Improvisation in familiärer Atmosphäre
11.12.2023 KulturDer Countdown läuft, das Gstaad New Year Music Festival ist in den Startlöchern. Am 27. Dezember ist es wieder so weit: Junge Preisträger, die ihre Karriere im Saanenland starten, präsentieren sich ebenso wie Weltstars im überschaubaren Rahmen in der Kirche von Saanen ...
Der Countdown läuft, das Gstaad New Year Music Festival ist in den Startlöchern. Am 27. Dezember ist es wieder so weit: Junge Preisträger, die ihre Karriere im Saanenland starten, präsentieren sich ebenso wie Weltstars im überschaubaren Rahmen in der Kirche von Saanen und an anderen heimeligen Konzertorten. Und finden sich bei der künstlerischen Leiterin Prinzessin Caroline Murat zum Abendessen ein. Eine nicht ganz typische Festivalorganisatorin gibt Einblicke in den Alltag des etwas anderen Musikfestivals.
SONJA WOLF
Alles Gute zur Volljährigkeit!
Die diesjährige Ausgabe ist keine normale Ausgabe des Gstaad New Year Music Festivals. Dieses Jahr realisiert Gründerin und Intendantin Caroline Murat bereits die 18. Ausgabe. Wenn das mal kein Grund zum Feiern ist... «Wir werden uns amüsieren!», sagt sie strahlend und ein wenig verschmitzt beim Besuch dieser Zeitung in ihrem Lauener Chalet. «Wir werden vor allem ein fröhliches Programm haben! Das ist gerade in der heutigen Zeit mit all den Kriegen besonders wichtig.» Als Beispiel nennt die Prinzessin das Wochenende vom 5. Januar. «Allein an diesem Wochenende reisen wir musikalisch nach Frankreich, Spanien, in den Orient, nach Italien mit Roberto Alagna oder nach Argentinien mit der ‹Tango Passion› mit einem der grössten Baritone der heutigen Zeit, Erwin Schrott», und ergänzt noch: «...der zudem noch eine sehr charmante und charismatische Persönlichkeit ist.»
Was bringt internationale Stars dazu, in den kleinen Kirchen von Lauenen oder Rougemont aufzutreten?
Weltstars wie Lisette Oropesa und Ludovic Tézier tauschen mal eben die Metropolitan Opera oder die Wiener Staatsoper gegen den begrenzten Raum vor dem Altar der Kirche Rougemont aus und singen vor einem recht überschaubaren Publikum. Aber warum? Die Antwort fällt Caroline Murat leicht: «Die Künstler finden es bereichernd, ihr Publikum zu sehen. In den grossen Sälen, in denen sie normalerweise auftreten, ist das nicht möglich. Da bietet die heimelige Kirche von Rougemont doch einen ganz anderen Bezug zum Publikum.»
Warum eigentlich nicht improvisieren?
In einem so kleinen familiären Rahmen ist auch Improvisation möglich. «Wir werden beispielsweise drei Pianisten haben, die improvisieren: Tim Allhoff, Jacky Terrasson und Daniel Heide.» Sie beginnen mit dem angegebenen Programm, enden dann aber bei Improvisationen. «Ich selbst bin begeistert, wenn sie anfangen zu improvisieren! Denn ich bin selbst Pianistin, klassisch ausgebildet, aber ich könnte das niemals. Man hat mir damals bei der Ausbildung regelrecht verboten zu improvisieren! Die heutige Generation von Künstlern aber tut es.»
Selbst organisatorische Improvisation ist beim Format des GNYMF möglich: Das Festival beginnt mit Jonathan Tetelman, dem «grössten jungen Tenor heutzutage», wie Murat schwärmt. Und den man bereits mit Pavarotti vergleiche. Und dieser hat soeben per Textnachricht angekündigt: «Ich komme mit einem Freund, einem Bariton, und werde spontan ein Duo mit ihm zusammen singen.» Ja, warum eigentlich nicht?
Warum reisen die Künstler mit Kind und Katz an?
Trotz viel kleinerem Publikum: «Die Gage für die Künstler ist die gewohnte, angemessene Gage», erklärt die künstlerische Leiterin Murat. Dies ist möglich, da das Festival keine Unternehmung mit festem Büro ist und – ausser zwei Koordinatoren – ohne Angestellte auskommt. «Es ist nicht einmal da, um einen Gewinn zu machen. Die Einnahmen aus den Ticketverkäufen und die Beiträge der Festivalfreunde gehen vollumfänglich zurück in die Musik.»
Und besser noch: Die Künstlerinnen und Künstler bekommen für ihre Anreise ins Saanenland gleichsam ein Rundum-Sorglos-Paket. Caroline Murat kümmert sich sowohl organisatorisch als auch finanziell um deren Anreise und die Verpflegung. Mit einer Besonderheit: Die Mahlzeiten finden immer bei ihr zu Hause in Lauenen statt. «Das ist nicht nur günstiger für die Festivalkasse, nein, auch den Künstlern gefällt das. Denn wer ein Leben in Hotels und Restaurants gewohnt ist, schätzt es sehr, auch einmal das authentische Leben in der Schweiz zu sehen.»
Dieses besondere familiäre Flair hat sich unter den Künstlern herumgesprochen. «Sie kommen inzwischen mit ihrer ganzen Familie – inklusive ihrer Katzen! – angereist», erzählt die Prinzessin lachend. Viele würden ihren Aufenthalt im Saanenland sogar verlängern – auf eigene Kosten.
Warum unterstützt die Prinzessin vor allem junge Talente?
Auch bei den jungen Talenten hat sich das Gstaad New Year Music Festival herumgesprochen. «Ich lade die jungen Talente nicht ein, weil es ‹chic› ist!» Caroline Murat ist selbst Pianistin und weiss, wie wichtig es ist, die Jugend zu fördern. Sie hatte selbst als talentierte junge Frau den internationalen Wettbewerb von Genf gewonnen und dachte, ihre Karriere sei damit angelegt. «Aber dem war nicht so, so leicht ist es nicht!» Also bietet sie verheissungsvollen jungen Talenten eine Bühne. Mit Erfolg: Einige junge Talente konnten dank ihres Auftritts beim GNYMF durchstarten, wie zum Beispiel die damals 13-jährige Alexandra Dovgan. Es ist laut der Prinzessin enorm wichtig, die Jugend zu unterstützen, denn sie wird die klassische Musik weitertradieren.
Wer bestimmt das Programm?
Auch an die treuen Unterstützer des Festivals denkt die Intendantin, denn ohne sie würde das Festival nicht überleben können. Sie selbst hat die Beziehungen zur Künstlerwelt und weiss, was gerade en vogue ist oder welches der sehr jungen Talente würdig ist, gefördert zu werden, und trifft eine Vorauswahl. Doch dabei achtet sie gewissenhaft darauf, dass auch die Geschmäcker der unterstützenden Festivalfreunde berücksichtigt werden, und lässt diese durchaus auch über die Favoriten mitentscheiden.
Woher weiss Prinzessin Caroline, was gerade modern ist?
Die Intendantin ist immer nahe dran am Puls der Zeit. Sie besucht viele klassische Konzerte. Sie reist auch viel, schon weil ihr Mann an drei verschiedenen Orten arbeitet. Er ist in der medizinischen Forschung tätig und hat Labore in New York, Lausanne und in Paris. Wenn sie sowieso dort ist, schaut sie sich auch immer die klassisch-kulturelle Szene an.
Warum liebt Caroline Murat Lauenen?
Trotz der vielen Reisen wohnt Prinzessin Caroline gut die Hälfte des Jahres in Lauenen. «Lauenen ist für mich das Paradies, einer der schönsten Plätze der Welt!», sagt sie und kommt ins Schwärmen. Seit gut zehn Jahren besitzt die Familie bereits das kleine Chalet in der Nähe der Kirche. Sie liebt es, mit ihrer fünfjährigen Hündin Surprise draussen spazieren zu gehen.
Zu Weihnachten kommen ihre drei Kinder und die sechs Enkelkinder. Zusammen mit den rund 40 Künstlerinnen und Künstlern wird es beim Essen dann wohl ein wenig eng werden, aber genau so gefällt es ihr! «Und damit auch die Musikbegeisterten lieber und einfacher zu den Konzerten in der Lauener Kirche kommen, habe ich dieses Jahr erstmals einen Shuttlebus organisiert, der sie nach dem Konzert wieder nach Gstaad bringt. Denn der normale ÖV fährt zu der Zeit nicht mehr.» Na, dann kann das Festival ja starten. www.gstaadnewyearmusicfestival.ch/">https://www.gstaadnewyearmusicfestival.ch/





