die Zukunft der Destination Gstaad
27.10.2025 TourismusBeim Workshop des Destinationsrats im Schönrieder Hotel Ermitage suchten rund 40 Vertreterinnen und Vertreter aus Tourismus, Gewerbe und Gemeinden nach Wegen, Gstaad nachhaltiger zu gestalten. Das Ziel: eine touristische Destination, die Umwelt, Wirtschaft und Bevölkerung ...
Beim Workshop des Destinationsrats im Schönrieder Hotel Ermitage suchten rund 40 Vertreterinnen und Vertreter aus Tourismus, Gewerbe und Gemeinden nach Wegen, Gstaad nachhaltiger zu gestalten. Das Ziel: eine touristische Destination, die Umwelt, Wirtschaft und Bevölkerung gleichermassen im Blick behält.
SONJA WOLF
Da rauchten die Köpfe. Die zehn Teilnehmenden in Gruppe 2 brüteten eifrig über Möglichkeiten, wie die Destination Gstaad nachhaltiger werden könnte. Die Schreiberin am Flipchart kam kaum mit, die Ideen alle mitzuschreiben. – Und time out! Nach 20 Minuten kam die Gruppe wieder in den Saal des Hotels Ermitage, um ihre Ergebnisse mit den anderen drei Gruppen zu teilen.
In der Herbstsitzung des Destinationsrats wurde dieses Mal die Präsentation neuer Informationen kurzgehalten und dem aktiven Workshop viel Platz eingeräumt. Die rund 40 Destinationsratsmitglieder – bestehend aus Gemeindevertretern und touristischen Leistungsträgern aus Hotellerie, Gastronomie, Transport und anderen Branchen – hatten zwei Aufgabenstellungen: Zum einen sollten sie Inputs zu einer effektiveren Nachhaltigkeit der Destination zusammentragen und zum anderen durften sie zum Ausdruck bringen, wo in ihren Bereichen aktuell der Schuh drückt.
Ideenpool für mehr Nachhaltigkeit
«In der Gastronomie das ganze Tier verwenden, nicht nur das Filet» oder «noch mehr Produkte aus der Region konsumieren und damit Transportwege verringern» war auf den Flipcharts zu lesen. Ob Parkplatzmanagement, Leitsystem oder Elektrotaxis – die Ideen gingen nicht aus. Viele Ideen zielten darauf, Mobilität nachhaltiger zu gestalten und regionale Kreisläufe zu stärken – aber auch die soziale Verantwortung jedes Einzelnen kam zur Sprache. Nicht zuletzt ist ein nachhaltiger Arbeitgeber auch ein attraktiver Arbeitgeber, mit dem sich potenzielle Mitarbeitende eher identifizieren. Und dieses Employer Branding wirkt wiederum dem Fachkräftemangel entgegen.
Wie nachhaltig ist die Destination Gstaad eigentlich?
«Wir sind jetzt wirklich auf der Ziellinie», verkündete Patrick Bauer, Leiter Destinationsentwicklung und Nachhaltigkeit, die gute Neuigkeit. Denn bisher wurde in Sachen Nachhaltigkeit schon einiges geleistet. Die Destination Gstaad ist auf dem Weg, offiziell als Swisstainable Destination anerkannt zu werden (siehe Infokasten). Der Zertifizierungsprozess wurde im Februar 2024 gestartet. Aktuell hat die Destination den Nachhaltigkeitsbericht fertiggestellt und eingereicht. Das externe Audit soll in den nächsten zwei Monaten stattfinden. Ziel ist laut Patrick Bauer, die Auszeichnung als «Weihnachtsgeschenk» bis zur Hauptversammlung im Dezember 2025/Januar 2026 zu erhalten und sich damit zu den zertifizierten Schweizer Destinationen zu zählen. Gstaad strebt an, Level 3 des Swisstainable-Programms zu erreichen, was bedeutet, konkrete, messbare und wirkungsstarke Projekte umzusetzen. Um dies zu erreichen, ist ein breites Gremium nötig, das die Strategie trägt und deren Umsetzung überwacht. Daher übernimmt der Destinationsrat künftig auch die Rolle des Nachhaltigkeitsrats.
Und wo drückt der Schuh?
Das beherrschende Thema im zweiten Block des Workshops war die Sorge um die nachlassende Tourismusakzeptanz. Besonders störend sei das Verhalten mancher Touristen, hiess es – von Fotoshootings in privaten Gärten bis hin zum Betreten landwirtschaftlicher Flächen. Die Einführung des Magic Passes sorgte ebenfalls für Diskussionen: Könnte Gstaad von Tagestouristen überrannt werden? Gleichzeitig mache der Mangel an bezahlbarem Wohnraum die Rekrutierung von Fachkräften zunehmend schwierig, fanden die Teilnehmenden.
Die Destination als attraktiven Lebensund Arbeitsort vermarkten
Die Reaktion der Destination auf den Fachkräftemangel: das neue Projekt Gstaad Life & Work, das vom Gewerbeverein, dem Hotelierverein und Gstaad Saanenland Tourismus angestossen wurde. «Es handelt sich hier nicht um das typische touristische Marketing, das nur darauf abzielt, Gäste abzuholen, sondern es geht vielmehr darum, die Region als attraktiven Wohn- und Arbeitsort zu vermarkten, um Fachkräfte und Mitarbeitende anzuziehen», erklärte Tourismusdirektor Flurin Riedi. Dies sei auch als Ziel in der Standortentwicklungsstrategie so definiert worden. Das Standortmarketing solle gezielt ausgebaut werden und eine digitale Plattform geschaffen werden. Im Gegensatz zur bereits existierenden Plattform yourgstaad.ch beziehe sich die neue Plattform nicht nur auf Hotellerie und Gastronomie, sondern auf alle Branchen. Für die Pilotphase ab 2026 sei ein Budget von CHF 50’000 vorgesehen, so Riedi.
Tourismus ja – aber im Einklang mit der Bevölkerung
Auch gegen die schwächelnde Tourismusakzeptanz gibt es einen Lösungsansatz: Eine neue Arbeitsgruppe zur Tourismusakzeptanz unter dem Lead von GST. Dieses Gremium, breit abgestützt mit Vertretern aus den Gemeinden, der Landwirtschaft, den Bergbahnen, der Hotellerie und dem Gewerbe, soll konkrete Lösungen erarbeiten. «Ziel ist es, das Gästeerlebnis hochwertig zu gestalten – aber zugleich die Lebensqualität der Einheimischen und damit die Tourismusakzeptanz zu sichern», erklärte Riedi den versammelten Destinationratsmitgliedern.
WAS IST EINE SWISSTAINABLE DESTINATION?
Das Label von Schweiz Tourismus zeichnet Destinationen aus, die sich aktiv und messbar für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen. Ziel ist es, Nachhaltigkeit nicht nur als Marketingbegriff zu nutzen, sondern als langfristigen Entwicklungsprozess im Tourismus zu verankern. Eine Destination erreicht den Swisstainable-Status, indem sie ökologische, soziale und wirtschaftliche Verantwortung übernimmt – etwa durch umweltfreundliche Mobilität, ressourcenschonendes Handeln und die Einbindung der lokalen Bevölkerung. Je nach Engagement wird sie mithilfe des internationalen Zertifizierungssystems TourCert einem von drei Levels zugeordnet, wobei Level 3 den höchsten Standard darstellt. Professor Urs Wagenseil von der Hochschule Luzern begleitet die Destination auf dem Weg zur Zertifizierung als externer Coach und war auch dieses Mal mit von der Partie.
Das Label Swisstainable zeichnet nicht nur Destinationen aus, sondern auch touristische Betriebe wie Hotels, Transportunternehmen oder Bergbahnen, die sich aktiv und messbar für Nachhaltigkeit engagieren.
SWO
Zukunftsrezept der MOB: Qualität und Kooperation
Gastredner war am Destinationsratsmeeting Yves Marclay, seit Juni dieses Jahres Generaldirektor der MOB. Marclay betonte, dass die MOB nicht auf Massentourismus abziele, sondern auf Qualitätstourismus. Sie passe sich den neuen Trends an. «Der Trend geht hin zu einer persönlicheren ‹Experience›», sagte Marclay. «Man reist heute gerne in kleineren Gruppen und oft nur einen Teil der Linie, statt die ganze Strecke durchzufahren.» Also ganz nach dem Motto «Weniger ist mehr». Eine grosse Herausforderung für die MOB sei laut Marclay die Kundenzusammensetzung: Von den 5 Millionen Fahrgästen jährlich sind 80 Prozent Freizeitreisende, nur 20 Prozent sind Pendler, welche die Erträge im Voraus sichern. «Den Rest müssen wir jedes Jahr aufs Neue gewinnen», so der MOB-Direktor.
Und zu den Nationalitäten der Fahrgäste: «Wir sind zwar in 20 internationalen Märkten aktiv, doch das Schöne ist: 60 Prozent unserer Gäste kommen aus der Schweiz», führte Marclay aus. Das derzeitige Engagement der MOB im Swisstainable-Nachhaltigkeitsbestreben auf Level 1 beurteilte er als ungenügend: «Dieses Commitment darf nicht nur in Form von einer Lokomotive mit dem Label Swisstainable bestehen.» Vielmehr müsse es weitere Aktionen und Umsetzungsprojekte geben. «Ich bin überzeugt: Da gibt es mit der Destination viel gemeinsam zu machen unter diesem Label.»







